[227] Ein Lebenslauf
1.
Gerissen aus meinem Gleichgewicht,
Begann ich die Welt zu durchschweifen;
Und das Verlorene fand ich nicht,
Wo die Zitronen reifen.
Wie ein verirrter Wandelstern
Mit seinen wallenden Haaren,
Der Unheil drohet irdischen Herrn
Und stillem Frieden Gefahren.
Da wandt' ich einer Sonne mich zu,
Sie zog mich an magnetisch.
Gefunden hat der Komet die Ruh',
Er kreist um die Sonne planetisch.
2.
Ich dachte, daß genug der Bäume wären,
Die alle könnten mit Früchten nähren.
Da fand ich, daß jeder für sich umschanzt
Den Baum, den er, den sein Vater gepflanzt.
Die Vögel des Himmels kümmern sich nicht
Ums Gedörn, das den Stamm umflicht;
Doch Leute, die nach den Kirschen langen,
Büßen am scharfen Zaun ihr Verlangen.
Viel Gnade, wenn wir dem Wandrer gestatten,
Von unserm Baum zu genießen den Schatten.
Du hast die Jugend im Schatten verträumt,
Den eignen Baum zu pflanzen versäumt.
Wohlauf, und pflanze ihn dennoch jetzt,
Und ob er dich nicht mit Früchten letzt,
So komm' es deinem Sohn zu gut',
Daß er einst im eigenen Schatten ruht.
[228] 3.
Komm, laß uns gehn und hören
Den Vogelsang in Chören
Und laß an Baches Wellen
Uns auch ein Sprenklein stellen.
Der Frühling wird entfliehen,
Die Vögel werden ziehen.
Dann soll uns, den wir fingen,
Daheim im Winter singen.
4.
Ich hörte Nachtigallen
Mit Lust im Frühling schallen;
Dann in der schwülen Stille
Das Sommerlied der Grille.
Nun hör' ich von den Rüstern
Die welken Blätter flüstern.
Wie sollt' ich drum verzagen?
Ich will in Wintertagen
Ums Haus des Schnees Schauern
Noch hören ohne Trauern.
5.
Mein Leben war ein einziger Tag.
Verträumt hab' ich das Morgenrot;
Was hülf's mir, daß ich mich's ließe reuen!
Wohl mir, daß ich am Abend mag
Nun nach des Mittags heißer Not
Vor Schlafengehn am Abendrot mich freuen.