3.
Einst war eine arme Mutter, die hatte zwey Kinder, einen bösen Buben und ein frommes Mädchen. Eines Morgens sendete die Frau das Mädchen aus in den Wald, Holzäpfel zu sammeln und gab ihm ein Stückchen Brod und ein Säckchen auf den Weg. Wie nun das Kind an den Wald kam, trat ihm U.L. Herr entgegen und frug gar freundlich: »Mein gutes Kind, wo gehst du hin?« – »In den Wald um Holzäpfel.« – »Was trägst du in dem Säckchen?« – »Ein Stückchen Brod; wenn dich hungert, will ich es mit dir theilen.« – Da sagte U.L. Herr: »Ich danke dir, mein frommes Kind, geh' nur fort auf dem Wege, dann begegnet dir die Muttergottes.«
Und das Kind ging weiter und bald stand U.L. Frau vor ihm und frug es dieselben Fragen wie vordem U.L. Herr und erhielt dieselben Antworten. Und U.L. Frau sagte zuletzt: »Ich danke dir für deinen guten Willen, geh' nur fortan, so wirst du den heil. Johannes auf dem Wege treffen.«
Es dauerte auch nicht lange, so kam der hl. Johannes des Weges und frug dieselben Fragen und dankte dem guten Kinde für seinen freundlichen Sinn und sprach: »Du wirst nicht weit gehen, so kommst du zu einem hohen Berg; auf diesem steht ein Schloß, da läute an der rechten Glocke, so wird Jemand kommen und dich beschenken, weil du so ein gutes Kind bist.«
[320] Das Mädchen kam an den Berg und stieg hinauf an's Schloß und läutete an der Glocke rechts. Da öffnete sich die Thüre und eine weisse Jungfrau trat heraus und gab dem Mädchen ein weisses Tuch mit einem weissen Schächtelchen; das solle sie zu Hause um Mitternacht aufmachen, aber Niemanden etwas davon sagen.
Als sie nun heimkam, zeigte sie ihr Geschenk der Mutter und im Bettchen um Mitternacht machte sie das Schächtelchen auf, obgleich es die Mutter ihr verboten hatte. Da flogen viele, viele schöne Engelein heraus und breiteten das weisse Tuch aus, setzten das fromme Kind darauf und trugen es singend zu U.L. Herrn in den Himmel.
Am Morgen fand die Mutter das Kind tod im Bette. Da holte sie das Brüderchen und sagte zu ihm: »Heute Nacht haben die Engel Gottes dein Schwesterchen in den Himmel abgeholt.« Der Knabe wollte nun auch in den Wald und zum Schlosse, um Tüchlein und Schächtelchen zu erhalten. Die Mutter wollte ihn zwar nicht fortlassen, denn er sey ja gar böse und werde also nichts bekommen. Der Knabe gab aber nicht nach und weinte so lange, bis die Mutter ihm ein Stückchen Brod in ein Säckchen that und ihn dann fortließ in die Holzäpfel.
Da begegnete ihm U.L. Herr im Walde und frug ihn: »Kleiner, wo gehst du hin?« – »Das brauchst du nicht zu wissen.« – »Was hast du in dem Säckchen?« – »Was werde ich haben, ein Stück Brod, [321] aber nicht für dich.« Da ließ ihn der Herr des Weges und sagte ihm noch, daß die Muttergottes ihm begegnen werde.
Und als ihm U.L. Frau in den Weg kam und ihn befragen wollte, erhielt sie die gleiche unfreundliche Rede; sie entließ ihn mit den Worten, daß er bald auf den hl. Johannes treffen würde.
Auf die Fragen des hl. Johannes war aber der Knabe noch trotziger, und der Heilige sendete ihn an den Berg mit der Weisung, an der linken Glocke zu ziehen. Das vollzog denn der Knabe: aber diesesmal öffnete eine schwarze Jungfrau und sie gab ihm ein schwarzes Tuch mit einer schwarzen Schachtel, die solle er im Bette um Mitternacht aufmachen. Und er öffnete zu Hause im Bette die Schachtel und es schwirrten lauter kleine Teufelchen heraus, welche den bösen Buben auf das schwarze Tuch rissen und mit ihm summend und brummend zur Hölle fuhren. Amberg.