2.

Es war ein armes Weib guter Hoffnung und wußte nicht, wo eine Gevatterin bekommen. Da ging sie einmal schweren Herzens aus, den letzten Gang zu thun und es begegnete ihr eine schöne milde Frau inblauem Mantel. Die Frau frug die betrübt Einherschreitende, was sie drücke, und erhielt die Antwort: »Ich gehe bald zum Kinde und weiß mir noch keine Gevatterin,« und die hohe Frau bot sich als solche an. Sie stand zur Taufe und beschenkte die Mutter mitdrey Gaben, und versprach in zwölf Jahren wieder zu kommen und das Mädchen zu sich zu nehmen. Das Kind gedieh zur Freude der Mutter und kam nach zwölf Jahren zu der hohen Frau in ihren Palast, derzwölf schöne goldene Säle enthielt. Diese hatte nun das Mädchen, jeden Tag einen anderen, zu reinigen und in Ordnung zu halten.

Eines Tages mußte die hohe Frau eine Reise unternehmen und gab dem Kinde zwölf Schlüssel zu den zwölf Sälen und noch einen dreyzehnten für ein Gemach, das sie bisher nicht betreten hatte; auch jetzt ward ihr das Verbot, die Thüre dazu zu öffnen. Lange widerstand [317] das Mädchen dem Drange der Neugierde, zuletzt aber siegte diese. Doch was sah sie! es war ein einfaches düsteres Gemach und drinnen saß U.L. Frau und hatte den Leib des gekreuzigten Heilandes auf dem Schoße, und weinte darüber hin und trocknete mit ihren langen Haaren die Thränen wieder von der Leiche des geliebten Sohnes. Das Kind erschrack und schlug die Thüre zu. Als nun die hohe Frau zurückkehrte, und das Mädchen befrug, ob sie dem Befehle gehorsam gewesen, läugnete dieses seine Schuld und so noch auf zweymaliges Fragen. Da strafte sie U.L. Frau der dreyfachen Lüge, daß sie stumm sey und bannte sie in einen hohlen Baum. So solle sie bleiben, bis ein Mann nach einer reinen Jungfrau zum Weibe verlange.

Hier schlief sie nun sieben Jahre und brauchte nicht Speise noch Trank. Es war aber ein grosses Schloß in der Nähe und der junge Burgherr wollte nicht heiraten, er finde denn eine reine Jungfrau. Und einmal war er auf der Jagd im Wald, kam aber nicht zu Schusse. Doch auf dem Heimwege schlugen die Hunde an und waren um einen alten Baum im Dickichte herum, und der Ritter schoß blindlings hinein, um etwa das verborgene Wild aufzutreiben. Aber der Pfeil schlug an des Baumes Rinde und diese öffnete sich, und in der Höhlung war eine wunderschöne Jungfrau. Obgleich sie stumm war und auf seine Fragen nicht antworten konnte, nahm sie doch der Ritter mit sich und machte sie zu seinem Weibe trotz alles Abmahnens seiner Mutter.

[318] Die junge stumme Frau gebar drey Kinder, und die böse Schwiegermutter ließ durch die Hebamme jedesmal nach der Geburt das Kind in den Wald hinaustragen, um es dort zu ermorden. Jedesmal aber kam U.L. Frau des Weges und nahm der Hebamme das Kind ab, und diese brachte Auge oder Zunge einer Katze als Wahrzeichen des vollbrachten Mordes zurück. Dem Sohne aber meldete die Mutter, daß die Kinder gestorben seyen und sein schönes junges Weib kein lebend Kind zur Welt bringen könne, und sie hetzte so lange an ihm, daß er zuletzt voll Eifersucht wurde und die junge Frau als des Ehebruches schuldig zum Tode verurtheilte. Er ließ das schuldlose Weib in ein Gemach sperren und dieses bis zur Glühhitze heizen. Da kam aber U.L. Frau und hatte die drey Kinder an der Hand, schön und blühend, und sie fächelten der Verurtheilten Kühlung zu, so daß über sie Alle der Dampf zu einem Gewölbe sich rundete und sie unversehrt darunter standen.

Nach zweyen Tagen kam aber über den Ritter die Reue, daß er in der Leidenschaft gehandelt und er öffnete voll Schmerz das Gemach. Da stand nun seine junge Frau wohlbehalten, und um sie her spielten drey blühende Kinder. Er umarmte sie voll Entzücken und führte sie eiligst in den Saal und warf sich vor allen Hausgenossen der Dulderin zu Füssen, mit Thränen um Verzeihung bittend.

Da wurden dieser die Bande der Zunge gelöst, damit sie das Wort der Vergebung ausspreche, und so fanden sie sich wieder zusammen und lebten fortan[319] glücklich. Die böse Schwiegermutter aber erlitt den Feuertod. Neuenhammer.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Vierzehntes Buch. Himmel. 7. Von U.L. Frauen. 2. [Es war ein armes Weib guter Hoffnung und wußte nicht, wo eine Gevatterin]. 2. [Es war ein armes Weib guter Hoffnung und wußte nicht, wo eine Gevatterin]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EE94-7