17.

Ein Ritter fand auf der Jagd im Walde einen Knaben, der ganz verlassen unter einem Baume saß. Er nahm ihn mit heim, weil ihm seine Schönheit gefiel und ließ ihn auf seiner Burg heranwachsen. Doch der Bube lernte nichts und wollte auch keine knechtische Arbeit thun, obwohl er groß und kräftig geworden war. Das verdroß den Edelmann, und einmal im Zorn ließ er den Burschen kommen und trug ihm auf, den grossen Holzstoß im Burghofe klein zu spalten oder das Schloß zu verlassen. Der Junge aber setzte sich auf den Holzstoß und tändelte mit der Axt. Da öffnete sich ein Fenster der Burg und das schöne Burgfräulein, die Pflegetochter des kinderlosen Grafen, welche schon lange die schöne Gestalt und das furchtlose Wesen des jungen Knechtes angezogen hatte, rief bittend herunter, er möge doch dem Befehle gehorchen, sonst müsse er ja fort aus ihrer Nähe.

Da sprang der Knecht hurtig herab und schwang[371] seine Axt und schlug und hieb sich in das Bein. Das Fräulein aber hatte es gesehen und eilte hinab und verband ihm die Wunde.

Nun wollte der Junge noch weniger seiner Arbeit pflegen, und damit ihm der verhaßte Holzstoß aus den Augen käme, nahm er zwey Hölzer, rieb sie so gewaltig gegeneinander, daß sie in Brand geriethen, und wollte damit den Holzstoß anzünden. Aber plötzlich kroch ein Holzfräulein daraus hervor und frug ihn, was er wolle. Er meldete ihr sein Anliegen, daß er wie ein Knecht arbeiten solle, aber nicht möge, und sie bot ihm ihre Hilfe an, wenn er thun würde, was sie ihn heisse. Er sagte es zu. Ueber Nacht entstand Lärm im Zwinger, und als man am Morgen hinabsah, war alles Holz klein gespalten. Da stieg auch der Ritter hinunter, den Knecht seines Fleisses zu loben; dieser aber hatte schnell nach den Worten des Holzfräuleins ein kleines Feuerchen angemacht, und als der Edelmann herantrat, sprang das Weiblein in die Flamme. In diesem Augenblicke stand ein schönes junges Weib dem Ritter vor Augen; es war das Waldweib, das er einst gefreyt hatte. »Der Knecht ist dein und mein Kind!« rief sie dem Erstaunten zu, und verschwand. Da nahm er den Jungen zu sich und behielt ihn für seinen Sohn, und ließ ihn nach Ritterart erziehen, und als dieser siegreich aus mehreren Fehden heimkehrte, gab er ihm auch noch die Pflegetochter zum Weibe und die Burg zur Aussteuer. Neuenhammer.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 4. Wald. 34. Sagen. 17. [Ein Ritter fand auf der Jagd im Walde einen Knaben, der ganz verlassen]. 17. [Ein Ritter fand auf der Jagd im Walde einen Knaben, der ganz verlassen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EBBF-0