185. Düweletgen.

In einem Dorfe bei Hildesheim hatte vor langer Zeit ein reicher Bauer eine hübsche, junge Frau, die ging in Sammt und Seide und trug auch selbst Alltags goldene Mützen. Aber keiner im Dorfe mochte das stolze Weib leiden und die Leute sagten, es gehe doch wohl nicht mit rechten Dingen zu, daß die Frau immer diebeste Butter an den Markt bringe und so viel Geld [166] verdiene. Die Frau ließ aber auch nicht gern einen andern an's Butterfaß, sondern butterte immer selbst. Eines Tages hatte sie einen nothwendigen Weg nach der Stadt zu machen und befahl der Magd, die unterdessen buttern sollte, recht fleißig zu sein und das Butterfaß ja nicht von der Stelle zu rücken, sonst würde es ihr schlimm gehn. Als die Frau fort war, konnte die Magd vor Neugier nicht ruhen und rasten und hätte für ihr Leben gern unter das Butterfaß gesehen, aber sie fürchtete sich vor ihrer bösen Frau und fing an zu buttern, was auch sehr gut ging. »Ei«, dachte die neugierige Magd, »es wird doch nicht schaden, wenn du das Butterfaß nur ein wenig auf die Seite biegst.« Als sie es gethan hatte, sah sie eine dicke fette Kröte (lork) unter dem Butterfasse sitzen. Die Magd, die nicht wuste, daß ihre Frau eine Hexe war, sagte: »Was hast du häßliches Lork hier zu sitzen?« nahm eine Feuerzange, faßte die giftige Kröte damit und warf sie vor die Thür mitten auf die Straße. Nun ging die Magd wieder rüstig an die Arbeit, aber sie mochte buttern, so viel sie wollte, die Butter ward nicht fertig. Da wurde sie recht bange, als es Abend wurde und die Frau zurückkam. Diese war sehr böse, als sie ins Haus trat. »Nun, ist die Butter fertig?« sagte sie zur Magd und sah sie zornig an. »Was hast du angerichtet? was hast du unter dem Fasse gesehen?« Da weinte die Magd bitterlich und sagte: »Ach, ich habe nur eine häßliche Kröte unter dem Fasse weggenommen und auf die Straße geworfen.« Da gab die böse Frau der Magd eine Ohrfeige, daß ihr der »Hexenschuß« durch alle Glieder fuhr und sie sich zu Bette legen muste. Die Frau aber trat vor die Thür und rief:


»Düweletgen,
Kum under ûse botterfätgen!
Use magd is uneweten,
Het dek up de strâten esmeten« 1.

Da kroch die Kröte aus einem Wagengleise hervor und wieder unter das Butterfaß. Nun fing die Frau an zu buttern, und in wenigen Minuten war die schönste Butter fertig.

Die geschlagene Magd aber wuste nun, daß ihre Frau eine Hexe war und sagte ihrem Herrn, was sie erlebt hatte. Von dem Augenblicke an war dem Bauern, der ein frommer Mann [167] war, seine Frau zuwider und er beschloß ihr ordentlich auf die Finger zu sehen. Noch in derselben Nacht, als er mit seinem bösen Weibe zu Bette gegangen war, that er, als ob er schliefe, und als die Glocke zwölfe schlug, sah er richtig seine Frau aufstehn und sich anziehen. Dann ging sie in die Küche, wo sie einen alten eisernen Kasten stehn hatte, wozu sie den Schlüssel immer auf der Brust trug; – nie hatte der Mann dahinter kommen können, was eigentlich darin war. – Diesen Kasten nahm nun die Frau auf den Arm, setzte sich auf die Ofengabel und war alsbald zum Schornstein hinaus. Da zog der Bauer sich die Bettdecke über den Kopf, denn an jedem Haar hing ihm ein Angstschweißtropfen. Er hatte noch nicht lange so gelegen, als die Hexe wieder mit ihrem Kasten durch den Schornstein herunter fuhr. Ehe sie nun ihre Last auf den Heerd niedersetzte, ging sie in die Kammer um zu sehen, ob ihr Mann nicht erwacht sei. Dieser that, als ob er schliefe, und schnarchte laut. Da machte die Hexe ihren Kasten auf, nahm faule Menschenköpfe heraus, die sie auf dem Kirchhofe aus den Gräbern gewühlt hatte und aß davon das vermoderte Gehirn. Dann verschloß sie ihren Kasten wieder und legte sich zu ihrem Mann ins Bett. Der Mann wäre vor Ekel und Angst bald gestorben, doch ließ er sich nichts merken. Am andern Morgen, als seine Frau noch schlief, stand er ganz früh auf und bestellte heimlich den Amtmann mit Gensdarmen. Dann kam er ruhig wieder zu Hause, setzte sich in die Stube und sah aus dem Fenster. Die Hexe merkte nichts und brachte das Frühstück herein. »Sieh«, sagte der Bauer, »da kommt der Amtmann, der kann unser Gast sein, wenn er will.« Die Frau war in ihrem besten Putze und nöthigte den Amtmann, als er in die Stube trat, recht freundlich zum Mitessen. Der Bauer und der Amtmann rührten aber nichts an. Da fragte die Frau, ob denn der Schinken faul wäre, da sie nicht davon essen wollten. »Was faul ist, schmeckte manchen Leuten auch gut!« rief nun auf einmal der Mann, zog den eisernen Kasten, den er vorher in der Bankkiste versteckt hatte, hervor und schlug ihn mit einer Axt auf. Da sah der Amtmann die ganze Bescherung. – Die Hexe konnte vor Schrecken erst nicht von ihrem Stuhle aufstehn, dann aber sprang sie auf, griff nach einem Messer und wollte ihren Mann erstechen. Doch es war um sie geschehen; denn ehe sie ihren Mann treffen konnte, hatten sie die Gensdarmen, [168] die nun in die Stube gesprungen waren, gefaßt und aufgehoben, so daß sie sich nicht fest machen konnte. Das ganze Dorf jubelte, als man die Hexe zu einem großen Holzhaufen schleppte und verbrannte. Auch ging der Scharfrichter in das Haus, holte die Kröte mit einer Zange unter dem Butterfasse weg und warf sie zu der Hexe ins Feuer. –

Fußnoten

1 Unsere Magd ist unwissend, hat dich auf die Straße geworfen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 185. Düweletgen. 185. Düweletgen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BF3D-6