Philosophische Lection

Meine Herrn, damit Sie's wißen
Welche Wißenschaft ich lehre:
Es ist die Wißenschaftslehre,
Das heißt Wißen von dem Wißen.
Dieß muß ich nun deutlich machen.
Können Sie es nicht verdauen,
Will ich's Ihnen erstlich kauen,
Und dann schieben in den Rachen.
[229]
Zwar Ihr Kopf wird etwas krachen,
Weil mit unnütz schlechtem Wißen
Sie ihn ohne Noth verschlißen;
Darum will ich's unverholen
Ihnen sagen, wiederholen,
Meine Herrn, damit Sie's wißen.
Kreide nehm' ich in die Rechte.
Will man Wahrheit recht erwerben,
Muß man auf ein Brett sie kerben,
Wie im Wirthshaus, was man zechte.
Daß ich tapfer sie verfechte,
Komme nach der Kinderlehre
Jeder, den ich nicht bekehre,
Zweifle, frage, fordre Proben,
Und er wird dereinst noch loben,
Welche Wißenschaft ich lehre.
Wißen Sie nicht irgend was?
Zweimal zwei etwa macht viere.
Daß ich Sie nicht prostituiere,
Nehm' ich an, Sie wüßten das.
Dieses Wißen ist nur craß.
Bis ich's höher erst verkläre
Und Besinnung drein bescheere;
Dann wird draus die Wißenschaft,
Die des Wißens Wißen schafft:
Es ist die Wißenschaftslehre.
Diesen derben Stab der Fichte
In der Hand, da kann man handeln,
[230]
Fest auf Erden stehn und wandeln,
Und wird nimmermehr zu nichte.
Bis zum letzten Weltgerichte,
Wenn auch alle Stränge rißen,
Bleibt Ihr ruhig im Gewißen,
Denn Ihr wißt gewiß, Ihr wißt,
Und auch was dieß Wißen ist:
Das heißt Wißen von dem Wißen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Gedichte. Epigramme und litterarische Scherze. Philosophische Lection. Philosophische Lection. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D4EA-9