[Schon naht der Herbst, o Gärtner! Auf den Wangen]

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Schon naht der Herbst, o Gärtner! Auf den Wangen
Der Blätter zeigt sich seine fahle Spur;
O Gärtner, horch der Bäume lautem Bangen,
Und horch der stummen Klage auf der Flur!
Die Lippe schweigt, das Aug' vom Nass umfangen
Beweint die Safranfarbe der Natur;
Des Grames Rabe hat den Hain betreten,
Und frägt nun spöttisch, wo sich Rosen betten?
Wo sind Jasmin und Lilje hingekommen?
Wo ist die Wiese hold in Grün gehüllt?
Habt ihr von Früchten-Ammen nichts vernommen,
Und vom Behälter, stets mit Milch gefüllt?
Mein Sprosser, meine Taube sind entschwommen!
Wo ist des Psittich's, wo des Pfauen Bild?
Weil Adam von dem Unglükskorn genossen,
Ist ihre Krone, ist ihr Schmuck zerflossen.
Wie Adam einst, klagt jetzt der Rosengarten,
Wenn Gott auch sprach: »Verzweifeln sollt ihr nicht.«
In Trauer steh'n die Bäume, die geschaarten,
Und stöhnen, fruchtleer, ob dem Strafgericht.
Vom Storche muss ich noch auf Antwort warten,
Ob ihn das Grab umfängt, ob Himmelslicht?
Bald rauscht der Bach, o Rabe, durch die Wiese,
Und schafft die Welt zum neuen Paradiese.
O Schwätzer! lass drei Monde nur entschwinden,
Dann schaut dein blindes Aug' der Erde Pracht;
Und Esrafil wird uns das Licht entzünden,
Und wir erwachen aus des Todes Nacht.
Wie lang noch wirst du Zweifel uns verkünden,
Und blut'gen Auges schau'n des Himmels Macht?
Bald stirbt des Herbstes Wurm und seine Plagen,
Und wonnig wird des Glückes Morgen tagen.
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O holder Morgen, mach' das Dunkel weichen,
Und lass' der Wärme Zauber sich erneu'n!
O Sonne, trete in des Widders Zeichen,
Entflieh' dem Mars und wolle Ambra streu'n!
Lass' Rosen lächeln und belebe Leichen,
Lass' Alles sich der höchsten Klarheit freu'n!
Gleich Körnern drangen wir aus uns'rer Hülle,
Und Gaben bringt der Garten nun in Fülle.
Vom Schönheitsglanze ist die Au umflirret;
Der Zeitenkreis rühmt seine Vaterschaft;
Der Storch, der auf des Köschkes Zinnen schwirret,
Ruft: »Dein, o Herr, ist Macht und Reich und Kraft!«
Der Sprosser schlägt, die Turteltaube girret
Vom jungen Glück, das kräftig wirkt und schafft;
D'rum schweig' und horche auf der Vögel Lieder;
Sie schweben ja vom Geisterlande nieder.

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TextGrid Repository (2012). Rumi, Ǧalāl o’d-din. Lyrik. Gedichte des Sams aus Täbris (Auswahl). [Schon naht der Herbst, o Gärtner! Auf den Wangen]. [Schon naht der Herbst, o Gärtner! Auf den Wangen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AC6D-4