§. 39. Stein.

Das St. Anna-Kirchlein zu Unter-Viechtach wurde für die grosse Gemeinde zu klein und mußten die Meisten dem Gottesdienste im Freyen beywohnen. In der Mitte des Ortes war ein grosser tiefer Weiher. Nach langem Berathen, wie man eine grössere Kirche bauen könne, machte der Pfarrer den Vorschlag, es solle Jeder, der zur Kirche ginge, einen Stein mitbringen, und in den Weiher werfen, und dieses so lange, bis dieser ausgefüllt und so viele Steine aufgehäuft wären, als es zum Baue bedürfe. Es geschah so. Nun fehlte aber das Geld. Eine halbe Stunde entfernt, im Walde, lagen die Trümmer einer Burg, den Rittern von Stein gehörig; noch heißt der Ort dort: Stein. Man wußte, daß die alten Burgherrn, ihrer Habsucht wegen, bekämpft, besiegt wurden. Ehe die Burg in Trümmer sank, vergrub das Burgfräulein die Schätze, und diese mußte nun umgehen. An heiligen Zeiten ließ sie sich sehen, zu anderen Zeiten aber hauste der Teufel dort, und schreckte die Leute. Als einmal die Jungfrau wieder ihre Schätze sümmerte, ging ein beherzter Mann hinauf, fand aber nur ein paar Hände voll Häckerling, und darüber zornig, dachte er, die gebe ich dem nächsten Besten, der mir begegnet. Es kam auch bald ein[394] Mann des Weges, den er frug, ob er nicht Häckerling kaufen wolle, und auf das erhaltene Nein drang er ihm die Gabe umsonst auf. Aber auch der mochte sie nicht behalten, und dachte wie der Erste: »Ich gebe sie dem ersten Besten, der mir bekommt.« Der Nächste war der Pfarrer von Viechtach. In dessen Hand wurde aber der Häckerling immer glänzender, und er frug daher den Mann, woher er ihn habe. Der sagte, der Teufel habe es ihm aufgedrungen, und auf die weitere Frage, woher der Teufel kam: vom Steinberge.

Als der Pfarrer nach Hause kam, hatte der Häckerling in lauter Gold sich verwandelt. Da dachte er: Wenn der Teufel seinen Schatz so gerne los hat, will ich ihm befehlen, ihn mir zu bringen, ich brauche Geld für den Kirchenbau. Er ging nun hin, rief den Teufel, und dieser mußte den ganzen Schatz über den Regenfluß hinüber an den Alterberg bringen, wo der Pfarrer ihn zu Handen nahm. Davon baute er seine Kirche. – Bald nach dem Baue zu einer heiligen Zeit sahen die Leute in der Nähe der Kirche ein weisses Pergament in Gestalt eines Briefes vom Himmel fallen. Darin stand mit goldenen Buchstaben, daß die Jungfrau, seit der Schatz zur Kirche verwendet sey, erlöst wäre, und daß, seit darin der Herr angebetet werde, auch die früheren Bewohner der Burg die ewige Ruhe erlangt hätten. So die Sage des Volkes. – Beyzusetzen habe ich den besonderen Fall, daß der Teufel mit der Jungfrau streiten und sie besiegen mußte, ehe er den Schatz dem Pfarrer brachte.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 5. Burgen. 39. Stein. 39. Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DF74-6