[269] Ritterthum und Minne

Romanze.


Ein Ritter, ganz in blankem Stahl
Auf seinem hohen Roß,
Sprengt bei des Morgens erstem Strahl
Herab vom Felsenschloß.
Nach Abenteuern steht sein Sinn,
Durch Wald, Gebirg und Feld;
Denn bis zum heil'gen Lande hin
Ist Muth der Herr der Welt.
Und wie er zog im Thal einher
Für sich so kühn und wild,
Da trat in seinen Weg ihm queer
Ein schönes Frauenbild.
Dem Pferde griff sie in den Zaum
Und lächelnd so begann:
Gewahrt man Fleisch und Bein doch kaum;
Seid ihr ein Eisenmann?
Das Eisen, spricht er, zartes Weib,
Ist ja des Mannes Kraft.
Es schirmt nicht starrend bloß den Leib,
Er fühlt's wie Mark und Saft.
[270]
Es zuckt, geschliffen und gespitzt,
Von selber nach dem Blut,
Und wo es durch die Lüfte blitzt,
Da zündet Kampfes Muth.
Drauf sie: Doch warum so in Eil?
Fürwahr, es thut nicht Noth!
Den Strauß entscheidet kurze Weil'
Zum Sieg wohl oder Tod.
Die Sonne scheint den Panzer heiß:
Entledigt euch der Last,
Und pflegt am Oertchen, das ich weiß,
Im Schatten süßer Rast.
Der Mai giebt seinen Wonneschein,
Der Blumen sind genug.
Das Leben will gelebet sein
Nicht so in Sturm und Flug.
Und habt ihr friedlich erst geruht,
Und nicht gewehrt der Lust,
Dann strebt zur That mit frischerm Muth
Die freudenstolze Brust.
Wer kann aus so beredtem Mund
Der Ladung widerstehn?
Er folgt ihr tiefer in den Grund,
Wo kühle Lüfte wehn.
Sie weilt an einer Quelle Rand,
Der Ritter steigt vom Roß,
Und löset jedes ehrne Band,
So seinen Leib umschloß.
[271]
Auf grünem Teppich, hoch umlaubt,
Der hier zum Sitze schwillt,
Hebt er den Helm von seinem Haupt,
Legt Panzer ab und Schild.
Dem Boden eingepflanzt den Speer,
Den Schild daran gelehnt,
Lauscht er des Weibes holder Mär',
Ohn' Arges, wie er wähnt.
Jedoch ihr Kosen schmeichelt kaum
Dem rauhen Sinn sich ein,
So sieht er, zweifelnd, wie im Traum,
Seltsame Zauberein.
Im Helmbusch erst ein Weh'n sich regt,
Ein Rauschen ihn durchklingt.
Bis er die Flügel mächtig schlägt,
Und rasch empor sich schwingt.
Nun wiegt der neugeschaffne Falk
Sich in der Lüfte Blau,
Und späht mit hellem Aug', ein Schalk,
Was irgend lockt, genau.
Doch wie zum Busch er niederschießt,
O Wunder! so zerwallt
All sein Gefieder, und entsprießt
In Vöglein mannigfalt.
Die bunten Sänger tönen gleich,
Versteckt im Laub', ihr Lied,
Das klagend und doch wonnereich
Durch Blüthendüfte zieht.
[272]
Zu solcher Waldes-Melodie
Ziemt wohl ein frischer Trank!
So sagend, beut dem Ritter sie
Den Becher, zierlich schlank.
Verwandelt hat sich zum Pokal
Sein Helm, wie sie's gewollt;
Des Weines geistig goldner Strahl
Blinkt in des Bechers Gold.
Nun griff sie auch zur Laute hin,
Und hielt sie vor die Brust,
Und spielt' aus zartem Frauensinn
Was Ahndung weckt und Lust.
Sieh, Ritter, sagte sie und sang,
Besaitet und erfüllt
Den Harnisch dein von süßem Klang,
Der sonst dein Herz umhüllt.
Drum laß es beben bei dem Schall
Von meiner Hand entlockt:
Das ist der Triebe Wiederhall,
Die unter'm Erz gestockt.
Sieh! deine Lanze sproßt und grünt
Zum Lorbeer, stolz belaubt,
An dem sich nie kein Blitz erkühnt,
Kein Herbst die Zierde raubt.
Zur Rose sieh dein Schwert erblüht,
So mildert sich sein Zorn;
Doch blutig noch ihr Purpur glüht,
Und Wunden sticht ihr Dorn.
[273]
Du wandelst alle meine Wehr,
So schalt der Ritter frei,
Als wär's in einer Zaubermär',
In lose Gaukelei.
Mir bleibt allein mein gutes Roß,
Ich schwinge mich im Flug
Zurück auf meiner Väter Schloß,
Und rüste neu den Zug.
Dein Roß, erwiedert sie, fürwahr!
Wird schwer zu fangen sein;
Am Sattel wuchs ein Flügelpaar,
Vom Dienst es zu befrein.
Schon bäumt es sich den Berg hinauf
Zum Gipfel sonnenhell,
Sein Huf entschlägt im raschen Lauf
Dem Felsen einen Quell.
Der Ritter sprach: Was mich geschmückt,
Was klag' ich, daß es hin?
Hast du mich doch mir selbst entrückt:
Schon spür' ich andern Sinn.
Dein Blick, dein Lied hat mich berauscht,
O wunderlieblich Weib!
Was ich verloren, sei vertauscht
Um deinen holden Leib.
Mit nichten, sprach sie sittiglich,
Erwirbst du mich zur Braut,
Wo du zu heil'gem Bunde dich
Nicht erst mir angetraut.
[274]
Hoch auf dem Berge, wo dein Roß
Sich muthig hin verirrt,
Da prangt ein rosig schimmernd Schloß,
Das uns zum Tempel wird.
Der Sonne König wohnet dort
In Freuden ewig jung;
Neun Jungfrau'n bieten immerfort
Ihm keusche Huldigung.
Sie feiern unsern Hochzeitreih'n
Mit Spiel und mit Gesang:
Was sie voll sinn'ger Anmuth weih'n,
Vor allem stets gelang.
Wohlan! so rief er, neu entflammt:
Das Bündniß däucht mir gut.
Ich heiße Bieder, abgestammt
Aus altem deutschem Blut.
Zu buhlen weiß ich nicht um Gunst,
Auf Tod und Leben Freund,
Und schlage, sonder schlaue Kunst,
Mit gleicher Wehr den Feind.
Vom fernen Norden kam ich her,
Und war noch jung und wild:
Da hört' ich eine fromme Lehr',
Und sah ein göttlich Bild.
Dem Zeichen, das die Welt verehrt,
Schwur ich die Lebenspflicht;
Zum Kreuze bildet' ich mein Schwert,
Das ew'gen Sieg erficht.
[275]
Darum gehorch' ich heil'gem Recht
Nebst ächter Ehre Brauch.
Nun aber nenne dein Geschlecht
Und deinen Namen auch.
Ob dein Gemüth wie meins bestellt,
Das sag mir ohne Hehl;
Nur wo sich Gleich und Gleich gesellt,
Vermählt man Leib und Seel.
Erröthend schwieg die Schöne nun,
Und seufzt aus tiefer Brust,
Und zögerte, sich kund zu thun,
Wie innrer Reu bewußt.
Wie du, so heg' ich fromme Brunst,
Frau Minne heißt man mich,
Doch andern Namen führt' ich sonst,
Als ich mir selbst nicht glich.
Nur Lust und Reiz schien mir Gewinn,
Und inn'ger Trieb ein Spott,
Und so gefiel dem leichten Sinn
Der wüste Kriegesgott.
Da fröhnte alle Welt im Joch
Als Liebesgöttin mir.
Ach! sterblich wie die Jugend doch
War meine Macht und Zier.
Allein ich sah ein himmlisch Weib,
Ein Kindlein auf dem Arm;
Jungfräulich war ihr reiner Leib
Von Mutterliebe warm.
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Verloren ganz, sie anzuschau'n,
In demuthsvollem Schmerz,
Fühlt' ich die holde Milde thau'n
In mein erneutes Herz.
Nun floh ich in die Wildniß wüst,
Begehrend eigne Qual,
Bis bange Sehnsucht abgebüßt
Den Trug der ersten Wahl.
Da hört' ich deiner Thaten Ruf
Und deine Biederkeit,
Die stille Neigung in mir schuf,
Wie Sitte sie verleiht.
Der Ritter sann den Worten nach,
Und staunte, tief entzückt,
Da wurde neuer Jubel wach,
Und neu der Mai geschmückt.
Es öffnet sich das hohe Thor
Vom sonnigen Pallast,
Und die neun Mägdlein geh'n hervor,
Zu grüßen ihren Gast.
Sie tanzen um der Lieben Paar,
Im bunt verschlungnen Reihn,
Und aus den Kehlen süß und klar
Haucht Leben und Gedeihn.
»O wohl des Helden edlem Leib,
Der treu und sittig minnt!
O wohl dir auch, du weiblich Weib,
Die solche Huld gewinnt!«

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Gedichte. Lieder und Romanzen. Ritterthum und Minne. Ritterthum und Minne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D2F8-A