§. 12. Die Hexe.

I. Wesen der Hexe.

Hexen find gottlose Weiber, welche mit dem Teufel gegen Verschreibung ihrer armen Seelen in Bund treten, um mit dessen Hilfe dem Nächsten zu ihrem Vortheile oder auch blos aus Rache und Bosheit zu schaden.

Dieser Schaden trifft vorzüglich das Zug- und Nutzvieh, und darunter vorzugsweise die Kühe, welchen sie den Nutzen oder die Milch nehmen.

Wenn auch überhaupt im Jahre, so schaden sie doch am meisten in den Vorabenden heiliger Zeiten, durchweg in den Losnächten, und unter diesen besonders in der Walburginacht.

Sie fügen aber auch dem Menschen unsichtbarer Weise an dessen Leibe Schaden zu; nach dem Glauben des Volkes sind viele Krankheiten, insbesondere solche, deren Ursache man nicht auffindet, dem Zauber der Hexen zuzuschreiben.

[363] Durch die Vielseitigkeit ihres bösen Wirkens, und die hiebey waltende böse Absicht, so wie durch das vorhergehende Eingehen des Bündnisses mit dem Teufel, unterscheiden sie sich von den Druden.

So vielseitig ihr Wirken, ebenso vielseitig ist auch das Bestreben, dieses Wirken zu vereiteln, von Seite des Landvolkes; zahllos sind die Mittel gegen den Zauber der Hexen.

Unglaublich ist aber die Verkehrtheit, womit das Landvolk jetzt noch darauf besteht, daß Unglück, welches sie trifft, ihnen von der Hexe angethan sey; es ist ja so bequem, den Grund des Mißlingens oder eines Unfalles nicht in eigenem Verschulden, sondern auswärts zu suchen.

Wenn nun das Volk jetzt noch so zäh an seinem Hexenglauben hängt, so kann man einen Schluß ziehen, in welcher Blüthe dieser Aberglaube in früheren Zeiten wucherte. Er muß sich wahrhaftig zu einer ansteckenden Krankheit ausgebildet haben, wenn wir sehen, mit welcher blutgierigen Wuth man Hunderttausende armer Geschöpfe oft auf nichtsnutzigen Verdacht hin, daß sie Hexen seyn könnten, dem grauenvollen Feuertode überlieferte; wenn man alle scheußlichen Martern und Qualen an sie legte, bis sie in Verzweiflung dem folternden Richter auf seine Fragen ein Ja zuächzten, nur um im Feuertode Erlösung von der Folterpein zu gewinnen. Man erstarrt vor der teuflischen Verkehrtheit, welche sich nicht begnügte, den Tod über diese unglücklichen Geschöpfe zu verhängen, sondern in dem letzten Augenblicke noch,[364] während des Verscheidens, höllische Qualen sie fühlen ließ. Gräßlicher Wahnsinn der Menschheit oben und unten! Was bedarf es noch böser Künste, um sich gegenseitig zu schaden! Menschen wüthen schon auf dem Wege der Ordnung gegeneinander, wie wilde Bestien gegen ihre Feinde. Welch ein entsetzlicher Abgrund liegt in des Menschen Natur verborgen, daß er so grauenvolle Marter gegen schwache Weiber ersinnt und verhängt, und welcher Wahnsinn, sie in Form Rechtens anzuwenden! Noch jetzt erfüllen mich die Martern, von denen ich im sogenannten Bauernschreger vor Jahr und Tag gelesen, daß sie zu München eine Hexe und ihre Kinder zu Tode peinigten, mit eisigem Entsetzen. Wahrlich, wir haben nicht Ursache, die Heiden ihrer Grausamkeit gegen Feinde zu beschuldigen, wir, denen die Religion der Liebe geprediget worden ist. Dieses gilt sowohl von Protestanten wie Katholiken, beyde wetteiferten darin, die größte Zahl der Schlachtopfer aufzuweisen, bis der menschlichfühlende Jesuit Spee am Rhein um 1631, und nach ihm der gelehrte Protestant Thomasius zu Leipzig im Anfang des vorigen Jahrhunderts ihre Stimme öffentlich gegen dieses schreckliche Unwesen erhoben.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Erster Theil. Fünftes Buch. Die Thiere des Hauses. 12. Die Hexe. 1. Wesen der Hexe. 1. Wesen der Hexe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E8CD-A