1. Mewlana Dschelaleddin Rumi
1819.
»Im Osten tagt's von unsres Feuereifers Lichte.«
J.v. Hammer,
in den Redekünsten Persiens.
Die Form des Ghasels
Die neue Form, die ich zuerst in deinen Garten pflanze,
O Deutschland, wird nicht übel stehn in deinem reichen Kranze.
Nach meinem Vorgang mag sich nun mit Glück versuchen mancher
So gut im persischen Ghasel wie sonst in welscher Stanze.
Solang' die Sonne nicht den Nachtflor bricht,
Sind Tagesvögel ohne Zuversicht.
Der Blick der Sonne ruft die Tulpen auf;
Jetzt ist, o Herz, dir zu erwachen Pflicht.
Das Sonnenschwert gießt aus im Morgenrot
Das Blut der Nacht, von der es Sieg erficht.
Voll Schlafs das Auge, sprach ich: »Es ist Nacht.«
Er sprach: »Vor meinem Angesichte nicht.«
Solang' es graut, ist zweifelhaft der Tag;
Am hellen Tag, wer zweifelt noch am Licht?
Im Osten steht das Licht, ich steh' im West,
Ein Berg, an dessen Haupt der Schein sich bricht.
[308]Ich bin der Schönheitssonne blasser Mond;
Schau weg von mir, der Sonn' ins Angesicht!
Dschelaleddin nennt sich das Licht im Ost,
Des Wiederschein euch zeiget mein Gedicht.
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- TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Wanderung. Zweiter Bezirk. Ghaselen. 1. Mewlana Dschelaleddin Rumi. 1. [Solang' die Sonne nicht den Nachtflor bricht]. 1. [Solang' die Sonne nicht den Nachtflor bricht]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-A7EB-1