II. Muttersünde.

In der Gegend von Tiefenbach war eine Bäuerin, welche von jeher kein kleines Kind leiden konnte. Endlich gebar sie selbst, aber sie haßte das Kind ihres Leibes.

Einmal war sie eben beschäftiget, als das Kind hungerte und nach der Brust der Mutter weinte. Das harte Weib aber achtete es nicht, sondern arbeitete fort. Desto ärger schrie das Kind. Da nahm es die grausame Mutter und legte es voll Zorn mit dem Fluche an die Brust: »Da trink dir alle Teufel hinein!«

Sogleich fing das Kind, kaum acht Tage alt, zu lachen an und zwickte beim Trinken den Mund so fest zusammen, daß ihm die Brustwarze im Munde blieb. Es hatte auch so viele Kraft bekommen, daß es in den Fatschen nicht mehr zu halten war, sich am ganzen Körperchen erbärmlich zerfleischte und am dritten Tage starb. Allgemein hieß es, daß das Kind besessen gewesen; auch sollen bey seinem Verscheiden mehrere schwarze Vögel, gleich Amseln, von ihm weggeflogen seyn.

[233] Ein Jahr darauf ward das Weib wieder Mutter, sie konnte aber das Kind nicht zur Welt bringen, sondern starb in den Wochen, und als man ihren Leib öffnete, hatte das Kind keine menschliche Gestalt.


Ein böses Frauenbild hatte schon drey uneheliche Kinder, als sie Hochzeit machte; das eine warf sie ins Wasser, das andere grub sie in den Mist, das dritte versteckte sie im Walde unter einem Ziegerhaufen.

Am Hochzeitstage trieb der Hirt aus gegen den Wald hin; da hörte er ein Kind weinen und sprach vor sich hin: »Ich höre dich wohl, aber sehe dich nicht, weiß auch deine Mutter nicht!« Da erwiederte das Kind: »Meine Mutter hat mich daher gelegt und mit Ziegernadeln zugedeckt! Das erste hat sie ins Wasser tragen, das zweyte hat sie in Mist eingraben, mich hat sie daher gelegt und mit Ziegernadeln zugedeckt. Meine Mutter thut heut Hochzeit haben, thut einen grünen Kranz tragen, hat doch schon drey Kinder eingraben; thu dich mein erbarm, nimm mich auf dein Arm, trag mich in das Wirthshaus hin, und setz mich auf den Tisch, weil die Braut meine Mutter ist.«

So nahm der Hirt das Kind, und trug es in das Wirthshaus in den Hochzeitssaal und setzte es nackt auf den Tisch. Da fing das Kind wieder zu reden an: »Grüß Gott, grüß Gott, Ihr Hochzeitgäst, weil die Braut meine Mutter ist. Mein Brüderl hat sie ins Wasser tragen, mein Schwesterl hats in Mist vergraben, [234] Pfeifer, pfeifts auf den Dusch, es ist der Braut ihr Nagerlbusch.«

Da schwur die unnatürliche Mutter: »Wenn ich die Mutter soll seyn, so sollen alle Teufel mich holen ein!« und der Teufel kam und zerriß sie vor Aller Augen.


Eine Mutter hielt ihr Kind sehr schlecht; dieses entlief. Da suchte es die Mutter überall, ohne es zu finden; verzweifelnd verwünschte sie sich selber. Da ward sie zur Wildtaube. Noch jetzt ist ihr Ruf, wie sie dem Kinde rief: »Kumm, Kumm!« Spottet man ihres Rufens, wird man irre geführt. Gefrees.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Erster Theil. Drittes Buch. Die Mutter und ihr Kind. 12. Anhang. 2. Muttersünde. 2. Muttersünde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E14F-2