[53] [61]Das Jahrfest des ersten Kußes.

Schön wie die blühende Natur jetzt ist
Da sie der Frühling lächelnd grüßt;
So schön warst Du mein Mädchen an dem Tage
Als mir Dein Kuß auf meines Kußes Frage
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Die schönste Antwort gab – Dort schlägt die Nachtigal
Im Weidenbusch im bachdurchschlungnen Thal:
Ihr unnachahmlich Lied singt Freude und Entzücken
Ins Herz, und doch dringt keiner Nachtigal Gesang
So tief ins Herz, wie der Kuß drang.
Verschämt um einer Saat von Küßen auszuweichen
Bogst, du für mich zum größern Glück,
Mit Mädchenheucheley den Nacken schlau zurück –
Doch konnten gleich den Mund die Küße nicht erreichen
So fiel doch keiner auf ein undankbares Feld –
Sie trafen in das Thal, wo Venus Courtag hält,
Und auf die Hügel, die der Liebe Segen schwellt.
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Ein mächtiges Entzücken
Durchschaurte mich als ich in deinen Blicken
Ein auch ich lieb Dich schmeichelnd laß.
Ha! Mädchen Deine Wangen blühten
Roth, wie die Lippen die vom Kuße glühten,
Der Perlenreihen traf, die, wenn Dein Mund mir lacht
Und Amor Dir, ins Kinn ein Grübchen macht,
Der Lippen Purpur sanft erheben,
Und Deinem Lächeln neue Reitze geben.
Schön ist der May in seinem Veilchenkrantze,
Wenn er für Grazien zum Reihentanze
Gefilde schmückt, warm die mondhelle Nacht,
Und liederreich den Morgen macht!
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Doch himmlischer wenn er in Mädchenbusen
Den Keim der Liebe streut, zum Aufblühn treibt,
Und wenn des Jünglings Aug an diesen Busen,
So wie sein Herz gefesselt, bleibt,
Wenn er die weiße Brust dann wallen,
Und simpathetisch fühlen lehrt,
Und bey dem Brautgesang der Nachtigallen
Des Jünglings Muth, des Mädchens Sehnsucht mehrt.
Hör' wie er träufeld rauscht der Frühlingsregen
Sanft zittert unter ihm der Büsche neues Kleid;
So Mädchen zittern deine Locken, wenn der Segen
Entzückender wollüstger Zärtlichkeit
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Das Balsammooß des Rosenthals erfrischet,
Und mit dem eignen Thau des Rosenthals sich mischet.
Wenn mild der Wolken Schooß die Hügel übergießt,
Dann wird der Rand der Thäler blumenreicher,
Und auf dem Klee, der dichter sprießt,
Ruht dann der Wanderer erquickender und weicher:
Wenn auf den kleinen Höh'n in Deines Thales Schooß,
Der Regen Amors fällt, dann wächst das Mooß
Duftreicher, krauser um die heilge Grotte
Und wird zum netten schatt'gen Myrthenhayn,
Wo nakte Grazien dem Liebesgotte
Um seinen Altar Bluhmen streun,
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Und wo die ganze Schaar, wenn sie sich satt gegauckelt,
Und wo Citherens loser Sohn,
Wenn ihn in seiner Mutter Phaeton
Die muntern Spatzen müd geschaukelt,
Viel sanfter schläft und sich zum neuen Spiel
Viel ehr erholt als auf dem weichsten Atlasphühl.
Himmelvolle Augenblicke,
Wenn die Sonne heitrer Blicke
Jüngling deine Adern schwellt!
Himmelvollre wenn der Seegen
Amors, wie ein Perlenregen
Aufs gespaltne Erdreich fällt.
Wie aus dem tiefsten Schlaf und süßten Traumgesicht
Des Jünglings Kuß sein Mädchen wecket,
Wie dann wenns schönste Aug halb Schlaf halb Wollust bricht,
Er ihr den Arm sanft um den Nacken flicht,
Das Nachtgewand verschiebt und Schönheiten entdecket,
Die einst Romanos Kunst so lebhaft traf;
So küßt der Frühling aus dem Winterschlaf
Jetzt die Natur. Den dichten weißen Schleyer
Hat er ihr längst vom Busen abgestreift,
Er athmet jetzt im bluhmigten Gewande freyer.
Der May der sie mit Küßen überhäuft
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Spielt mit dem Reitz, der ihm entgegen blühet,
Und Zephyr, den ein gleich Gefühl
Magnetisch stark zur Bluhmengöttin ziehet,
Mischt tändelnd sich mit in ihr Spiel.
Steht denn der Natur und dem May
Nur allein das Tändeln frey?
Darf nur dies Paar zärtlich küßen,
Busen sanft an Busen schließen,
Und in Zärtlichkeit zerfließen?
Mädchen nein die Tändeley
Holder Glut steht uns auch frey,
Auch wir dörfen zärtlich küßen,
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Busen sanft an Busen schließen,
Und in Zärtlichkeit zerfließen.
Hurtig komm in meinen Arm,
Schlüpf sie ab die Nachtgewänder,
Schleif sie auf die seidnen Bänder,
Komm und werd in meinem Arm
Wie die Sommerlüfte warm,
Und laß uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.
Ich bin dein Lenz, ich bin dein May,
Du mein Gefild, und meine Mayenbluhme,
In deinem Grottenheiligthume
Auf deinen Marmorhöh'n, steht jede Tändeley,
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Und jede Art des zärtlichsten Genußes,
Mir heut am Fest des ersten Kußes
Unwidersprechlich frey.
Hurtig komm in meinen Arm
Schlüpf sie ab die Nachtgewänder,
Schleif sie auf die seidnen Bänder,
Komm und werd in meinem Arm
Wie die Sommerlüfte warm,
Und laß uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Scheffner, Johann Georg. Gedichte. Gedichte im Geschmack des Grecourt. Das Jahrfest des ersten Kußes. Das Jahrfest des ersten Kußes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C27A-1