Rosen auf das Grab einer edlen Frau
Stuttgart, Juli 1816.
1.
Gehöret hab' ich, und ich kann es schauen,
An dieser Thränenstürme lautem Tosen,
Daß wohl die Vater- und die Mutterlosen,
Und die Gebrechlichen und Altergrauen
Sonst hatten eine Mutter an der Frauen,
Der sie zu Grab jetzt folgen – für Almosen,
Die sie von ihr empfingen jetzund Rosen
Aufs Grab ihr streun und Thränen drüber tauen.
Ihr sollt euch trösten! Auf dem Sterbebette
Hat sie noch ihrer Armen nicht vergessen. –
Wir alle, die wir ihren Heimgang ehren,
Sind Arme, die empfahn an dieser Stätte
Almosen, deren Wert nicht zu ermessen,
Davon die Herzen lang' noch können zehren.
2.
Der Anblick einer Seele, die in Frieden
Mit Gott, der Welt und sich des Amtes pflegte
Mit treuer Hand, das Gott in ihre legte,
Und als der Herr sie abrief von hienieden,
Ihm willig folgte, ruhig, ernst, entschieden;
Selbst noch, als sich um sie der Jammer regte
[219]Der Ihren, mit dem Troste, den sie hegte
In ihrer Brust, sie alle sprach zufrieden;
Der Anblick, der uns herrlicher und reiner
Erkennen läßt, daß über seiner Hülle
Der freie Geist besteht, der wandellose;
Das ist die große, hier wie sonst an keiner
Grabstätte je in also reicher Fülle,
An dieser uns gespendete Almose.