[30] §. 3. Des Bauern Höllenfahrt.

Ein Bauer, jung und kräftig, besaß ein schönes Hofanwesen, das seinem Herrn und Grafen gewaltig in die Augen stach. Der Graf wußte es mit Hilfe seines Büttels auch dahin zu bringen, daß der Bauer von einem Rechtsstreite in den anderen und damit in Schulden gerieth, zuletzt an den Bettelstab kam. Nur mehr ein paar schlechte Ochsen hatte er, und diese sollte er nun verkaufen, um Gilt und Zehent zu bezahlen. Das ging ihm zu Herzen, doch half alles Klagen nichts: er verkaufte sie und machte sich auf den Weg in's Schloß, seine letzten Pfennige dem harten Zinsherrn zu bringen. Er mußte durch einen Wald: ermüdet setzte er sich auf einen Baumstock, um auszuruhen. Nicht lange saß er da, so stand ein Jägersmann vor ihm: seine Augen blitzten, sein Bart warroth. Dieser sprach: »Ich will dir helfen, wenn du mir Eines versprichst.« Der Bauer war zu Allem bereit und der Jäger gab ihm ein Beutelchen. Damit könne er seine Schuld bezahlen: zuletzt aber solle er des Müllers Rappen kaufen und den Wagen, und Roß und Wagen in gutem Stand erhalten. Der Bauer aber schüttelte den Kopf: denn in dem ledernen Beutelchen war nur ein Groschen: damit konnte er ja nicht zahlen, viel weniger kaufen. Doch kehrte sich der Jäger nicht an seine Zweifel und hieß ihn gehen, und thun, wie er befohlen: sie würden sich wieder sehen.

[31] Der Bauer ging und kam auf's Schloß und nahm sein schweres Beutelchen herfür und zahlte aus dem Erlöse seiner Ochsen Zins und Gilt. »Das ist noch nicht genug,« sagte der Büttel, »einen Groschen macht es mehr für mich.« Der Bauer griff verlegen in seine andere Tasche und holte das leichte Beutelchen heraus, und nahm den Groschen drinnen und legte ihn hin. – So wollte er zur Thüre hinausgehen: da rief ihm aber der Wärtl zu: »Einen Groschen bekomme ich für Gebühr!« Voll Schrecken warf der Bauer das Beutelchen dem Wärtl vor die Füsse. Der hob es auf, fand darin seinen Groschen und warf dem Bauer das leere Beutelchen nach. Nun wußte der Bauer, woran es stehe: schnell hob er das Beutelchen auf, sah hinein und fand wieder ein Gröschlein darin. Flugs ging er in's Wirthshaus, und zechte nach Belieben, und zahlte am Schlusse Groschen um Groschen eine artige Zeche. Drauf ging er fort und kaufte sich Müllers Rappen und Wagen, und fuhr mit reichem Mundvorrathe heim. Nun zahlte er alle seine übrigen Schulden und baute sogleich einen Stall für seine Rappen. Als die Zimmerleute zur Stelle kamen, foppten sie das Bäuerlein, weil kein Holz auf dem Platze lag. Dieser aber befahl ihnen, einstweilen die alte Hütte mit Stall und Stadel niederzureissen, er wolle indessen in den Wald um Holz. Schnell waren die Rappen eingespannt und fort ging es in den Wald: da traf er den Jäger, welcher schon Holz in Menge hatte fällen lassen. Er half ihm auch den Wagen beladen, daß dieser halb versank. Das [32] Bäuerlein schlug die Hände über den Kopf zusammen, aber der Jäger that einen Pfiff und die Rappen gingen wie leer dahin.

So baute der Bauer Alles vom Grund neu auf, schöner denn zuvor, und gab es groß, und seine Bäuerin putzte sich heraus, daß die Gräfin und selbst des Büttels Weib sich darüber ärgerten, und Tag und Nacht ihren Männern anlagen, dem stolzen Bauer Eines zu versetzen. »Was thun,« sagte der Graf zum Büttel, »der Bauer ist mir hörig, ich könnte ihn zum Knechte machen; bring ihn her!« Der Büttel ging, der Bauer kam. – »Du wächst mir über den Kopf,« fuhr ihn der Gebieter an, »du mußt es mit dem Teufel haben! Laß sehen, was du weiter kannst; drey Dinge setze ich dir, vermagst du es nicht, so geht es um deinen Kragen. Zuerst fährst du mir mit Roß und Wagen draussen am Hag die große Eiche her in der Hof!« »Soll geschehen,« nickte der Bauer, »schickt nur Leute, Herr Graf, den Baum zu fällen und zu laden.« So gingen dreyßig Mann hinaus und schlugen die Rieseneiche nieder. Und als der Bauer mit dem Wagen kam, luden sie den Stamm auf und der Wagen sank zur Achse in den Boden. Aber der Bauer that einen Pfiff und die Rappen gingen wie leer dahin, und so fuhren sie in den Schloßhof hinein, daß Thor und Schupfe in Trümmer ging. Darüber erboste der Graf noch mehr und grimmig befahl er dem Bauer, den großen Stein beym Brunnen zu bringen, sonst gehe es ihm an den Kragen. »Soll geschehen, Herr Graf,« lachte der Bauer, »schickt [33] nur Leute, ihn aufzuladen!« Die dreyßig Mann brauchten einen Tag, den grossen Steinblock zu laden, und der Wagen sank wieder zur Hälfte ein. Aber der Bauer that nur einen Pfiff, und die Rosse gingen wie leer, und als die Männer die Last vom Wagen warfen, bebte das Schloß, und Mauer und Fenster zersprangen.

Darüber ergrimmte der Graf noch mehr und hieß nun zum Dritten, ihn und den Büttel zur Hölle zu fahren. »Soll geschehen, Herr Graf,« lachte der Bauer, »sorgt nur um Mundvorrath für den Weg!«

So fuhren sie, und in der ersten Nachtherberge verzehrte der Graf mit seinem Büttel den Imbiß, ohne dem Bauer davon mitzutheilen. Der Wirth aber sagte zum Bauer: »Nimm dir bey mir, was du brauchst, denn morgen in der Herberge bekommt Ihr Nichts.« Und der Bauer that so. Als sie des anderen Abends zur Nachtherberge kamen, war Nichts zu haben. Der Bauer aß; Graf und Büttel aber hungerten. Diese baten ihn nur um etliche Brocken; der Bauer aber theilte seinen Vorrath mit dem Jäger, der in die Herberge nachkam.

Am dritten Tage ging der Weg durch lauter Wildniß, über Stock und Stein, durch Sumpf und Wald. Schon hörte man die Teufel singen, und roch den Höllenrauch und Gestank. Der Bauer fuhr darauf zu. Die Rappen wieherten und tanzten voll Freude, und sprangen auf einen grossen breiten Stein, der dalag wie eine Kellerthüre. Der Bauer wußte schon, was das für eine Thüre wäre; flink sprang er vom Wagen [34] auf die Rappen vor und schnitt die Stränge ab, und sprengte in Einem Satze über den Stein hinweg. Dieser aber brach zusammen, und Feuer fuhr heraus und verschlang den Graf und seinen Schergen.

Langsam ritt der Bauer heim und sah sich nach einem anderen Wagen um. Da ließ ihn die Gräfin zu sich bescheiden und frug ihn nach ihrem Herrn, und erhielt die Antwort, der wäre ganz sicher in der Hölle, wohin er gewollt habe. »Das lügst du,« zürnte die Gräfin, »das ist nicht wahr, so wenig als der dürre Rosenstock dort Rosen trägt.« Aber kaum gesagt, stand der Stock über und über voll Rosen. Da entsetzte sie sich und stieß sich das Messer in den Leib, und als des Büttels Weib davon vernahm, erhängte sie sich an einem Stricke.

Auf der Rückkehr vom Schlosse setzte sich der Bauer im Walde wieder auf denselben Stock wie früher. Da stand der Jäger vor ihm und sprach: »Den Beutel kannst du sammt dem Groschen behalten, du hast mir den Dreyer mit Vieren vergolten! Leb wohl!« Dümpfel.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Dreyzehntes Buch. Hölle. Erster Abschnitt. 1. Die Hölle. 3. Des Bauern Höllenfahrt. 3. Des Bauern Höllenfahrt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DC35-E