Ein artlich gesprech der götter, die zwitracht des römischen reichs betreffent

Als ich meins alters war
treten ins fünfzigst jar,
lag ich eins nachts betrübet,
darzu mich heimlich übet
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in diser bösen zeit
die widerwertigkeit
in dem römischen reich,
darin man tegeleich
hielt mancherlei reichsteg,
doch alles fel und treg;
gar nichts von stat wolt gen,
zu stillen die zwispen;
ich dacht lang hin und her,
wer des ein ursach wer.
in sollichem nachdenken
tet sich zu schlafen senken
meiner augen gelider,
ins bet duckt ich mich nider
und mich zusammen schmucket,
biß mir der schlaf entzucket
mein angefochten sin.
in dem traum mir erschin
der engel Genius
und sprach zu mir: ich mus
dich etwas laßen sehen,
auf dise nacht geschehen.
gar plötzlich nam er mich
und fürt mich über sich
durch das leuchtent gestirn
der himlischen revirn
biß zu der götter trön.
der mon schin hell und schön
samt aller sternen glenster.
er stelt mich in ein fenster
an einem dunklen ort,
das ich möcht alle wort
hören in disem sal.
die götter allzumal
ein groß versamlung hetten,
zirkelrunt sitzen teten.
Jupiter auf seim tron,
sein red fieng also on:

[79] Jupiter.

Ir götter all geleich,
es hat das römisch reich
samt teutscher nation
zwitracht und widerspon,
und wirt man nit ableinen
und gütlichen vereinen
die zwispelting partei,
das frid zwischen in sei,
so muß das reich zergen,
mag lenger nit besten.
es hat zwen mechtig feint,
darumb ratschlaget heint,
das underkommen wert
der groß unfal auf ert,
wan es ist hohe zeit.
Mars.

Mars, gewapnet zum streit,
stunt auf mit bloßem schwert,
sprach: weil unden auf ert
das reich ein zwitracht hat,
so ist darauf mein rat
ich hetz sie zu eim krieg,
welche partei den sieg
gewinn, die andern dring,
nach irem willen zwing,
und sei sie darnach herr.
Jupiter.

Jovis sprach: das sei ferr,
dein rat ist ie nit gut,
dich dürstet nur nach blut,
weil aus des reiches krieg
folgt ein blutiger sieg,
mort, raub und darzu brant,
verderbung teutscher lant;
[80]
darumb gefiel mir baß,
das man solch zenk und haß
durch freuntlichkeit hinleget,
welche das herz beweget.
Juno, gib du dein kraft,
ein neue gmahelschaft
beweg in regimenten
der zwispelting regenten,
dardurch einigkeit wert.
Juno.

Juno antwort: auf ert
tet ich neulich verwilgen
gemahelschaft der lilgen,
das unfrid würt gestilt,
die doch nie glauben hilt;
drumb möchts noch also gen,
baß mögst du understen
mit gelt der feintschaft schmerz,
das weicht des menschen herz
und milderts ganz und gar.
Jupiter.

Jovis sprach: das ist war,
Pluto, nim dein reichtum,
goldes ein große sum,
die fürsten zu begaben,
auf das sie fride haben,
freuntschaft und einigkeit.
Pluto.

Pluto sprach: es felt weit,
das golt würt sie erst reizen
und auf zwitracht verbeizen,
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freidig und trutzig machen,
würden den krieg zwifachen;
denn gwunnen die hauptleut
vom golt die besten beut,
dann würts erger den vor,
e ich mein schetz verlor,
armut bhielt lenger frid.
Jupiter.

Jupiter auf den bschid
ruft Penuriam her,
sprach: schleich hin mit gefer,
und fah in deine bant
der zwispeltigen hant,
zwing sie zu einigkeit,
das sie zu krieg und streit
werden ganz mat und schwach.
Penuria.

Penuria die sprach:
ich wil dir folgen gern,
doch werden sie beschwern
das lant durch vil aufsetz,
zu samlen große schetz,
das auch vil neits gebür.
schlag andre mittel für,
schick aller götter bot,
Mercurium, den got,
das er mit worten spech
durch sein lieblich gesprech
die vilspelting partei
fridlich vereining sei,
weil dein wort vil vermag.
Jupiter.

Jupiter auf die sag
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sprach: Mercuri, schwing dich
hinab auf erderich,
verkünd an alle ort
mein willen und mein wort,
gib der zwitracht entschid,
wer nit wil halten frid,
dem dro mein ungenad,
in für mein grichte lad,
da muß er sten zu bus.
Mercurius.

Da sprach Mercurius:
es ist verloren schlecht,
ieder wil haben recht
und wil kein mittel leiden,
ob gleich dein wort tut schneiden;
das der ein teil nem an,
würts der ander nicht tan,
weil im wont kreftig bei
der geist der heuchlerei
samt gschwindem orenblasen,
und handelt aller masen,
als sei er blint und taub;
darumb mein red, gelaub,
hat weder platz noch stat,
biß die finster vergat.
rat weiter du darzu.
Jupiter.

Jupiter sprach: o du
glanzender got Phebus,
erleucht ir finsternus
mit deiner sonnen glest,
zu erwelen das best;
in iren geist erleucht,
mit gütigkeit befeucht,
[83]
den unfrid zu verhüten,
durch mittl all sach zu güten,
das all partei sich geben,
der warheit nachzustreben;
solch lieb und einigkeit
erhielt den frid lang zeit.
Phebus.

Phebus antwort: mein brunst
auf ert ist auch umbsunst;
ich sich die regiment,
durchaus beiderlei stent,
in vil partei zerspalten.
ir vil mein schein aufhalten,
mit vil practik und tücken
die guten zu verdrücken;
ob sie gleich wol erkennen,
recht, gut und heilig nennen
die heilig, ewig warheit
mit ir himlischen klarheit,
mit lüg sies verunreinen,
das mich verdreußt zu scheinen,
derhalb in finsternus
noch oft verkeren mus,
weil als gut ist verloren.
Saturnus.

Saturnus sprach in zoren:
gib du mir in mein hant
gwalt über teutsche lant;
wer sich denn wil entpörn,
den gmein frid zu verstörn,
den wil ich grausam töten.
Jupiter.

Jupiter sprach: von nöten
ist, das man nit mit gwalt
far, sonder frei erhalt
[84]
beid teil in frid. o du,
Minerva, trit herzu,
gib rat durch dein weisheit,
das wir in einigkeit
bringen das römisch reich.
aufstunt die adeleich.
Minerva.

Minerva sprach: o der
handel ist mir zu schwer,
doch weiß ich ein person,
wenn die nit stillen kon
der teutschen fürsten zorn,
so ist all sach verlorn.
Jupiter.

Jupiter sprach: zeig on,
wer ist dieselb person,
die solch ansehen hat,
zu stillen den unrat.
Minerva.

Da antwort Minerva:
es ist Respublica.
Jupiter.

Jupiter sprach: wolhin,
ist er nit vor bei in?
Minerva.

Minerva sprach: ach nein,
abcontrafect allein,
welcher doch vor leibhaft
regieret hat mit kraft
das alt römische reich,
hanthabt es ordenleich
und machet es großmechtig,
hielt die burger eintrechtig,
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das sie waren allsant
einer des andern hant,
semtlich biß auf das blut
hanthabten das gmein gut
treulich durch alle stent;
des war ir regiment
stanthaft, wie obgemelt,
ein herschung aller welt.
balt aber eigner nutz
des gwalts, prachts, er und gutz
bei in riß gwaltig ein,
ieder schaut auf das sein,
da wurdens in partei
gespalten mancherlei,
vil bürgerlicher krieg
wurden mit bluting sieg,
groß tyrannei geübt,
der gmein nutz wurt betrübt,
der gmein man aus verdrieß
in auch gar fallen ließ,
also wurt er austriben.
wo er seit her ist bliben,
das kan ich dir nit sagen.
seit her nach disen tagen
hat das reich abgenommen,
in solchen abfal kommen,
das im dreut die entpörung
sein entliche zerstörung,
wie es denn ietzunt get.
wenn man nun wider het
den alten gmeinen nutz,
der möcht schaffen vil gutz,
brecht wider in der zeit
stet frid und einigkeit
in dem römischen reich.
der rat gar löbeleich
gefiel den göttern allen,
allein tet widerkallen
Mars und auch Saturnus.
[86] Jupiter.

Jupiter sprach: man mus
folgen der merern sum;
befalch Mercurium,
das er den gmeinen nutz,
den vatter alles gutz,
wölt in sein tron citiern
on alles excusiern,
das er in eilents sent
römischem regiment,
den zwitracht und unwilln
bei in gar abzustilln,
auf das forthin auf ert
ent nemen all beschwert.
Mercurius.

Mercurius sprach: gern,
doch must du mir erklern,
wo ich in finden sol.
Jupiter.

Jupiter sprach: ja wol,
such in in den reichssteten,
die in vor jaren hetten
in hohem acht und wert.
Mercurius.

Mercurius, auf ert,
sprach, tu ich teglich wandlen,
mit den menschen zu handlen,
doch hab ich, mag ich jehen,
den gmein nutz lang nie gsehen,
sein weder stumpf noch stil.
ich hör wol von im vil
sagen in stet und mauren,
in dörfern von den bauren,
[87]
in schlößern, merk und flecken;
das macht mir einen schrecken,
das ich in auf der reis
nirgent zu suchen weis.
Jupiter.

Jupiter sprach besunder:
erst nimt mich nimmer wunder,
das es so übel get,
im reich zwitrechtig stet,
weil der gemeine nutz,
des römisch reiches schutz,
wont bei öbern noch undern;
mich tut vil mer verwundern,
das römisch reich vor langen
jarn nit zu grunt ist gangen.
ir götter, zeiget an,
wo man doch finden kan
den gmein nutz obgemelt,
wo man in aller welt
iezt sein fußstapfen spür.
Luna.

Luna die trat herfür,
sprach: wol vor alten jaren
sach ich eins nachts in faren
aus ganzem Europa,
und wolt in Asia,
wider in Kriechenlant,
villeicht zu Athen wont.
Diana.

Die göttin Diana
sprach: er ist nimmer da,
vor vil jarn ausgeschlagen.
neulich, als ich wolt jagen,
fant ich in mit mein winden
weit in dem walt dort hinden,
[88]
sitzent bei einem brunnen,
sein antlitz überrunnen
mit ganz kleglichen zehern.
als ich mich im tet nehern,
verbarg er sein angsicht,
wolt mich ansehen nicht,
schemt sich leicht seins ellents,
und floch schnell und behents
in ein finster steinhol,
darin gedenk ich wol
den vertribenen alten
heutigs tags noch haushalten.
Jupiter.

Jupiter sprach: so eil,
bring raus das menschlich heil
aus vertribnem ellent,
zu hülf dem regiment.
Mercurius schwang nider
sein lautreisig gefider.
dieweil hielt heimlich rat
der götter majestat,
stießen die köpf zusam,
das ich kein wort vernam.
Mercurius.

Nach dem Mercurius
ganz vogelschnell aufschuß
mit trauriger geber
und sprach: o Jupiter,
den gmein nutz hab ich funden,
doch vol tötlicher wunden
und mit krankheit geplakt,
an hent und füß contrakt,
sein leib ganz ausgedorret,
gerumpfen und verschmorret,
[89]
das an im hieng allein
in der haut das gebein;
sein öber lebs am munt
sein zen kaum decken kunt,
sein antlitz gar erblichen,
all lebent geist gewichen,
sein herz allein kunt lechzen
mit abkreftigem echzen,
gar kurzem atemzug,
der puls gemachsam schlug.
ich dorft in nit anrüren,
mit mir herauf zu füren,
ich förcht, er möcht verderben,
mir underwegen sterben,
wan er ist tötlich schwach.
Jupiter.

In großem ungemach
winkt der got Jupiter
Esculapio her,
dem got aller erznei,
und sprach: gerüstet sei
und schwing dich eilent nider
mit Mercurio wider
zu dem hohen gescheft;
nim aller kreuter seft,
der götter trank, nectar;
darmit fleißig bewar
Rempublicam, den alten,
im leben in zu halten.
von verlegner kristier
in seuberlich purgier!
tu im sein wunden heften,
bring im zu voring kreften
all glider, bein und mark,
das er wert frisch und stark!
bring in im augenblick
herauf, das ich in schick
[90]
auf ert, zu reformiern,
das fridlich concordiern
die herschenden regenten
samt allen reiches stenden,
das der adler mög wider
schwingen sein ganz gefider,
den trachen zu vertilgen
samt der vergiften lilgen.

Der beschluß

Balt sich die zwen abschwungen,
wart von der Siren zungen
in aller götter trön
ein wunniglich getön
mit jubel und frolocken.
mein herz vor freud tet schocken,
Rempublicam zu sehen;
in dem fieng an zu krehen
mein lautreisiger hon,
das ich erwacht darvon.
das ich des endes nicht
erreicht in dem gesicht,
des trauret mein gemüt,
hoff, got wert durch sein güt
selb all zwitracht ableinen
und durch sein wort vereinen
im reich all stet und fürsten,
das sie nach frid wert dürsten,
auf das in hohem rum
das römisch keisertum
sich wider mer und wachs
durch gmein nutz, wünscht Hans Sachs.

Anno salutis 1544. am 3. tag Martij.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Ein artlich gesprech der götter. Ein artlich gesprech der götter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B02E-F