Ein Pasquillus von dem Schloß
zu Plassenburg

Nachdem sich das Schloß Plassenburg Markgraf Albrecht des Jüngern nach langer Belägerung ergeben hat und das Gerücht seiner Befestigung und Stärk im ganzen Land ruchtbar ward, trieb mich der Fürwitz, wie ander Leut mehr, gemeldtes Schloß zu schauen, kam also auf den 14. Tag Julii anno 1554 gar spat, wie der Mon mit vollem Schein aufgangen war, dahin und ging den nächsten [Weg] begierlich hinauf bis zu dem Graben und beschauet die stark, wehrhaft Befestigung der Gebäu mit Verwunderung. Und wie ich also stund, sach ich einen langen Mann den Berg aufgehn, gleich gekleidet einem romischen Cortisan, der ging den nächsten [Weg] auch bis an den äußersten Graben; er aber sach mich nit, ich entsetzet mich aber gleichwohl ob ihm. Als ich ihn aber recht besach, da war es der römisch Pasquillus. Der räuspert sich und fing mit starker Stimm also an zu schreien.


Pasquillus: Plassenburg, Plassenburg, stehst du denn noch?


Nach dem hort ich aus den Kellern und Gewölben des Schloß ein tiefen Seufzen ausgehn, doch an alle andre Stimm und Antwort. Pasquillus aber rüft zumb andren Mal.


Pasquillus: Plassenburg, Plassenburg, stehst du noch?


Nach dem hört ich ein klägliche Stimm aus dem Schloß also sagen.


Plassenburg: O Pasquille, kumbst du auch mit deinen Hohnworten, mich zu quälen in meinem großen Unfall? Ich bin von meinem gnädigen Herrn verlassen, der mich [105] doch für und für mit großem verheißnen Trost (zu retten) aufgehalten hat; doch alles fehl. Bin nun hart gedränget in fremde Hand des neuen Bundes kummen, weiß nun nit, wie der mit mir handlen wird.

Pasquillus: Was sollt man billiger mit dir handeln, denn dich mit Feuer gen Himmel aufschicken?

Plassenburg: Aus was Ursachen? Was Übels hab ich geton, daß ich, wie du sagest, mit Feuer gen Himmel ausgeschicket werden sollt?

Pasquillus: Was fragst du doch? Was bist du dein Leben lang nütz gewest?

Plassenburg: Ich bin meins gnädigen Herrn und all der Seinigen ein weit berühmt, wohlerbaut furstlich Haus gewest, vor all seinen Feinden Begwaltgung ein sichrer Schutz.

Pasquillus: Ja, ein Nest der Rauber, Mörder und aller feindseligen Vogel einige Fest und Zuversicht, vor allen Redlichen und Aufrichtigen ein Schlupfwinkel.

Plassenburg: Auch bin ich gewest die brandenburgisch reiche Fündgrub aller Notdurft.

Pasquillus: Du sagst recht ein Fündgrub; wann in dir hat man gefunden allerlei Kaufmannswar und Güter, so lange Zeit hin und wider im Land verloren seind worden.

Plassenburg: Du verstehst alle Ding hinter sich. Ich vermein also mit den Worten, ich sei die brandenburgisch Speiskammer mit uberflüssigem Aufheben, die einem Fürsten wohl ansteht.

Pasquillus: Du redst recht, ein Speiskammer; wann du gar uberflüssig aufgehoben hast auf allen Straßen Kupfer, Zinn, Blei, Tuch, Sammut und Seiden in und außerhalb dem Geleit, mit Rauberei und Plackerei, das einem Fürsten übel ansteht. Derhalb bist nie gut, sunder [106] nur schädlich gewest und des Feuers wohl wert, auf daß forthin die Straß deinthalben sichrer werd.

Plassenburg: O Pasquille, ich mein, der Teufel redt aus dir. Wie bitter und weh tut die Wahrheit! Ich kann je nit laugen, bin mit wahrer Tat uberzeuget. Ich aber will mich bessern und nun forthin dem Bund unterton sein, mich ehrlich und wohl halten, auf daß ich länger bei Leben bleiben müg; wann nimmer tun ist die beste Buß.

Pasquillus: O Plas, du läßt deiner Bocksprung nit, deiner Natur und lang hergebrachten Gwohnheit nach. Du nöhmst deinem Besitzer den Zaumb und gingest wieder deinen grasigen Weg, wie dein Art ist. Und ich setz im Fall, ob gleich dein Besitzer redlich, frumb und aufrichtig blieb, so hätt doch dein Herr Markgraf Albrecht sambt den Seinen kein Ruhe, sunder würd durch soviel List, Pratik und Meutrei (ob er gleich mit Gwalt nit kunnt) anrichten, bis er dich wiederumb beim Zaum ergriff. Alsdenn würden die letzten Tag ärger wann die ersten und reichet zu merklicher Verderbnus deiner Nachtbarn und zu großem Spott dem Bünd und Verkleinerung bei jedermann. Derhalben nur hinunter mit dir!

Plassenburg: Ach nein, ich verhoff, der Bund werd nur mein Befestigung eines Teils brechen und mich als ein fürstlich Haus aufricht bleiben lassen als gar unschädlich, dem ganzen Land zu einer Zier und dem loblichen Bund zu sunderm Nutz und Ehren.

Pasquillus: Das wär meins Bedunkens von den Bundesherren unvursichtig gehandelt. Wenn man allein dein Befestigung bräch und dich stehn ließ, wie bald würd mit der Zeit (die alle Ding verändert) dein Befestigung wiederumb erbaut? Denn wurst du noch ärger dann vor. Derhalb nur hinweg mit Haut und Haar mit dir (wie man [107] spricht, ein toter Mann beißt niemand), so darf man sich nit mehr vor dir besorgen.

Plassenburg: Ich hoff je noch, man werd mein verschonen als eines wohlerbauten fürstlichen Haus und mich nit so jämmerlich brechen, sunder barmherzig sein und gefaßten Zoren gütlich ersitzen lassen.

Pasquillus: Schweig und gedenk dir sollichs nicht! Ursach, ließ dich der Bünd stehn, so würden noch alle Markgrafen auf dich pochen und trützen und würst mit der Zeit ein Ursach sein zu einem neun Krieg wie Karthago der Stadt Rom. Derhalb nur mit dir hin, weil auch dein Herr uverschonet so viel ehrlicher, wohlerbauter Häuser ohn alle redliche Ursach brochen und ausgebrennt hat! Und dein, du Raubschloß, sollt verschonet werden? Das wär je ein kindische Barmherzigkeit von den Bundsherren!

Plassenburg: Ich hoff aber, der neu Bund werd so vieler Markgrafen Ungunst von meinentwegen nit gern auf sich laden, sunder die Sach in bessern Bedacht nehmen.

Pasquillus: O mein Plassenburg, der Markgräfischen Gunst zu erlangen hat man sich längest verwegen, der man bisher wenig empfunden hat, weil dein Herre sambt seinen Helfershelfern nichts unterlassen hat zu Verderbung ihrer Land und Leut. Und man sollt dein gunstiglich verschonen? Das wurd dem ehrlichen Bund zu ein Zagheit, Forcht und Verkleinerung zugemessen werden, nicht allein Fürsten und Städt, sunder auch bei dem gemeinen Mann, der hitzig über dich das Urteil fällt. Wie du gemessen hast, soll dir wieder gemessen werden.

Plassenburg: Meinst du aber nit, ander Fürsten und Herren werden ein klein Gefallen daran haben, ein Fürsten also gar zu vertreiben von Land und Leuten, auch [108] seine Städt und Schlösser einzunehmen und mich als sein Hauptschloß auch nit zu verschonen? Ich sag dir, es wird dem loblichen Bund viel Neid und Haß einstreichen. Derhalb wird das (als mein letzte Hoffnung), hoff ich, zu mein Wohlfahrt reichen.

Pasquillus: Ach, mein Plassenburg, ein frummer Fürst eines redlichen, aufrichtigen Gemüts kann sollich deins Herren landfriedbrüchigen, aufruhrerischen Krieg nit billigen, weil ihn kaiserlich Majestat selb in die Ächt geton und im ganzen römischen Reich als ein Ächter erkläret hat. Zumb andern kann er auch noch weniger deins Herren vertreibn, auch seiner Städt und Schlösser Einnehmung, sunderlich dein als eines Raubschloß Austilgung unbilligen. Derhalb ist es ohn Gefahr und Sorg; liegst du, so liegst du, weil du aber stehst, muß man sich der oberzählten bösen Stück und Tück noch immer vor dir besorgen. Derhalb nun Schwebel, Pulver und Pech in dich und mit Sodoma und Gomorra und deiner Schwester Hohenlandsberg und Rauhenkolm gen Himmel geschicket! Und je eh, je besser!

Plassenburg: O Pasquille, schweig! Mir stehnt alle meine Haar gen Berg ob dem, darvon du sagst. Ich hab mich des längist verwegen, bald ich höret meiner beider Schwester Verderben. Jedoch such ich noch Fristung in mancherlei Weg durch meine gute alte Günner, zeuch auch itzund die allerbestn Saiten auf, das ich vor nie geton hab. Wo aber je nichts hilfet und müß je zum Tod gericht werden, so schrei ich Rach über den neuen Bund und über all meine Verderber, die mich Unschuldigen sambt meinem frummen Fürsten also in Grund verderben.

Pasquillus: Es ist gleich das Viech wie der Stall, sagt der Teufel, jaget er seiner Mutter Websen in Hintern. [109] Ihr seid beid, du und dein Herr, so frumm und unschuldig wie Judas Ischariot. Derhalb entfacht wohlverdiente Straf! Dein Herr hat viel Tausend armer Leut gemacht und ohn Zahl Volks verführt und Bluts vergossen hat, und du hast dein Landscheft umb dich herumb geplündert, verbrennt, die Leut gefangen, geschätzt, erstochen, gehenket, den loblichen Bund veracht, verspott, hohngesprochen und sein Kriegsvolk hart beschädigt. Und so du nun nit weiter kannst, so schreist du Zeter und Waffen über Gewalt, sam geschäch dir groß Gewalt und Unrecht. Nun ich versich mich, die Bündesherren werden dir nicht unrecht ton, sunder fürsichtiglich handeln, dich schleifen, darmit deinem Herren und all den Seinen das Herz nehmen und darmit den Krieg abschneiden und den Krieg darmit glücklich enden. Amen.


Nach dem erseufzet das Schloß Plassenburg mit einem tiefen Seufzer, daß es gleich im Buchholz ein Widerhall gab, und gab weiter kein Antwort. Nach dem schüttet Pasquillus den Kopf, lachet und ginge sein Straß.

Also hab ich sollich Gespräch ihr beider auf das allerkürzest verzeichnet, doch nit gar nach der Schärf, wie sie es aussprachen, sunder etwas milder, darmit ich mich nit in Ungnaden versundet. Sollichs hab ich meinen guten Herren und Freunden im besten mitteilen wöllen. Anno salutis 1554, am 14. Tag Julii.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Prosa-Dialoge. Prosadialoge. Der sechste Dialog. Ein Pasquillus von dem Schloß zu Plassenburg. Ein Pasquillus von dem Schloß zu Plassenburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B208-4