§. 19. Sympathie.

Sympathie ist Geheimmittel gegen Krankheit: es wird in geheimnißvoller Weise angewendet und wirkt[229] ebenso geheim. Wer sich ihrer bedient, muß es daher ungeredter und ungesehener, vor oder nach der Sonne, im abnehmenden Monde thun und darf dann über kein fliessendes Wasser gehen. Durch Sympathie heilen, besonders unter Zuziehung des Hirten, heißt böyßn oder büssen, ahd. puozan, gut oder heil machen.

Die leichteste Art der Sympathie ist das Verbeten, welches nur Eingeweihte, wie Schäfer und Schinder, am besten verstehen. Der Kranke, der in der Regel steif und fest daranglaubt und Jeden scheel ansieht, der zweifeln möchte, hat dabey gewisse Gebete zu U.L. Herrn, oder zu U.L. Frauen oder sonst einem Heiligen, oder für die Armen Seelen täglich oder zu gewissen Zeiten zu beten, und dabey fest auf das Gebet zu vertrauen; der kluge Mann aber oder die kluge Frau, welche dafür können und gewöhnlich die leidende Stelle zuvor begränzen und bekreuzen, haben einen gewissen Spruch oder Segen mit kennbarem Stab- oder Sylbenreim, der in mystisches Dunkel gehüllt ist: es kommen dabey Namen vor, die nichts weniger als heilig lauten, und was der Künstler oder die Künstlerin zu Hause noch für Gebete zu spechen sich vorbehalten, darüber gelangt Nichts in die Oeffentlichkeit, weil diese Leute nicht gerne ihre Sprüche offenbaren, um nicht mit deren Kundgabe die Kraft zu verlieren, durch sie zu wirken. Es ist das heidnischeBesprechen der Krankheit und der Spruch, der dazu dient, aus dem Heidentum herübergenommen und um nicht Anstoß zu erregen, in christliches Gewand verkleidet. Diese Art der Heilkunst gilt insbesondere [230] gegen Gicht, Schwinden und Wurm und findet am ersten Mittwoch oder Freytage im abnehmenden Monde, je nach der Krankheit, also an den Tagen des Wodan und der Freyja statt. Bärnau. Eine berühmte kluge Frau war das sogenannte Gichtweiblein von Karlstein bey Regenstauf; sie wurde überall her zum Verbeten der Gicht geholt.

Ein anderes Mittel besteht im Vergraben der Krankheit; es kommt gleichfalls sehr häufig zur Anwendung und besteht darin, daß man Etwas von seinem Leibe, vorzugsweise Harn, oder eine Sache, die man mit dem leidenden Theile in Berührung gebracht hat, in die Erde vergräbt und künftig diese Stelle meidet. Je eher das vergrabene Stück vernichtet wird, je eher schwindet die Krankheit. Man liebt es daher, unter die Dachtraufe zu vergraben, weil die Feuchte die Fäulniß befördert oder in einen Ameisenhaufen, damit es die Ameisen verzehren. Es gibt 72 Arten von Gicht und Wurm, welche so vergraben werden. Wer aber diese vergrabenen Sachen findet, erbt damit die vergrabene Krankheit. Bärnau.

Zu gleichem Zwecke dient das Versenken inWasser, welches die Krankheit mit fortführt, wenn nicht Fische oder andere Wasserthiere den betreffenden Gegenstand zuerst verzehren. Dieses Versenken trifft gewöhnlich das Amulet, ein Kräuterbüschchen, welches der Kranke einige Zeit am Leibe, auf Rücken oder Brust, tragen mußte: nach Umlauf der Frist wirft er es rücklings, ungesehen und unberedet, in fliessendes Wasser.

[231] Wieder eine andere Art ist das Verschreiben, indem der kluge Mann dem Kranken einen Zettel, den er mit geheimnißvollen Sprüchen beschrieben hat, zum Anhängen gibt: nach abgelaufener Frist wird dieser Zettel an einen Baum gehängt. Indessen enthält diese Schrift meist Ungebührliches. So kehrten zwey Studenten bey einer Bäuerin ein und baten um Milch. Dafür gaben sie ihr einen beschriebenen Zettel zum Anhängen gegen ihr Augenleiden und es half. Sie trat ihn später der Nachbarin, die an gleichem Uebel litt, ab; diese aber stach der Fürwitz, sie öffnete den Zettel, obwohl sie wußte, daß es verboten war und las die Worte: »Der Teufel reisse dir die Augen aus und fülle die Lücken mit Koth!« – Wieder schrieb ein Bauer seinem Knechte, der beym Raufen immer schlecht wegkam, einen geheimnißvollen Zettel zum Anhängen. Von nun an war der Knecht unbesiegbar: er wollte aber den Segen, der so stark wirkte, kenen und las die einfachen Worte: »Hundsf ... wehre dich!« Waldthurn.

Aber auch übertragen wird die Krankheit auflebende Organismen, Pflanzen, Thiere und Menschen, indem man damit Etwas vom Leibe des Kranken in dauernde Verbindung oder vorübergehende Berührung bringt. Das Uebertragen auf Bäume, sey es durch Anhängen, oder Verkeilen oder Einbinden, ist aber nicht ohne Gefahr für den Kranken: denn trifft der Blitz den Baum, so trifft er zugleich auch den so geheilten Menschen. Waldthurn. Harmloser ist der [232] Gebrauch, gegen Gicht und Rothlauf, dann Kinderkrankheiten, Kreuzschnäbel, Gimpel, Stiglitze, Turteltauben u.s.w. im Zimmer zu halten, wo sie den Krankheitsstoff an sich ziehen und so statt des Kranken sterben.

Dazumal, als das Vieh noch geredet hat, bedurfte es freylich all dieser Künste nicht. Da hatten die Leute ein Thürchen auf dem Kreuze, das hat man Sommerszeit aufgemacht, um am Röhrenbrunnen mit frischem Wasser die Eingeweide auswaschen zu lassen, bis die Gedärme rein und die Lungen abgelöst waren und das lautere Wasser herausging. Dann wurde es wieder zugeknöpft und der Mensch war auf ein ganzes Jahr gesund. Später aber wurde man nachlässig, man nahm die Reinigung erst alle zwey, oder drey Jahre, zuletzt gar nicht mehr vor und so wurde sie ganz vergessen; die Knöpfe sind verrostet und nicht mehr aufgegangen: man sieht sie aber noch dem Kreuz entlang. Neuenhammer.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Dreyzehntes Buch. Hölle. Dritter Abschnitt. 2. Aberglaube. 19. Sympathie. 19. Sympathie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-ECBB-0