[142] Der knab mit dem delphin

In des Harders süßem ton.


28. dec. 1543.

1.
Plinius im buch der nature
beschreibet die natur von eim delphin,
wie er zam und leutselig sei
und verstendiger sin;
Spricht: als ein delphin gfangen wure
darnach geworfen in Lucriner se,
in dem man in behalten wolt;
nun höret wunder me:
Ein armer knab gieng teglich auf und nider
am se, wan er zur schul gieng hin und wider
und sang liebliche lider
und ruft dem delphin oft an dem gestat:
»Simon!« also nent man den fisch.
das trieb er frü und spat.
2.
Eins tags ruft er dem delphin wider,
der delphin gieng zum knaben ans gestat;
der knab reicht im ein stücklein brot,
das er empfangen hat
Darnach als oft er auf und nider
gieng, ruft er in heraus an meres rant;
so kam allmal der fisch, empfieng
das brot aus seiner hant.
Einsmals der fisch dem knaben locken wase,
das der knab gritling auf den delphin saße,
und fürt in hin sein straße
gen Puteolon in des knaben schul,
und sürt in darnach wider heim,
als wers sein lieber bul.
[143] 3.
Das hat er triben etlich jare,
das er in hin und wider fürt all tag,
das oft zusach ein großes volk,
das wunder groß bewag.
Als nun der knab gestorben ware,
kam der delphin oft an des mers gestat
und sach sich nach dem knaben um,
den niemer funden hat.
Vor senen der delphin, erblichner farbe,
trauriger gstalt, abnam und gar verdarbe,
bis er vor leit auch starbe.
also hat got die lieb, treu und begier
uns zu einem exempel pflanzt
in vögel fisch und tier.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Geistliche und weltliche Lieder. Der knab mit dem delphin. Der knab mit dem delphin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B29F-0