22.

Der Graf und die Gräfin von Natternberg fuhren alle Samstage und Sonntage auf die Jagd und schonten nicht der Fluren des Landvolkes. Da wollte sie einmal der Teufel mit sammt dem Berge und dem Schlosse darauf, in dem sie wohnten, in die Donau werfen: er lud Alles auf einen Schubkarren und führte es dem Strome zu, als man in Deggendorf läutete; da mußte er weichen. Seitdem steht der Natternberg mit seinem Schlößchen hart an der Donau, und sieht man noch jetzt unten am Berge die beyden Schubkarrenbäume hervorstehen. Das gräfliche Ehepaar aber muß nach seinem Tode zur Strafe für sein wildes Jagen jede Woche in der Samstag- und Sonntagnacht als Nachtgload fahren. Sie sitzen in einem Wagen, mit vier Rappen bespannt, eine Meute Hunde voran, welche feurige Zungen ausstrecken und winselnd heulen. Der Zug geht immer denselben Weg, niemals zurück, von einem Holze bey Pfatter hinter Wolfersdorf hinum wieder in's Holz. Früher fuhr das Geisterpaar auch über des Pfarrers Aecker und am Morgen sah man die Strasse in der Furche. Das verdroß den Herrn, und er ging einmal hinaus und stellte das nachtfahrende Paar und befrug es, warum sie nicht auch wie andere [160] ehrliche Leute auf der Landstrasse oder im Hohlwege blieben, und verbot ihnen das Abweichen vom Wege. Da bekannte der Graf, ein grosser, schwarzer, bartiger Mann, was er im Leben verbrochen und wie er bis zum jüngsten Tage so fahren müsse.

Es ist noch nicht fünfzehn Jahre, daß ein Knecht bey dem Bauer in Wolfersdorf, hinter dessen Hof das Nachtgload regelmässig vorbeyging, Nachts vor die Thüre hinaus mußte. Er hatte bisher ein kaltes Leben geführt. Da nahm ihn das Nachtgload mit. Auf dem Wege ging es über einen alten hohen Wald. Da sagte der Graf zu ihm: »Heb die Füsse auf, denn hier ist gar hoch geschnitten.« So wurde er in ein weites warmes Land geführt, wo er schwarze Leute traf, welche Schnäbel hatten und eine Sprache redeten, die er nicht verstand. Er kannte sich nur in der Sonne aus, und ging ihr nach und kam im zweyten Jahre heim.

Bey demselben Bauer hatten sie auch einen schwarzen Hund; den nahm das Nachtgload jedesmal mit, und am Morgen kam er halb zu Tode gehetzt wieder auf den Hof. Man sperrte ihn oft ein: dann erhob er aber Nachts ein solches Heulen, daß man ihn gerne laufen ließ.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 22. [Der Graf und die Gräfin von Natternberg fuhren alle Samstage und]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E98C-3