[159] Am Tage der Huldigung

Berlin 6. Juli 1798.


O steig' empor, erquickendste der Sonnen,
Des schönen Tages hohe Heroldin!
Bestrahle glorreich dieses Festes Wonnen,
Sie zu erblicken werde dein Gewinn.
Der Himmel, in entwölktes Blau zerronnen,
Sei frei und heiter wie des Volkes Sinn.
Sieh! Weihrauch dampft von tausend Dankaltären,
Und lauter Jubel schallt bis an die Sphären.
Ein edler König ist der Welt gegeben,
Das Vaterland schwört ihm den heil'gen Bund.
Nicht Einer, der mit innerm Widerstreben
Ihm Treu' gelobt aus heuchlerischem Mund.
Gefühle, die in Aller Herzen leben,
Macht unwillkürlich jede Lippe kund;
Durch eine himmlische Gewalt gedrungen
Zu innigen, entzückten Huldigungen.
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Ihr kennt Ihn ja, ihr frohen Millionen,
Ihr saht Ihn sichern Tritts zum Ziele gehn.
Sein Thun verdient Ihm angestammte Kronen,
Der Völker Wahl würd' Ihn dazu erhöhn,
Bei dem die Geister großer Ahnen wohnen,
In dessen Bild sie neu verjüngt sich sehn;
Den königlichen Mann, gerecht und gütig,
Mit Würde mild, mit Ruhe heldenmüthig.
Wie könnte je sich Ihm der Himmel schwärzen?
Er sucht' und fand der Liebe schönsten Lohn.
Louisens Lächeln heißt den Kummer scherzen,
Vor Ihrem Blick ist jedes Leid entflohn.
Sie wär' in Hütten Königin der Herzen,
Sie ist der Anmuth Göttin auf dem Thron;
Ihr zartes Werk, Ihr seligstes Gelingen,
In Seinen Lorbeer Myrten einzuschlingen.
Das Schicksal wird sein seltnes Wunder pflegen,
Wir dürfen still der dunkeln Zukunft traun:
Der heil'ge Lorbeer trotzt des Blitzes Schlägen,
Die Myrte sproßet nur auf Blumenau'n;
Die hohen Mächte laßen alle Segen
In Purpurwolken auf sie niederthaun;
Der Friede trägt die immer grüne Palme,
Und Ueberfluß neigt seine schweren Halme.
Es blickt auf Euch die Muse der Geschichte,
Erhabner Herrscher! holde Königin!
Ihr strenges Zeugniß wird zum Lobgedichte;
Sie ist der goldnen Zeit Verkünderin.
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Ach! jüngst noch sah sie grausende Gesichte,
Der Griffel sank als Dolch ihr blutig hin.
So schritt sie ernst auf tragischem Kothurne,
Und ruhte sinnnend an der Menschheit Urne.
Ihr aber habt der Göttin Gram erheitert.
Hier, wo der Staat, ein ew'ger Tempel steht,
Nicht wanket wie das Schiff, das, eh' es scheitert,
Sich noch mit aufgespannten Segeln bläht,
Wird keine Kraft gedämpft, sie wird geläutert,
Hier gilt der freien Wahrheit Majestät;
Hier waltet Ruh, stürzt schon, verflucht, bewundert,
In seine Gruft mit Krachen das Jahrhundert.
Nur wenn er strebt, sein Wesen zu vollenden,
Bewährt der Mensch sein göttliches Geschlecht.
Der Adler muß den Flug zur Sonne wenden,
Er übet stolz sein angebornes Recht;
Des Lichtes Urquell kann ihn nimmer blenden,
Sein Fittig wird durch keinen Raum geschwächt.
Beglücktes Volk! zu solcher Tugend Siegen
Siehst du den Liebling Zeus voran dir fliegen.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, August Wilhelm. Gedichte. Vermischte Gedichte. Am Tage der Huldigung. Am Tage der Huldigung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D521-5