§. 10. Schätze.

Die edlen Metalle, besonders die gemünzten, welche sich bereits im Verkehre der Menschen befanden, aber durch Zufall oder mit Absicht demselben entzogen und unter die Erde gerathen sind, so daß der Mensch kein Wissen mehr darum hat, können nicht ruhen und wollen wieder in den Besitz der Menschen gelangen. Ein solcher Schatz senkt sich neun Klafter tief und steigt dann alle sieben Jahre einen Fuß hoch zur Oberfläche empor. Wenn oben angekommen, gibt er von seinem Daseyn durch ein über der Stelle schwebendes bläuliches Lichtchen Zeugniß. Dann heißt es:der Schatz blüht – und ist reif zum Heben. Wird er nicht oder unrecht gehoben, so sinkt er wieder. Neuenhammer.

Diese Lichtchen sieht man gewöhnlich auf offenem Felde, in Kellern, aus hohlen Bäumen brennen. – [259] Aber nicht bloß hierin, sondern auf vielerley Weise gibt sich der Schatz dem menschlichen Auge kund, häufig als glühende Kohlen, oft aber auch in ganz unscheinbarer Gestalt. – So gingen Kinder aus Velburg in's Aehrenlesen: eines derselben kam aufEyerschalen, stieß daran und verspürte einen gewissen Schmerz im Fusse. Zu Hause angekommen, hatte es ein Goldstück unter dem Nagel der grossen Zehe. – Wenn man am Wege bey Sonnenschein auf schöne gelbe Erbsen, Arbes, stößt, sind sie lauter Gold: der Schatz sümmert, sommert sich da ab. Velburg. – Eine aus Tiefenbach ging in die Schwämme und fand auf einem freyen Platze eine Menge Maueracherln und zugleich einen neuen Thaler. Sie grub ihn heraus und warf dabey einige Morcheln um. Als sie wieder an diese Stelle kam, lagen so viele neue Thaler da, als sie früher Morcheln umgestossen hatte. Die andern waren verschwunden. – Ein Student hatte in einer Burgruine die schönsten blauen Zwetschen, noch bethaut, auf dem Boden gefunden; sie verwandelten sich in seiner Tasche in Thaler. Neukirchen B. – Eine von Eslarn ging am Weihnachtstage, eine Kürm auf dem Rücken, durch den Wald nach Hause. Da bemerkte sie einen Haufen Moos auf dem Schnee, ging hin, stürte herum und fand ein grosses Hummelnest. Sie nahm es in ihre Kürm, um es ihren Kindern heimzutragen; da nahte sich ihr ein kleines Männchen, grün gekleidet, und frug sie, was sie hier thue, und ließ sich das Nest im Korbe zeigen. Sogleich fing er an, Alles herauszuräumen; [260] mit dem Schlage zwölf verschwand es. Da fürchtete sich das Weib und machte, daß sie heimkam. Im Korbe lag ein neues Silberstück. Der Zwerg hatte ihr einen Hummel darin gelassen, als ihn der Schlag der Glocke überraschte.

Wer einen Schatz findet, muß sogleich das Kreuz darüber machen, oder ein Stück seiner Kleidung, einen Rosenkranz oder Brosamen darauf werfen, damit er sich nicht mehr wegziehen könne. Es ist die Handlung des Besitzergreifens. Von dem Augenblicke an, wo er ihn findet, darf er nicht umschauen und nicht reden, bis er ihn gehoben hat; sonst greift er in einen Haufen Koth, oder der Schatz verschwindet ohne alle Spur. Auch thut man gut, ehe man hebt oder gräbt, den rechten Schuh auszuziehen und hinzustellen. – Den gehobenen Schatz muß man Jahr und Tag bewahren, ohne ihn anzurühren, sonst wird man krank. Gefrees. Beym Heben des Schatzes hat der Mensch vielerley Prüfungen auszustehen: es zeigt sich als Hüter ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen und glühender Zunge, der ihn schreckt, daß er sich nicht hinzugehen traut, oder es entsteht solcher Lärm, als wenn Alles zusammenbrechen wollte, damit er in Furcht enteile; oder er hört Stimmen, welche ihn warnen, bedrohen, abrufen. Auch hier hört man den Ruf, wie bey der Kindbetterin: »Kafts koiñ Bandla?« – So entleerte der Student, welcher die Zwetschen fand, seine Taschen auf den Ruf einer Stimme: »Lasse sie liegen, wirf sie weg!« bis auf zwey Stücke, die er ohne Absicht behalten hatte. – Eine [261] Frau von Ebnat sah im Winter auf dem Wege ein Säckchen Roßzwiebel oder Roßkäfer, die einen schon heraussen, die andern drinnen sich emsig rührend, und doch war es zugebunden; sie stieß mit dem Fusse daran. Da ward ein Wind, der ihr das Gesicht benahm. Als sie den Rückweg vorbeykam, kamen Reiter und Männer mit schrecklichem Lärmen daher, es ward Nacht um sie; voll Angst und Schrecken verließ sie den Platz. – Wieder dort fanden Mehrere nach einander steinkohlenartige Stänglein, glühend und klingend, ganz schön aufgekastelt; die einen vertrieb die Furcht, die andern stinkender Wind. – Ein Weib aus Fronau fand am Wege glänzende Schwämmchen; sie gedachte, selbe zu pflücken, wurde aber durch sonderbares Peitschen und Knallen vertrieben. – Eine Dirn bey Tiefenbach sollte Mist breiten und fand einen Misthaufen, der war nicht, wie die andern, drauf einen neuen Kronenthaler, den nahm sie und eilte heim, vom Funde zu erzählen. Wie sie mit den andern wieder hinauskam, war Haufen und Geld verschwunden. – Wie bey den Mahlzeiten der Hexen die Speisen zu Koth werden, wandelt sich hier Mist in Gold und umgekehrt. Tiefe Moral liegt in diesen Anschauungen. – Bey Besprechung der Burgen wird des Weiteren von den Schätzen die Rede seyn.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 1. Berge. 10. Schätze. 10. Schätze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E51C-3