[31] Die Lisabet mit irem Lorenzen

In der silberweis Hans Sachsen.


1519.

1.
Ein reicher kaufman sase
im welschen lant; er wase
zu Messina (ich lase
in cento novella)
Fein, hoflich, wol getane.
drei sün het der kaufmane
und auch ein tochter schane,
die hieß Lisabeta;
Die war das schönest weibesbilt,
manch jüngling um sie warb;
der vatter sie bei im behilt,
so lang bis er gestarb.
nach seinem tot in dieser stat
wurden die drei brüder zu rat,
bei einander zu bleiben
und iren handel treiben,
sich keiner zu verweiben;
dis wurt bestet alsa.
2.
Die drei trieben den handel
mit rosin, feigen, mandel,
ganz aufrichtig on wandel
gar weit in manig lant;
[32]
Sie heten einen knechte,
treu, tugenthaft, gerechte,
schon, jung und wol gespechte,
was Lorenzo genant.
Gen dem wurt der junkfrauen herz
entzünt in strenger lib;
mit seufzen und senlichem schmerz
sie lang ir zeit vertrib,
doch gab sie im gar oft und dick
manch inniklichen augenblick;
der knecht es merken gunde,
im wart sein herz auch wunde.
das weret manche stunde,
in beiden unbekant.
3.
Ir ietlichs meint, alleine
es trüg der liebe peine;
zuletzt giengs innen eine,
iedes öfnet sein herz.
Girlich sie alle beide
kerten ir lieb in freide,
gaben einander bscheide
oft zu der liebe scherz;
doch ist noch war, wie man oft spricht,
lieb sei leides anfang,
als wol erscheint in der geschicht.
ir lieb weret nit lang,
den ein bruder bedunken tet,
Laurenzo bulet Lisabet.
er schlich in ir kemnate,
schloff unter ihr betstate,
zu sehen ware tate,
doch vergaß er seins schwerts.
[33] 4.
Unlang nach im die zarte
aufspert die kamer harte
und ihres bulen warte
nach irem alten sit;
Nun um den ersten schlafe
Laurenzo die zeit trafe,
kam stil und bracht sein wafe,
dardurch er wurt befrit.
Sie waren beide wolgemut
nach ires herzen luft;
um die heimlich mördische hut
ir keines gar nit wust.
do der morgensteren aufbrach,
schlich Laurenzo in sein gemach,
die junkfrau schlief süßliche;
ir bruder schnellikliche
zu der kamer ausschliche
heimlich, sie sach sein nit.
5.
Und eh es gunt zu tagen,
weil die brüder noch lagen,
ging er und tet in klagen,
wie sie weren geschmecht.
Grundlich heten sie rate,
wie sie die schentlich tate
nur möchten rechen drate;
ir anschlag der wart schlecht.
Zu morgens, balt der tag erschin,
riten sie all drei aus;
Laurenzo must laufen mit in,
Lisabet blieb zu haus;
sie riten aus zu dem stattor,
in maß, zu suchen wildes spor.
[34]
zu nechst in einem walde
kerten sie schnell und balde;
ir herz wart in gar kalde
auf Lorenzo den knecht.
6.
Fer in den walt sie kamen,
da sie niemant vernamen,
bei einem lindenstamen,
da sprangten sie in an.
»Her, du untreuer knechte,
weist, du hast uns geschmechte
unser schwester, von rechte
geb wir dir hie den lan.«
Laurenz fiel nider, gnad begert.
der ein in streng anlief
und durch sein leib stieß aus sein schwert
und hieb im wunden tief,
bis er den seinen geist aufgab.
zuhant machten sie im ein grab
schlechtlich mit iren henden,
wurfen drein den ellenden
und teten heimwärts wenden,
huben sich balt darvan.
7.
Do er nun war ausblieben,
die frau tet sich betrieben,
fragt nach irem herzlieben,
ir antwort ein bruder:
»O schweig des knechtes stille,
das selb ist unser wille,
e dir sein wert zu vile!«
erst wart ir herz gar schwer;
Betrübet waren all ihr sin
denselben ganzen tag;
sie dacht: »wo ist er kumen hin?«
sie het heimlich nachfrag,
[35]
sie gedacht sein mit seufzen tief,
darnach in trauren sie entschlief,
da erschien traurikleiche
Laurenzo totfarb bleiche,
blutig und sprach senleiche:
»o Lisabeta, her!
8.
Ei nach mir gar nit frage,
dein brüder hant erschlage
mich heut auf disen tage
mortlich dauß in dem walt;
Bei einer breiten linden,
mit meim blut ist die rinden
besprengt, da wirstu finden
mein leib begraben kalt.
Darum so frag nit mer nach mir,
du merest sunst mein pein,
wan ich kum niemer mer zu dir,
es muß geschiden sein.
ich befilch dich in gottes hant.«
darmit der traurig geist verschwant,
die junkfrau auferwachet,
sie weinet und laut achet;
der traum het sie geschwachet,
sie stunt auf schnel und balt.
9.
Mit ir nam sie ir diren,
als ob sie wolt spaziren;
sie tet im walt refiren,
bis sie die linden funt.
Gmüt herz und sin durchstache
ein amacht, sie durchbrache,
da sie das blut ansache.
die meit sie labt zu stunt.
[36]
Sie funden neu ergrabner ert
unter dem lindenbaum;
die meit grub ein, da funt sie wert;
die frau erbeitet kaum,
da sie sah iren höchsten hort
ligen so jemerlich ermort,
sie huben aus der erden
auf ir mantel den werden;
vil trauriges geberden
die frau erzeigen gunt.
10.
Sitlich sie sinken gunde
und küßet im sein wunde
und seinen bleichen munde,
darnach sie zu im saß;
Mit manch kleglichem worte,
klagt sie des toten morte,
dergleich nie wart erhorte.
nun hört wunder fürbaß:
Sie nam sein haubet von seim leib,
die meit den leib begrub;
mit dem haubt sich das traurig weib
heim in ir hause hub
und darmit in ir kamer ging,
darob zu weinen anefing
und es mit manchem kusse
in ire ermlein schlusse,
mit trenen es begusse,
das es wart alles naß.
11.
Von blut wurt das haubt reine,
weiß als das helfenbeine;
darnach bant sie es eine
in ein grün seiden tuch,
Schon, mit eim kranz geziret,
[37]
mit seufzen im hofiret,
darnach es balsamiret
für faulen und gebruch.
Darnach legt sie das haubet wert
in ein wurzscherben fein,
tet darauf geschlecht frische ert
und pflanzt ein kraut darein;
also das haubt verborgen lag,
darnach, wan sie aufstunt, all tag
mit trenen sie es gose
und mit wasser von rose;
das kraut wuchs schön und grose
und gab gar süßen ruch.
12.
Köstlich die frau es schmücket
und an ir brüstlein drücket,
es hin und wider rücket
nach ires herzen wal.
Tröstlich sie im zurete,
in stetigs bei sich hete
und zu nacht für ir bette
satzt sie in allemal,
Sie het in herzenlichen lieb
sie acht sunst keiner freut;
stetig sie bei dem scherben blieb,
geleich morgen wie heut,
da nun ir brüder merkten, das
ir diser scherb so liebe was,
sie gunten ir kein gute,
ir herz in untreu wute;
der ein aus falschem mute
ir den wurzscherben stal.
13.
Do sie nun frü aufstunde,
den wurzscherben nicht funde
[38]
an der stet, ir geschwunde
und wart herzlichen krank.
»So muß ich warlich sterben,
ist verloren mein scherben!«
sie tet sich schnel entferben
und zu der erden sank.
Die brüder dachten in: »ir schatz
leit im scherben vertraut.«
heimlich, irer schwester zu tratz,
schüttens aus ert und kraut,
do funden sie des toten haubt;
des erschraken sie hart, gelaubt,
kantens bei bart und hare,
das es Laurenzen ware;
sie verbargen es gare
und saumten sich nit lank.
14.
Gwis luden sie das beste
heimlich, das niemant weste,
furen, als fremde geste,
gen Naples in das lant.
Lisabet lag in quale,
man suchet überale
den wurzscherben vil male,
iedoch in niemant fant.
Die frau die lag in seufzen herb
und redet sunst kein wort
dan: »o we, wo ist mein wurzscherb?«
ir herz man schlagen hort,
ir ganzer leib zu bidmen gunt;
ir herz war ganz tötlich verwunt.
gar mit betrübtem sinne
schid ir sel auch von hinne,
vil volkes wart sein inne,
kamen da hin zuhant.
[39] 15.
Do es nun als erginge,
die diren anefienge,
erzelet alle dinge,
und wie ermördet wer
Lorenz, leg in dem walde;
sein leib holet man balde
mit proceß, jung und alde
klagten sie beide ser;
Man leget in ein grab zusam
ir beide tote leib.
also ir lieb ein ende nam.
nun merket man und weib:
zwei ding, zeiget uns die geschicht,
bleiben int leng verborgen nicht,
das erst die lieb, ich sage,
das ander der totschlage;
der keins sich bergen mage,
spricht Hans Sachs schumacher.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Die Lisabet mit irem Lorenzen. Die Lisabet mit irem Lorenzen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B0EE-E