[262] II. Erdriesen.

[270] §. 12. Der grosse Hans.

Ein Bauer hatte zwey Söhne. Als er den letzten erhielt, sagte er zum Weibe: »Laß ihn sieben Jahre saugen, den Hans!« Es geschah so, und als die Zeit um war, sendete der Vater den Hans aus, in den Wald, einen Baum auszureissen und heimzubringen. Der Bube ging hinaus und brachte einen Baum heim: der war dem Bauer aber zu klein und die Mutter mußte ihn daher noch sieben Jahre an der Brust haben. Nach dieser Zeit sandte er den Hans wieder aus und der starke Bube brachte einen Sägbaum und der war recht. Da sagte der Bauer zum Weibe: »Jetzt mußt du ihn herabthun.«

Darauf spannt er seine zwey Söhne an den Pflug zum Ackern. Der Hans aber zog immer vor, weil er stark war, und stieß endlich voll Ungeduld seinen Bruder ganz hinweg, weil dieser immer hinten blieb; lieber zog er allein am Pfluge. Zur selben Zeit fuhr ein reicher Herr des Weges: der sieht den Hans und fragt sogleich den Bauer, ob der Bube ihm nicht feil wäre. Der Bauer aber wußte nicht, was er dafür bekäme. So bot ihm der Herr seine zwey Rosse vom Wagen und einen Sack voll Geld. Der Bauer war zufrieden, wenn es auch dem Hans recht wäre. Dem Hans war es recht, und der Herr spannt ihn sogleich vor den Wagen. Dann frägt er ihn, wie er heisse, Hans oder Hansl. Der Hans aber sagte drauf, »es sey gleich, [271] er höre überall.« Wieder frägt der Herr, »ob er laufen könne.« Der Hans erwiederte: »ein wenig,« und der Herr befiehlt ihm: »so lauf!« Da lauft der Hans und lauft immer stärker. Der Herr aber kriegt Angst und ruft ihm zu: »Hansl, stad!« Der Hansl geht aber immer geschwinder und hört nicht auf seinen Herrn, der ihn zurückhalten will, weil sonst Alles hin wäre, und bald fliegt ein Rad, dann das andere, dann der Kasten, und der Hans geht nur mehr vor den zwey Rädern, zuletzt an der Deichsel allein. So mußte der Herr ihm nachlaufen, der Hans aber war lange zur Stelle, als er ankam. Die Frau ging ihrem Manne jammernd entgegen, und zankte, daß er wieder einmal einen feinen Knecht eingestellt habe.

Auf Morgen befahl der Herr dem Hans, mit zwey Rossen in's Holz zu fahren. Aber alle Knechte waren am Morgen schon aus, nur der Hans blieb liegen und wollte auch nicht aufstehen, bis man ihm einen Höhlhafen voll Knödeln brachte. Die verzehrte er, den letzten wie den ersten, und fuhr dann aus. Auf dem Wege sieht er die anderen Knechte schon heimwärts ziehen mit den holzbeladenen Wägen. Da kam er in einen Hohlweg und das war ihm recht: denn er verrichtete seine Rothdurft ungesehen, aber so stark, daß die Knechte, als sie hinkamen, stecken blieben. Hans fährt nun ein, holt die Klafter Holz, und zieht wieder heimwärts. Im Hohlwege aber können seine Rosse nicht durch, so arg er auch antreibt. Voll Zorn schlägt er den einen Gaul nieder, und weil der zweyte jetzt noch weniger den Wagen [272] hinüberbringen kann, auch diesen und wirft das Aas auf den Wagen hinauf und zieht nun selber. Es waren aber Wölfe in der Gegend zu Hause und einer kam herangesprungen, um das Aas herabzureissen. Doch Hans schlägt den Wolf tod und wirft auch ihn auf den Wagen und bringt den Wagen allein heim. Da zankte die Frau noch mehr wie gestern mit dem Manne über den dummen Knecht, und ruhte nicht eher, als bis er versprach, den Hans fortzuthun.

Der aber sagte zum Hans: »Weißt was, Hans, ich gehe in's Wirthshaus zum Wein; wenn es Abend wird, kommst du und leuchtest mir mit der grossen Laterne heim.« Als es nun gegen die Nacht zuging, zündete der Hans den Stadel an. Das Feuer gab grossen Schein und der Herr kam in Angst gelaufen. Weidlich wurde Hans ausgescholten über diesen neuen Streich: der aber entgegnete ruhig, er habe den Befehl des Herrn getreulich vollzogen; die Scheuer sey ja die grosse Laterne gewesen und hätte dem Herrn recht gut geleuchtet, weil er so schnell habe laufen können. – Nun wollte die Frau gar Nichts mehr von Hans wissen. Am Hause war ein tiefer Brunnen, der, lange nicht gebraucht, ohne Wasser stand. Diesen sollte Hans reinigen und während er unten wäre, könnte man ihn tod werfen. Hans stieg wirklich in den Brunnen, wie es der Herr befahl. Die oben geblieben waren, warfen ihm grosse Steine nach; aber der Hans rief herauf: »Da müssen Hennen oben seyn, die scharren und kratzen Sand herunter.« Nun warfen sie einen grossen Mühlstein hinab: der fiel gerade [273] so, daß er dem Hans als Halskrause diente. Dieser machte seine Arbeit fertig und stieg unverletzt herauf.

Nun dieses nicht verhalf, sendeten sie ihn auf eine Mühle, wo es Niemanden litt; dort sollte er mahlen. Als es Mitternacht schlug, klopfte es. »Herein!« ruft Hans. Da kommen ihrer zwölf, Einer um den Anderen, und setzen sich an den Tisch und fangen zu karten an. Hans geht hin und schaut zu, und sieht, wie sie sich im Spiele betrügen; nicht faul nimmt er einen von ihnen bey der Mitte und trägt ihn in die Mühle hinunter und nimmt das obere Zeug herab und schleift dem Geiste den halben Hintern zu. So trägt er ihn wieder hinauf und setzt ihn wieder hin. Wie das die anderen sahen, liefen sie Alle fort, der mit dem halben Hintern hintendrein. Am Morgen aber bringt der Hans sein Mehl richtig heim.

In Verzweiflung, daß sie seiner nicht loskommen können, schicken sie ihn zur Hölle: er solle dort ein Achtel Geld, das die Teufel schuldig wären, holen. Der Hans geht zur Hölle und verlangt für seinen Herrn das Geld. Die Teufel aber weigerten sich dessen, und stritten sich lange herum, bis der mit dem halben Hintern herangelaufen kam und den Anderen abbot: mit diesem sey nichts zu machen. So ging Hans mit dem Gelde heim. Ein pfenziger Teufel aber konnte es nicht verwinden, daß der Hans mit dem Gelde fortging, und lief ihm nach, und hielt ihn auf dem Wege an und sagte: »Hier habe ich einen Sack voll Geld; wollen wir wetten; wer auf meinemHöllhorn am stärksten blasen [274] kann, dem soll Alles, was dein und mein ist, gehören.« Dem Hans war dieß recht. Da blies der Teufel in das Höllhorn, daß die ganze Welt erzitterte. »Tropf du!« sagte Hans, »kannst du's nicht besser? Gib her das Hörnl, aber laß mich's erst mit einer Wied roitteln, daß es nicht zerreißt, wenn ich blase.« Da ward dem Teufel bange. »Halt!« schrie er, »das gilt nicht, ohne Horn dürft' ich ja gar nicht mehr in die Hölle hinein!« Er lief mit dem Horn davon und ließ dem Hansen das Geld.

Der Hans trägt nun das Geld heim zur Frau; die aber schickt ihn fort zu seinem Vater mit sammt dem Gelde, damit er nur ging. – Und so war der grosse Hans wieder zu Hause. Oberbernried.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 2. Erdriesen. 12. Der grosse Hans. 12. Der grosse Hans. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E6FE-0