Siebenter Auftritt
Gräfin Terzky zu den Vorigen.
WALLENSTEIN.
Wer ruft Euch? Hier ist kein Geschäft für Weiber.
GRÄFIN.
Ich komme, meinen Glückwunsch abzulegen.
– Komm ich zu früh etwa? Ich will nicht hoffen.
WALLENSTEIN.
Gebrauch dein Ansehn, Terzky. Heiß sie gehn.
GRÄFIN.
Ich gab den Böhmen einen König schon.
WALLENSTEIN.
Er war darnach.
GRÄFIN
zu den andern.
Nun, woran liegt es? Sprecht!
TERZKY.
Der Herzog will nicht.
GRÄFIN.
Will nicht, was er muß?
ILLO.
An Euch ists jetzt. Versuchts, denn ich bin fertig,
Spricht man von Treue mir und von Gewissen.
GRÄFIN.
Wie? da noch alles lag in weiter Ferne,
Der Weg sich noch unendlich vor dir dehnte,
Da hattest du Entschluß und Mut – und jetzt,
Da aus dem Traume Wahrheit werden will,
Da die Vollbringung nahe, der Erfolg
Versichert ist, da fängst du an zu zagen?
Nur in Entwürfen bist du tapfer, feig
In Taten? Gut! Gib deinen Feinden recht,
Da eben ist es, wo sie dich erwarten.
Den Vorsatz glauben sie dir gern, sei sicher,
Daß sies mit Brief und Siegel dir belegen!
Doch an die Möglichkeit der Tat glaubt keiner,
Da müßten sie dich fürchten und dich achten.
Ists möglich? Da du so weit bist gegangen,
Da man das Schlimmste weiß, da dir die Tat
Schon als begangen zugerechnet wird,
Willst du zurückziehn und die Frucht verlieren?
Entworfen bloß, ists ein gemeiner Frevel,
Vollführt, ists ein unsterblich Unternehmen;
Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urtel.
[424]KAMMERDIENER
tritt herein.
Der Oberst Piccolomini.
GRÄFIN
schnell.
Soll warten.
WALLENSTEIN.
Ich kann ihn jetzt nicht sehn. Ein andermal.
KAMMERDIENER.
Nur um zwei Augenblicke bittet er,
Er hab ein dringendes Geschäft –
WALLENSTEIN.
Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.
GRÄFIN
lacht.
Wohl mags ihm dringend sein. Du kannsts erwarten.
WALLENSTEIN.
Was ists?
GRÄFIN.
Du sollst es nachher wissen.
Jetzt denke dran, den Wrangel abzufertgen.
Kammerdiener geht.
WALLENSTEIN.
Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer
Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn
Erwählen, und das Äußerste vermeiden.
GRÄFIN.
Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg
Liegt nah vor dir. Schick diesen Wrangel fort.
Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein
Vergangnes Leben weg, entschließe dich
Ein neues anzufangen. Auch die Tugend
Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.
Reis hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,
Nimm eine volle Kasse mit, erklär,
Du habst der Diener Treue nur erproben,
Den Schweden bloß zum besten haben wollen.
ILLO.
Auch damit ists zu spät. Man weiß zu viel.
Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.
GRÄFIN.
Das fürcht ich nicht. Gesetzlich ihn zu richten,
Fehlts an Beweisen, Willkür meiden sie.
Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.
Ich seh, wie alles kommen wird. Der König
Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich
Von selbst verstehen, daß der Herzog geht,
Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.
Der König wird die Truppen lassen schwören,
Und alles wird in seiner Ordnung bleiben.
[425] An einem Morgen ist der Herzog fort.
Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,
Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,
Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel
Austeilen, gastfrei große Tafel geben,
Und kurz ein großer König sein – im Kleinen!
Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,
Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,
Läßt man ihn scheinen, was er mag, er wird
Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.
Ei nun! der Herzog ist dann eben auch
Der neuen Menschen einer, die der Krieg
Emporgebracht; ein übernächtiges
Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand
Freiherrn und Fürsten macht.
WALLENSTEIN
steht auf, heftig bewegt.
Zeigt einen Weg mir an, aus diesem Drang,
Hilfreiche Mächte! einen solchen zeigt mir,
Den ich vermag zu gehn – Ich kann mich nicht,
Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,
An meinem Willen wärmen und Gedanken –
Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
Großtuend sagen: Geh! Ich brauch dich nicht.
Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;
Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,
Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;
Doch eh ich sinke in die Nichtigkeit,
So klein aufhöre, der so groß begonnen,
Eh mich die Welt mit jenen Elenden
Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,
Eh spreche Welt und Nachwelt meinen Namen
Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung
Für jede fluchenswerte Tat.
GRÄFIN.
Was ist denn hier so wider die Natur?
Ich kanns nicht finden, sage mirs – O! laß
Des Aberglaubens nächtliche Gespenster
[426] Nicht deines hellen Geistes Meister werden!
Du bist des Hochverrats verklagt; ob mit
– Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage –
Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht
Bedienst, die du besitzest – Ei! wo lebt denn
Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens
Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
Was ist so kühn, das Notwehr nicht entschuldigt?
WALLENSTEIN.
Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
Er liebte mich, er hielt mich wert, ich stand
Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten
Hat er geehrt wie mich? – Und so zu enden!
GRÄFIN.
So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
Und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis?
Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
Zu Regenspurg die treuen Dienste lohnte?
Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;
Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,
Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen,
Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,
Weil du allein gelebt für deinen Kaiser.
An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme
Dich fest, der auf dem Regenspurger Tag
Sich gegen dich zusammenzog – da ließ er
Dich fallen! Ließ dich fallen! Dich dem Bayern,
Dem Übermütigen, zum Opfer, fallen!
Sag nicht, daß die zurückgegebne Würde
Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.
Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
Dich stellte das Gesetz der herben Not
An diesen Platz, den man dir gern verweigert.
WALLENSTEIN.
Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
Noch seiner Neigung dank ich dieses Amt.
Mißbrauch ichs, so mißbrauch ich kein Vertrauen.
GRÄFIN.
Vertrauen? Neigung? – Man bedurfte deiner!
Die ungestüme Presserin, die Not,
[427] Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
Gedient ist, die die Tat will, nicht das Zeichen,
Den Größten immer aufsucht und den Besten,
Ihn an das Ruder stellt, und müßte sie ihn
Aufgreifen aus dem Pöbel selbst – die setzte dich
In dieses Amt, und schrieb dir die Bestallung.
Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst –
Doch wenn das Äußerste ihm nahetritt,
Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt
Es in die starken Hände der Natur,
Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
Nichts von Verträgen weiß, und nur auf ihre
Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.
WALLENSTEIN.
Wahr ists! Sie sahn mich immer wie ich bin,
Ich hab sie in dem Kaufe nicht betrogen,
Denn nie hielt ichs der Mühe wert, die kühn
Umgreifende Gemütsart zu verbergen.
GRÄFIN.
Vielmehr – du hast dich furchtbar stets gezeigt.
Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,
Die haben Unrecht, die dich fürchteten,
Und doch die Macht dir in die Hände gaben.
Denn Recht hat jeder eigene Charakter,
Der übereinstimmt mit sich selbst, es gibt
Kein andres Unrecht, als den Widerspruch.
Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren
Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,
Die Geißel schwangest über alle Länder,
Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,
Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest,
Und jede Landeshoheit niedertratst,
Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?
Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!
Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,
[428] Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten
Sein kaiserliches Siegel auf. Was damals
Gerecht war, weil dus für ihn tatst, ists heute
Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
Gerichtet wird?
WALLENSTEIN
aufstehend.
Von dieser Seite sah ichs nie – Ja! dem
Ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser
Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,
Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.
Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,
Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.
GRÄFIN.
Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,
Nur von der Macht und der Gelegenheit!
Der Augenblick ist da, wo du die Summe
Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,
Die Zeichen stehen sieghaft über dir,
Glück winken die Planeten dir herunter
Und rufen: es ist an der Zeit! Hast du
Dein Leben lang umsonst der Sterne Lauf
Gemessen? – den Quadranten und den Zirkel
Geführt? – den Zodiak, die Himmelskugel
Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum
Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
Die sieben Herrscher des Geschicks,
Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
Führt alle diese Zurüstung zu nichts,
Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,
Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
Vermag im Augenblicke der Entscheidung?
WALLENSTEIN
ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem Gemüt auf und ab gegangen, und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin unterbrechend.
Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich.
Drei Boten satteln.
ILLO.
Nun gelobt sei Gott!
Eilt hinaus.
[429]WALLENSTEIN.
Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn
Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,
Und ich erwart es, daß der Rache Stahl
Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät,
Erfreuliches zu ernten. Jede Untat
Trägt ihren eignen Rache-Engel schon,
Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.
Er kann mir nicht mehr traun – so kann ich auch
Nicht mehr zurück. Geschehe denn, was muß.
Recht stets behält das Schicksal, denn das Herz
In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
Zu Terzky.
Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,
Die Boten will ich selber sprechen, schickt
Nach dem Octavio!
Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.
Frohlocke nicht!
Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
Den Samen legen wir in ihre Hände,
Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
Indem er abgeht, fällt der Vorhang.
[430]