20.

Eine Bäuerin war in der Hoffnung. Da kam zu ihr eine alte Nachbarin, die als Hexe im Rufe stand, [385] und trug sich als Gevatterin an; denn das Kind sey ein Mädchen. Die Bäuerin aber fürchtete das Weib, und getraute sich nicht, es abzuschlagen.

Als nun die Bäuerin wirklich mit einem Mädchen niederkam, wartete sie der Nachbarin, weil diese versprochen hatte, schon selber zu kommen, wenn es Zeit zur Taufe sey. Sie kam auch richtig. Das Kind wurde getauft und der Kindbettschmaus gehalten. Nach demselben nahm die Gevatterin Abschied, und hieß die Sechswöchnerin einkehren.

Diese ging also, wie sie es nur vermochte, zu ihr auf Besuch. Sie läutete an der Thüre an; da war der Glockenzug eine Schlange. Sie stieg die Treppe hinan, da tanzten Besen und Ofengabeln mitsammen auf der Stiege. Wie sie an der Stubenthür war, sah sie durch das Gutzerl, daß die Gevatterin ihren Kopf im Schooße habe und Läuse suche. Erschrocken stieß sie einen Schrey aus. Das hörte die Gevatterin, setzte ihren Kopf schnell auf und ging ihr entgegen.

»Nun Gevatterin, es freut mich,« sprach sie, »daß Ihr Wort haltet und kommt; geht nur herein und setzt euch zum Essen.« Mit diesen Worten setzte sie Speisen auf den Tisch, und lud nochmal ein, zuzulangen, mit den Worten: »Gevatterin eßt, Gevatterin trinkt, Gevatterin seyd gern da!«

Die Bäuerin aber erwiederte furchtsam: »Mag nicht essen, mag nicht trinken, bin auch nicht gern da!«

Hexe: »Warum?«

[386] Gevatterin: »Ja, mir ist halt allerhand begegnet, wie ich herging.«

Hexe: »Was denn?«

Gevatterin: »Zum ersten, wie ich läutete, ringelte sich eine Schlange an die Glocke hinan.«

Hexe: »Ach, das war ja nur der Zug zu meiner Glocke.«

Gevatterin: »Zum zweyten haben auf der Stiege Besen und Ofengabel mit einander getanzt.«

Hexe: »Warum nicht gar, das waren mein Knecht und meine Dirn, die haben immer etwas miteinander.«

Gevatterin: »Nun, wie ich vor der Stubenthür stand, sah ich, daß Ihr den Kopf herunter hattet und Läuse suchtet.«

Da fuhr die Hexe auf und schrie sie an: »Friß, oder ich zerreiß dich« – und zerriß sie. Amberg.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Erster Theil. Fünftes Buch. Die Thiere des Hauses. 12. Die Hexe. 4. Sagen. 20. [Eine Bäuerin war in der Hoffnung. Da kam zu ihr eine alte Nachbarin]. 20. [Eine Bäuerin war in der Hoffnung. Da kam zu ihr eine alte Nachbarin]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DE46-7