21.

Es waren einmal zwey Schwestern, und die eine davon hatte ihre Wohnung weit weg im Walde aufgeschlagen, weil sie eine Hexe war. Die Andere aber wußte nicht, daß jene eine Hexe sey, und ging, sie im Walde zu besuchen.

Wie sie an den Wald kommt, begegnet ihr ein Wagen mit Todenköpfen beladen. Sie ging vorüber in lauter Angst.

Im Walde stieß sie auf einen zweyten Wagen, voll Todenbeine; sie fürchtete sich noch mehr, ging aber doch ihres Weges fort.

[387] Als sie nun zum Haus im Walde kam, war ein großer Düngerhaufen da, und darauf rauften sich zwey Mistgabeln herum. Sie eilte vorüber, um in die Stube zu kommen; hier sah sie aber ein Weib sitzen, welches einen Todenkopf aufhatte, und sich mit einem Gaisfusse kämmte.

Erschrocken über diesen Anblick, wollte sie die Thüre schliessen, um schnell diesen unheimlichen Ort zu verlassen; aber die Schwester hatte eben so schnell Todenkopf und Gaisfuß weggeworfen, kam ihr freundlich entgegen und nöthigte sie, hereinzutreten und sich zum Essen niederzusetzen. Sie konnte aber nicht essen; da frug die Hexe, warum sie nicht esse?

Schwester: Ach, ich bin noch voll Angst und Schrecken; denn als ich in den Wald kam, begegnete mir ein Wagen voll Todenköpfe.

Hexe: O du närrisch Ding, das waren ja meine Dorschen; iß nur!

Schwester: Ich kann nicht essen, denn wie ich weiter im Walde ging, stieß ich auf einen Wagen mit Todenbeinen.

Hexe: O, du dummes Ding, das waren ja meine gelben Rüben; iß nur!

Schwester: Ich kann nicht essen.

Hexe: Warum nicht.

Schwester: Ich kann nicht, denn wie ich zum Hause kam, rauften zwey Mistgabeln auf der Düngerstätte.

[388] Hexe: Das waren ja meine Mägde, sey nicht dumm und iß!

Schwester: Ich kann nicht.

Hexe: Warum?

Schwester: Wie ich in die Stube trat, sah ich Jemanden sitzen mit einem Todenkopf.

Hexe: O du Närrische, das war ja mein Mann. Iß jetzt, oder ich freß dich!

Schwester: Bist du eine Hexe?

Hexe: Ja, ich bin eine Hexe und zerreisse dich.

Bey diesen Worten fuhr sie auf die Schwester zu und wollte sie erwürgen, als drey Jäger, die im Walde sich verirrt hatten, hereintraten.

Sogleich schoß einer davon auf die Hexe, und diese fiel tod nieder. Die Andern aber durchsuchten das Haus, nahmen das Werthvolle zu sich und wollten eben fortgehen, als die Mägde hereinkamen, welche von der Hexe in Mistgabeln waren verwandelt worden, nun aber durch den Tod derselben ihre Erlösung gefunden hatten. Tiefenbach.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Erster Theil. Fünftes Buch. Die Thiere des Hauses. 12. Die Hexe. 4. Sagen. 21. [Es waren einmal zwey Schwestern, und die eine davon hatte ihre]. 21. [Es waren einmal zwey Schwestern, und die eine davon hatte ihre]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EE78-5