[326] 330. Siegfried der Drachentödter.

Von Ludwig Tiek. – Im Limburger Walde bei Dürkheim liegt der Hoheberg, dessen Gipfel der Drachenfels oderDrachenstein. Noch lebt die Sage im Munde des Volkes, daß hier Siegfried den Kampf mit dem Drachen, welcher die Königstochter bewachte, bestanden, ihn besiegt und die Befreite ihren Eltern nach Worms zurückgebracht habe.


Im Walde lebte Mimer
Und bei den Felsenhöh'n;
Dem kam der kühne Siegfried
In früher Jugendschön'.
Der Meister lehrt ihn schmieden,
Siegfried war wohlgemuth,
Er schlug all' die Gesellen
In Lust und Uebermuth.
Sie fürchteten ihn alle,
Er brächte ihnen Noth,
Bald zog er sie an Haaren,
Bald droht' er ihnen Tod.
Mimer, mit klugen Sinnen,
Wußt', wie im finstern Wald
Ein Drache hatte drinnen
Im Fels den Aufenthalt.
Der möchte alle tödten,
Daß selbst die Kühnsten floh'n.
Der Meister sprach in Nöthen:
»Der Knabe spricht uns Hohn,
Er trotzt in seiner Stärke,
Und droht uns zu erschlagen,
Er mag sich zu dem Berge
Dort in der Wildniß wagen.«
Sie lobten, was der Meister
In seinen Sinn genommen,
Da war Siegfried der Dreiste
In Freuden hergekommen.
Er lachte, als er sahe
Wie sehr ihn alle scheuten,
Er sprach: »Ich diene zagen
Und ungemuthen Leuten.
Wie ich nicht Harnisch trage
Und auch kein Sturmgewand,
Wie könnt' ich euch erst schlagen,
Hätt' ich ein Schwert zur Hand.«
Da sprach der Schmied, der kluge:
»Du mußt nicht, wildes Kind,
Dem Meister also trotzen,
Geh' in Wald geschwind,
Vorbei dem tiefen Brunnen,
Wo dunkle Weiden steh'n,
Der Felsenkluft vorüber,
Und wo die Winde weh'n.
An einem schroffen Berge
Auf rundem, grünem Raum
Umher viele der Eschen,
Und mancher Tannenbaum.
Und wo ein Wasser fließend
Rund um den Felsen braus't,
Und um die Bergesspitzen
Manch wilder Adler haus't;
Dort sollst du Bäume fällen
Zu meinem Eisenwerk;
Und wenn die Nacht herdämmert
So bleibe dort im Berg;
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Auch Kohlen mußt du brennen,
Daß ich arbeiten mag,
Ich will dir Speise geben
Auf sieben volle Tag,
Daß du nicht dürfest darben,
Umkehren vor der Zeit.«
Siegfried der Jüngling starke
War dessen hocherfreut.
Mimer, der kluge, wußte,
Täglich zur Steineswand
Der Drach' aus seinen Klüften
Zu trinken her sich wand.
Bald gehend und bald springend
Siegfried mit Schritten schnell
Lief nach dem Walde singend,
Es schien die Sonne hell.
Er fand bald nach den Zeichen
Den tiefverborg'nen Berg,
Begann alsbald mit Freuden
Sein aufgetrag'nes Werk.
Die Axt klang an den Bäumen,
Ein Feuer er entbrann,
Der Wald und Bach erglänzte,
Nun saß der kühne Mann,
Um auszuruh'n verdrossen,
Die Arbeit that ihm leid;
Eine Lind' breit und große
Gab ihnen Schatten weit,
Drauf sangen viele Vög'lein
Darunter ging der Bach,
Auch Rosen blühten röthlich,
Mit Freuden er das sach.
Er nahm die Essens-Speise,
Die er da mit sich trug,
Die Mimer ihm bereitet
Für sieben Tag genug.
Die nahm er wohlgemuthet,
Auf einmal er sie aß.
Dann trank er von dem Brunnen
Und ruht' im grünen Gras.
Die Axt warf er von hinnen
Und sah die Blumen an:
Er sprach: »Schlecht Werk ist Schmieden
Und ziemet keinem Mann:
Von Abenteuern, Gefahren,
Hört' ich so vieles sagen,
Von manchem wilden Kampfe
In meinen Kindestagen.
O käm' doch aus dem Dunkel
Ein wildes Scheusal her!
Ich bin so wohl gemuthet,
Ich achtet' es nicht sehr;
Voll Kraft sind meine Arme,
Ich bin so satt und froh;«
In seinem Uebermuthe
Der Jüngling sprach also.
Da kam in langen Zügen,
Der Drache hergewunden,
Vom Strom sah er ihn trinken,
Mit klugem Aug' erkunden
Den Jüngling auf der Wiese,
Den sprang er brüllend an,
Daß fürchterlich erklungen
Weithin der dunkle Tann,
Und alle Berge grüne;
Die Adler flogen scheu
Von ihren hohen Nestern
Geschreckt mit bangem Schrei.
Siegfried sah still das Wunder,
Er von dem Lager sprang,
Der Wurm in weiten Ringen
Zum kühnen Jüngling drang.
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Der schützte sich mit Zweigen
Und gab ihm manchen Schlag,
Manch' Baum von harten Streichen
Auf des Wurms Rücken brach.
Stahlhart waren die Schuppen,
Die Klauen schwerterscharf,
Siegfried sprang von den Wurme,
Die Zweig' er von sich warf,
Die Axt ergriff er wieder;
Er that so grimm'gen Schlag,
Daß gleich zu seinen Füßen
Der Drache hauptlos lag.
Ein großer Strom des Blutes
Rann dampfend durch den Grund,
Er färbte dunkel purpurn
Blumen und Sträucher wund,
Und sammelte sich nieder,
So wie ein großer See.
Siegfriede saß dann wieder,
Der Schlag selbst that ihm weh.
Die Einsamkeit ward stiller,
Flüsternd ging hin ein Wind
Und strich durch Tann' und Eiche
So kühlend und gelind.
Der Bach ging dahin rieselnd,
Aus Bergen kam ein Schall,
Und widerstreitend lieblich
Sang manche Nachtigall.
Da dünkt dem jungen Helden,
Er sei im süßen Traum,
Sinnend saß er und denkend
Am grünen Lindenbaum.
Sein Herze strebt so muthig,
Sein Auge war so hell,
Als er den See schaut blutig
Neben dem blauen Quell,
Und über sich im Wipfel
Vernimmt er lieblich Schallen,
Es ist Klagen und Girren
Von zweien Nachtigallen.
Und wie er sich besinnet
Und recht den Laut erfand,
Siegfried im Herzen fühlte,
Daß er den Ton verstand.
»Der junge Sohn Siegmunds,«
Sang diese wunderbar,
»Vollbrachte hier ein Großes,
Was schon seit manchem Jahr
Kein Held nicht durfte lösen;
Ihn hat hierher gebracht
Mimer mit seinen Tücken,
Doch dieses nicht gedacht.
Er wird der Held der kühnste,
Berühmt in aller Zeit,
Er wird der Recke schönste,
Zu Thaten hoch erfreut,
Seine Jugend die liebliche
Erfrischet jeden Muth,
In Schild und Harnisch spielende
Vergießt er Vieler Blut.«
Siegfried war froh und staunte,
Da hob die and're an
Im Wechselsang so laute,
Daß wiederscholl der Tann.
»Wüßt' er die rechte Mähre,
Ihm wär es noch gelungener,
Er hätte größ're Ehre
Und bliebe unbezwungener,
Wenn er nackend im Blute
Den Leib, den schönen, badete,
Kein Eisen ihn verwundete,
Nicht Lanz und Schwert ihm schadete.«
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Da sprang der Jüngling nacket
In das rauchende Blut,
Er kühlt' im rothen Bade
Den heißen Uebermuth.
Da sang der Vogel girrende
Mit süß klagendem Ton:
»Bald wird das Gold, das schimmernde,
Dir, Siegesmundes Sohn,
Das Drachenbett, das glänzende,
Auf dem der Gift'ge lag,
Sich in den Gluthen wälzende,
Ihm schien die Nacht wie Tag;
Die Edelstein' die funkelnden,
Die ihm geleuchtet spat,
Die Lagerstelle wunderlich
Siegfried gewonnen hat.«
Nicht wußte das der Kühne,
Daß sie vom Schatze sungen,
Den dann gewann Siegfriede
Ob von den Nibelungen.
Hell stieg er aus dem Blute,
Da war er schön und groß,
Auch dünkt' er sich an Muthe
Den Edelsten Genoß.
Es mochte keine Wunde
Verletzen je den Mann,
Doch wie er auch vom Blute
Den Zauber sich gewann,
Fiel doch unwissend seiner
Ein Blatt ab von der Lind',
Ihm zwischen weiße Schultern,
Daran starb Siegmunds Kind.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. 330. Siegfried der Drachentödter. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EFF2-F