Schwank: Eulenspiegel mit seinem heiltum

Als Eulenspiegel durch vil lant
mit seiner schalkheit war bekant,
in Hessen, Türingn, Meissn und Sachsen,
am Harz, in sesteten unglachsen,
Beiern, Schwaben, Franken, Reinstrom,
in Behmen und Welschlant zu Rom,
da er sich mancher schalkheit fliß
und vil selzamer zoten riß
durch seine abgeribne tück,
oft unverschemte bubenstück,
darmit einfeltig leut beschwert,
das man seins scherz nit mer begert;
derhalb nicht mer het guten platz,
wo er hin kam mit seinem fatz.
im wurdn verboten etlich flecken;
des Eulenspiegel tet erschrecken,
als er verlor günstigen trauen,
fort nicht mer dorft all flecken bauen,
zulezt er im ein list aussan,
ein andre sach zu greifen an
zu seim betrug, und auf einmal
aus einem totenkerker stal
ein totenkopf, den er allein
mit weng silbers ließ faßen ein,
[220]
sam der totnkopf ein heiltum wer.
eim pfaffen gleich sich kleidet er,
gleich eim stationierer reit
mit seinem heiltum sommerszeit
herumher in dem Pommerlant,
darin er vor war unbekant.
allda west er, wie bei sein jarn
die pfaffen seicht geleret warn,
die selten vil studieret heten,
nur schlemmerei anhenken teten,
in der biertafern war in wol,
tag unde nacht fast waren vol.
den kunt er mit seinr schalkheit kunst
balt machen einen blauen dunst,
das sie gelaubten seinen worten,
wo er hinkam an allen orten.
wo er auf ein dorfkirchweih kam,
so richt er zu sein ablaßkram
und den dorfpfaffen zu im num
und verhieß im die halben sum
von dem opfergelt gar gewiß,
das er in in die kirchen liß,
und lich im seinen chorrock an,
dem baurengsint ein predig tan
von sanct Stolprianus legent,
zeigt im sein heiltum an dem ent.
der pfaff des wol zufriden war;
denn stunt er an dem choraltar,
das bauersvolk stunt umb in runt.
wenn man zu predig leuten gunt,
so fieng denn Eulenspiegel an
sein predig von sanct Stolprian;
darmit war er gar schwint und runt
und in das heiltum zeigen gunt,
sprach: schaut, ir frauen und ir man,
das haupt vom heiling Stolprian,
[221]
welches ich hab zu Rom genommen,
bin mit zu euer lieb herkommen,
das ir andechtig man und frauen
das heilig haupt auch mögt anschauen.
dem samel ich zu eim gotshaus,
darzu gebt eure steuer aus
und nemt vom liebn heilign den lon,
der wirts vergelten, wo er kon,
euch schaf, kelber, hüner und gens
bhüten, das sie kein wolf hin dens,
es sei denn er selber darbei;
des hab ich brief und sigel frei.
ir menner, steuret zu der sum,
ir seit geleich bös oder frum,
erlich, unerlich, arm odr reich,
gilt mir eur opfer als geleich.
ir weiber abr opfert allein
von gutem gelt sauber und rein
nur from junkfrauen und efrauen;
wo sich abr eine het verhauen,
wer bulrin odr ebrecherin,
derselbn opfer nem ich nit hin,
die bleib an irer stat still sten,
tu bei leib nit zu opfer gen,
ir opfer ich nit verantwortn kan
bei dem heiligen Stolprian.
als solchs hörten die beuerin,
traten sie schnell zum opfer hin;
welche schon ein ebrechrin was,
die opfert im nur dester baß,
ein mal zwei drei zu opfer gieng,
manche zug ab ein silbern ring
vom finger und den opfern tet,
wenn sie kein pfenning bei ir het,
auf das man sie nur opfern sech,
sie darnach from und erlich sprech.
derhalb wart von der weiber meng
zu dem opfer ein groß gedreng,
[222]
wan welche het geopfert nicht,
die het man übel ausgericht,
sam wer sie irer er nit frum.
Eulenspiegel mit seim heiltum
alda in seinem chorrock stan
und nam die opfer alle an
von den frommen und von den bösen,
gnad und ablaß von im zu lösen.
von welcher er das opfer num,
der gab er zu küssn das heiltum,
sezt ir auch auf den totenkopf,
der klappert wie ein alter topf.
also der Eulenspiegel frum
mit seim schalkhaftigen heiltum
bracht ser vil gutes gelts zu wegen.
nach dem da sprach er in den segen
und ließ sie alle gen zu haus.
darmit war sein opferdienst aus,
darvon er sich mit got und eren
und sonst auch wie vorhin was neren
in Pommern mit seiner schalkheit.

Der beschluß

Ich glaub, wenn iezt zu unser zeit
auch Eulenspiegel zu uns kem
mit seim heiltum, das er einnem
auch opfergelts ein große sum,
darmit sich manch weib machet frum,
so sie im brecht ir opfer her,
obs gleich sonst mü und arbeit wer
mit irer ere, scham und zucht,
iedoch mit dem sie het ausflucht,
tet e ein pfenning daran wagen,
das man nichts args von ir dörft sagen,
daraus ir er folgt ungemachs;
denn wers from wie vor, spricht Hans Sachs.

Anno salutis 1563., am 12. tage Augusti.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Schwank: Eulenspiegel mit seinem heiltum. Schwank: Eulenspiegel mit seinem heiltum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B0E2-6