[242] §. 4. Felsen und Steine.

Die Oberpfalz birgt eine Mehrzahl von Steinen und Felsen, welche durch Gestalt, Lage und Benennung ausgezeichnet, demjenigen, der sich mit ihrer nähern Untersuchung befassen wollte, eine reiche Ausbeute in mehrfacher Beziehung versprechen. Die Namen selber, welche sie tragen, weisen auf ihre Bedeutsamkeit im Heidentume. Zweifelsohne dienten sie einst als Mittelpunkte heidnischen Götterdienstes, als Opferstätten, wo Menschenopfer fielen, zugleich aber auch als Gerichtsstätten. Zu diesem Zwecke sind die Sitze für Priester und Richter angebracht, die Mulden für den Leib der Opfer, dieGrübchen und Rinnen für Sammeln und Ablassen des Blutes. – Daß solche Denkmäler noch gar zu wenig Beachtung finden, liegt im Geiste der Zeit: sie sind eben nicht Römisch. Auch die Schwärmer für das Keltentum in Bayern halten sich von diesen harten Steinen in bescheidener Entfernung; es ist bequemer, im Zimmer an der edeln deutschen Muttersprache herumzunergeln und sie auf der Sezirtafel so lange auseinander zu renken, bis sie in Laut-Atome zerfällt, welche sie mit gleichem Fuge für Chinesisch ausgeben könnten wie für Keltisch. – Ich will vorerst nur Einiges aus verschiedenen Theilen des Landes mittheilen.

1.

Heiligenkammer, ein Mantelberg bey Unterzell mit einem hohlen Raume im Berge, der leicht acht [243] Kinder faßt. Er trägt davon den Namen, weil in ihm ein Heiligtum errichtet werden könnte, sagt man in der Gegend. Ich denke, er ist von der Thatsache benannt.

Schneiderhöhe, ein hoher Granitfels ebendort, mit hohlen Vertiefungen, in einem schönen Schwarzwalde, bey Unterzell, berüchtigt, weil es dort nicht geheuer. Unfern die Einöde: Kessel.

In der Nähe der Burgruine Lobenstein ist derHelfenstein, ein grosser Granitstein, worauf ein kleinerer ruht, und die steinerne Brück, Waizstube, Waizkammer, unterirdische hohle Räume im Steingesprenge, bis zur Hammühle sich erstreckend.

Der Mantelberg.

Der Segensberg mit den Trümmern der Burg Segensstein.

Bey Süssenbach ist der Sattelstein, ein grosser Felsen in Gestalt eines Sattels. Hier stand einst ein Schloß; es versank, als man frevelnd am Charfreytage darin tanzte. Ein gespenstisches Roß ohne Kopf soll auch die Wanderer irre führen.

In dem Drudenstein bey Kirchenrohrbach, im sogenannten Hoselberge, sieht man die Eindrücke von Händen mit den Fingern, dann von einem Gesichte mit Augen und Nase.

2.

Unfern Redwitz ist der weisse Stein; da streiten sich noch jetzt Drey um einen Schimmel.

3.

Bey Ebnat ist eine Gegend, Sackspfeife genannt, und in dem dortigen Walde ein Stein, welcher[244] den Namen Aentenfuß trägt. Hier ist es sehr unsicher, gespenstige Thiere, wie Pferde ohne Kopf, Pudel mit feurigem Rachen, Menschen ohne Kopf treiben sich herum; nur mit Angst betritt man die Stelle. Der Aentenfuß selber ist ein Granitblock, an der Strasse gelegen, von sonderbarer Gestalt, mit fremdartigen Zeichen, wie Kreuze, Dreyecke, Grübchen, Rinnen, Sternchen, überdeckt: die Andreaskreuze sollen »Sax« bedeuten. Vorne hat er einen Sitz, wie ein Kanapee, mit Buchstaben bezeichnet. Er ist uralt und ganz bemoost. Schon Viele haben sich hier das Leben genommen.

Eine halbe Stunde weit entfernt, in der Saulatsche, ist ein ähnlicher Stein, gleichfalls mit Zeichen versehen, Dudelsackstein genannt.

4.

Unweit Voitenthann, auf breiter baumloser Fläche, zwischen zwey Weihern, ist der Himmelstein, ein Granitblock, walzenförmig, zum Theil in die Erde gesunken und etwa 20 Fuß hoch noch emporragend. Oben befindet sich in der Platte am Rande eine Mulde eingeschnitten, etwa 3 Fuß lang, in der Mitte 1/2 Fuß tief, von welcher ein Ausschnitt ausgeht, groß genug, daß ein Mensch darin liegen mag. In der Mulde haben einst die Riesen ihre Suppe gekocht, in dem Ausschnitte gleich in einem Bette geschlafen. Zur Platte führen grosse Felsenblöcke wie Stufen hinauf; hier versammeln sich die Hexen in der Walburginacht; hier geht auch ein schwarzer Pudel um.

In nordwestlicher Richtung davon, aber ganz nahe, liegen drey kleine Teiche, Himmelteiche, in südwestlicher [245] dagegen ein Granitfels, das alte Pferd genannt, auf einem Hügel. Der Stein ist wie ein Kinderpferd gestaltet, oben schmal, unten breit, mit einem Fußtritt zum Hinaufsteigen: sitzt man droben, in einer Mulde, wie bey einem zugerittenen Pferde, so dienen statt der Steigbügel wieder zwey eingehauene Fußtritte; doch ist es ohne Kopf. Unter ihm liegt der Riese begraben, der auf ihm saß.

Um das alte Pferd liegen noch mehrere formlose, zum Theil mit Aushöhlungen versehene Steine, darunter einer, »das junge Pferd« genannt, auf dem der Sohn des Riesen, der kleine Riese, ritt, unter dem er begraben ist.

5.

In der Großbissendorfer Flur, bey Hohenfels, ist mitten in einem Acker ein grosses Felsenstück, welches von seiner Gestalt das steinerne Roß heißt. Die Sage meldet, daß ein geiziger Bauer nicht genug bekommen konnte, und daher Tag und Nacht arbeitete. Sein Weib aber hatte über sein stetes Ausbleiben grossen Verdruß, und stieß einmal, als er noch spät Abends mit seinem Pferde auf dem Acker arbeitete, den Fluch aus: »So wollte ich, daß sein Pferd zu Stein würde!« Der Wunsch war sogleich erfüllt. Betrübt kehrte der Bauer heim, kam aber auf andere Gedanken und legte seinen Geiz ab.

6.

Westlich von Geroldsee bey Velburg befindet sich ein Berg, mit Holz bewachsen, der »Himmel« genannt, in welchen ein kesselförmiges Thal hinabgeht, die Hölle. Es wohnt eine einzige Familie darin, man sagt, sie [246] stamme von Zigeunern ab; ihr Aeusseres ist jedenfalls fremdartig, dunkelgefärbt, mit fetten, schwarzen, wolligen Haaren, dicken Nasen und Lippen. – »In der Höll« ist häufig Benennung von wilden Wald- und Felsengegenden in der Oberpfalz. – Eine Hölle findet sich auch am Hohenbogen, und das Himmelreich am nahen Reitersberge.

7.

Nicht selten findet man Felsenblöcke, welche, meist einzeln stehend, noch Eindrücke bewahren, von Christus dem Herrn, aus der Zeit, da er noch auf der Erde wandelte, wie in einem Walde bey Höll an einsamer Stelle ein Stein, mit den Spuren von zwey Knien, weil Unser Herr hier gekniet und gebetet haben soll; ferner bey Röslau hinter Wunsiedel jener Stein, der die Merkmale eines Leibes und zweyer Füsse trägt, davon, daß Unser lieber Herr einmal da geruht hat, mit der Eigentümlichkeit, daß die Fußspur Jedem paßt, der sich hineinstellt, – oder, und das trifft sich am öftesten, vom Teufel, worüber in nachstehendem Paragraphen das Nähere.

8.

Im Schwarzenberge, einem Bergwalde bey Stockenfels, ist der Judenstein, wo der ewige Jude umgehen soll.

9.

Auffalend ist die Menge der Berge, welche den Namen »Schwarzenberg« führen: sie finden sich überall in der Oberpfalz, wie denn auch gar viele Wasser und Ortschaften mit »Schwarz« zusammengesetzt sind.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 4. Felsen und Steine. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E159-A