[210] Das Lied von der Glocke

1. A propos de cloches

Wenn jemand schwatzt die Kreuz und Quer
Was ihm in Sinn kommt ungefähr,
Sagt man in Frankreich wohl zum Spotte:
»Il bavarde à propos de bottes.«
Bei uns wird wohl das Sprichwort sein:
»Dem fällt bei Glocken Vieles ein«.
Der Dichter weiß in's Glockengießen
Das Looß der Menschheit einzuschließen:
Er bricht die schönen Reden, traun!
Vom Glockenthurm, und nicht vom Zaun.

2. Kritik eines Küsters

»Mein ich bitt, daß wir vnsere Glocken sampt jhren Klipffeln haben

möchten. – – Date nobis glockas nostras, nostra Tiatina, Tiatina.«

Fischart in seiner Geschichtklitterung nach Rabelais.


Wir Küster, würd'ger Herr, sind hoch erfreut,
Daß Sie so schön der Glocken Lob gesungen;
Es hat uns fast wie Festgeläut geklungen.
Nur haben Sie sich etwas weit zerstreut,
Und doch dabei den Hauptpunkt übergangen:
Die Klöpfel mein' ich, die darinnen hangen.
[211]
Denn ohne Zung' im Munde, – mit Respekt
Zu sagen, – müßte ja der Pfarrer selbst verstummen.
So, wenn kein Klöpfel in den Glocken steckt,
Wie sehr man auch am Seile zerrt und reckt,
Man bringt sie nicht zum Bimmeln oder Brummen.

3. Der idealische Glockengießer

Nicht Zinn und Kupfer, nach gemeiner Weise,
Nein, Wortgepräng' und Reim, mühsam in eins verschmelzt,
Bis sich die zähe Mass' in Strophen weiter wälzt:
Das ist im Glockenlied die edle Glockenspeise.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Das Lied von der Glocke. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D18A-C