[485] Homer

Vergessen hat die alte Erde nun
Selbst deinen Staub, erhabner Blinder!
Zu viel sind der Geschlechter ihrer Kinder,
Die drunten schon begraben ruhn.
Oed' liegt Jonien; vergebens sucht
Mit Wellen, welche träge schleichen,
Dein Meles durch den Schutt von so viel Reichen
Den Weg zur nahen Meeresbucht.
Doch, wie das Morgenlicht den Sipylus
Bekrönt mit goldnem Strahlenkranze,
Umleuchtet in der ew'gen Jugend Glanze
Noch dieses Land dein Genius.
Ja selber auf den Trümmern deiner Welt
Und den zerbröckelten Gebeinen
Der Völker weilst du noch in Idas Hainen,
Auf Ilions weitem Totenfeld;
Und her zu dir vom fernsten Erdensaum,
Jenseits vom Land der Lästrygonen,
Wo Nebel dir noch barg die Erdenzonen,
Trieb's mich durch salz'ger Wogen Schaum.
Erzähle mir von des Peliden Wut,
Von Priams Gram an Hektors Leiche,
Von Circes Zauber, wie die Listenreiche
Odysseus zu dem Becher lud!
Und während mir ins Grab – gedankt dir sei's! –
Die drei Jahrtausende versinken,
Laß mich die Luft der Erdenfrühe trinken,
In der du atmest, heil'ger Greis!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schack, Adolf Friedrich von. Homer. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B839-A