§. 13. Der Hirt und die Riesen.

Ein Bauer hatte einen Sohn, der war groß und stark, schickte sich aber nicht recht zu Pflug und Wagen. Da brachte er ihn zu einem Schmid in die Lehre, da könne er das harte Eisen schlagen. Der Junge schlug aber gleich das erstemal so gewaltig auf den Ambos, daß das Horn wegflog. »Weißt was,« sagte der Meister, »du schlägst mir gar ein wenig zu grob drein; für dich wüßte ich einen anderen Platz, droben auf dem Berge beym Grafen, der braucht starke Leute wider die Riesen, welche seine Heerden plagen. Hai, da hast du ein altes Schwert, dort kannst du es brauchen.«

[275] Der Bube ging auf's Schloß und ließ sich dingen als Viehhirt, und trieb sogleich aus auf einen Berg. Als er es sich kaum versah, stand ein Riese da, und wollte auf Vieh und Hirten einhauen. Der Hirt aber rannte auf ihn zu, und schlug ihm mit seinem rostigen Schwerte beyde Hände ab. Da heulte der Riese wie ein Wetterhorn, fiel dem Hirten zu Füssen, und flehte: »Dein Knecht will ich seyn, dein Vieh will ich hüten, stets will ich dir helfen, wenn du mir meine Hände wieder ganz machst.« »Daß du aber auch Wort hältst,« sagte der Hirt! »Ein Riese lügt nie,« erwiederte dieser, und der Hirt schlug rückwärts mit seinem Schwerte, und der Riese hatte seine Hände wieder.

Der Hirt trieb heim und wieder aus und kam in ein Thal weit hinein. Kaum war er da, so lief das Vieh zusammen und brüllte, und ein Riese, grösser als der gestrige, lief hinterher. Der Hirt lachte sich in die Faust und richtete sein Schwert her. »Was willst du hier,« brüllte der Riese, »in meinem Gehege!« »Du trauriger Wicht,« entgegnete der Hirt, »mach', daß du weiter kommst, sonst ergeht es dir, wie gestern deinem Gesellen!« Da wollte der Riese auf den Hirten los, der aber zuckte sein Schwert, und schlug dem Riesen die Arme weg, wie Nichts. Der sang dasselbe Lied, wie der gestrige, und erhielt seine Arme.

Der Hirt trieb heim und wieder aus, und kam in eine andere Gegend, in einen tiefen, finsteren Wald. Schon meynte er, heute ohne Strauß durchzukommen. Aber plötzlich kam ein Riese, so groß wie ein Tannenbaum: [276] der trappte daher und hätte das Vieh zertreten wie Flöhe. »Lümmel,« schrie ihm der Hirt zu, »reiß aus oder ich lasse dich auf den Knieen tanzen!« Da beugte der Riese sein Haupt und sah herunter und brummte: »Gibt es da auch Frösche? wart, die fresse ich erst gerne.« »Halt!« schrie auch der Hirt, »ich will dir eine Brühe dazu richten,« und schlug mit seinem Schwerte darein wie ein Holzhauer, und fällte den Riesen, daß er ohne Beine lag. Der Riese bat jetzt um schön Wetter und ward, wie die Anderen, mit dem Hirten gut Freund.

Der Hirt trieb heim, und schon wartete seiner, gnädigen Blickes, der Graf. »Mir scheint es,« sprach er, »du kannst mehr als schwarzes Brod essen; so wie du, hat mir noch Keiner die Heerde heimgebracht. Ich will dir was sagen. Unser Land verwüstet ein Lindwurm mit neun Köpfen; er will nicht eher ablassen von seinem Gräuel, als bis ihm der König seine Tochter zur Speise gibt. Wer den Drachen erlegt, erhält von ihm Reich und Tochter zum Lohne.«

Der Hirt nahm also Abschied vom Grafen und ging zum Riesen mit der Hand, und sagte ihm, er solle einstweilen für ihn seine Heerde hüten, vorerst aber eine Rüstung und ein weisses Roß bringen. Der Riese gehorchte und der Hirt ritt von dannen. Da kam er zu einem Gerüste, das war errichtet, um die Prinzessin darauf zu stellen, wenn der Drache käme, sie zu holen. Dieser kam auch in Dampf und Rauch wie ein Backofen heran, und der Hirt sprang auf das Gerüste, und [277] war kaum oben, als das Unthier schon nach ihm schnappte. Doch mit einem Streiche schlug er diesem drey Köpfe ab, und schnitt sich die drey Zungen aus dem Rachen und steckte sie zu sich. Der Drache entwich heulend und der Hirt stieg auf sein Roß und sprengte davon in solcher Eile, daß die Rüstung barst und der Gaul erlag.

Des anderen Tages ging der Hirt zum zweyten Riesen und verlangte den Dienst und eine andere Rüstung und ein braunes Roß – und wieder trabte er auf den Kampfplatz. Der Drache kam, der Hirt harrte schon seiner und schlug ihm drey andere Köpfe ab und steckte die Zungen zu sich: rechtshin entwich der Drache, links der Hirt so spornstreichs, daß die Rüstung barst und der Gaul tod niederfiel.

Am nächsten Morgen ging der Hirt zum dritten Riesen und verlangte den Dienst, und erhielt eine goldene Rüstung und einen Rappen. So ritt er davon auf den Kampfplatz; doch ließ der Drache heute den ganzen Tag auf sich warten; erst Abends schoß er, wüthend von Schmerz, heran, und bäumte sich und schlug das Gerüste in Trümmer. Zu gleicher Zeit mit den Balken flogen aber auch die letzten drey Köpfe von seinem Rumpfe und der Hirt nahm die Zungen und ritt heim. Ein Hoflackey aber kam, und nahm die neun Köpfe mit sich.

Der Hirt hütete nun wieder seine Heerde: es war Ruhe im Lande. Auf der Strasse aber wurde es lebendig. Ein Zug Ritter um den anderen, in vollem[278] Schmucke, zog heran, er wußte nicht warum. Und als er heimwärts trieb, kommt auch sein Graf des Weges mit stattlichem Gefolge und rief ihm zu: »Wärst du weniger dumm und faul, als du stark bist, könntest du jetzt mein Gebieter seyn!« Der Hirt verstand den Sinn der Worte nicht, und lief zu seinen Riesen, sie zu fragen. Diese sagten ihm, daß die Königstochter, welche er vom Drachen befreyt hatte, dieser Tage Hochzeit halte. Er soll nur auch hingehen, sie würden getreulich der Heerden warten.

»Der Teufel mag die Heerden hüten,« rief der Hirt. »Auf! und rüstet mich und euch: wenn sonst zu Nichts, zu Musikanten kann man uns dort wohl noch brauchen.« Die Riesen gingen nun zu Fuß neben ihm her, denn kein Roß ist stark genug, auch nur ein Riesenkind zu tragen. Der Hirt aber saß im schönen Wammes und Zeug auf einem hohen Rappen und fort ging es zur Königsburg. Der Einlaß hielt aber gar schwer, denn der Bräutigam, ein Herr von Hof, hatte befohlen, nur Vertrauten und Herren, nicht aber Unbekannten und Abenteuerern, die Thore zu öffnen. – Im Burgsaale aber saß der König auf seinem Throne, zur Seite die Prinzessin, ringsum die Herren und Vasallen ohne Zahl. Da öffneten sich die Flügelthüren und neun Pagen trugen auf neun goldenen Schüsseln die neun Häupter des erschlagenen Drachen, und der Herold blies in die Trompete und rief aus: »Wer das Schwert gegen den Drachen gezückt, trete vor, und empfange des Königs Dank mit der Hand der Prinzessin!« Geschmückt wie ein Prinz [279] trat ein Hoflackey hervor aus der Menge und kniete sich nieder vor dem Throne und sprach gebeugten Hauptes: »Mein ist der Lohn, denn mein sind die neun Drachenköpfe,« – und der König führte ihm seine Tochter zu und ließ ihm huldigen.

Aber schon krachte das Burgthor, von den drey Riesen zerbrochen, Treppen und Gänge zitterten unter ihren Füssen, es flogen die Thüren des Saales auf, und herein trat der Hirt, hinter sich die Riesen, und frug, wer der sey, der ihm die Drachenköpfe gestohlen. Der Lackey trat vor. Da höhnte ihn der Hirt und sprach: »Wohl habe ich die Köpfe weggeworfen gleich tauben Nüssen; hier sind die Zungen, seht zu, ob sie den Köpfen passen!« Und es fand sich so und der Hirt wurde der Gemahl der Prinzessin und der Herr des Landes; der freche Lackey aber von vier Pferden zerrissen. Neuenhammer.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 2. Erdriesen. 13. Der Hirt und die Riesen. 13. Der Hirt und die Riesen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E30C-8