[342] 817. Drei Züge.

Bergmannssage vom Lemberg an der Nahe. – Die vor. Schrift S. 82.


Es war einmal vor vielen Jahren ein Ritter auf der Ebernburg, der hatte all sein Hab und Gut durchgebracht, daß er mit Weib und acht Kindern schier hungern mußte. Das ging ihm schwer zu Herzen. Da ging er einst auf den Lemberg in den Wald und sah auf einem Baumstrunk Einen sitzen, der ihn hell verlachte, weil er so betrübt aussah. Der arme Ritter ward grimmig und drohte mit dem Bogen, aber der Gesell lachte nur ärger. Der Ritter zielte und schoß. Der Andere stand auf, warf ihm den Pfeil zurück und sagte: »Ihr seid ein schlechter Schütze, gebt mir Euern Bogen her.« Dem Ebernburger ward etwas unheimlich, doch reichte er den Bogen hin. Jener nahm eine rothe Hahnenfeder vom Hut, legte sie auf, schoß aufs Gerathewohl in den Wald hinein, und ein mächtiger Rehbock stürzte getroffen zusammen. »Füttert Eure hungernden Würmer damit!« sagte der seltsame Schütze. Der Ritter stand kreidebleich und war keines Wortes mächtig. »Wollt Ihr den Bock nicht,« sprach jener, »sagt's nur, so mag er wieder davon laufen. Soll ich Euch helfen?« »Ja, hilf, wenn du kannst!« rief der Ebernburger wie bethört. »Ich weiß eine Quecksilberader,« sprach der Unheimliche, »die kann Euch zum reichen Mann machen, aber ich muß etwas dafür haben.« Er griff in's Gras, rupfte drei Halme ab und fuhr fort: »Da sind drei Züge, thut einen davon. Ziehet Ihr den großen Halm, so seid Ihr selbst mein eigen; ziehet Ihr den mittleren, so ist's Euer Weib; ziehet Ihr den kleinsten, so sind's Eure Kinder.« Dem Ritter schwindelte, denn er wußte nun, wen er vor sich hatte, und doch zog es ihm ordentlich die Hand zu den drei Halmen. Schon berührte er sie, da zuckte er zusammen und rief: »Heiliger Gott, erbarme dich mein!« Da that's einen Donnerschlag, daß der ganze Lemberg zitterte, der Ritter bekam eine so gewaltige Maulschelle, daß er trillte und wie ein Kreisel den Berg hinunter flog. Als er wieder zur Besinnung kam, lag er unten bei seinem verpfändeten Dörflein Feil. Er faßte indeß Muth, ging in den Wald zurück und fand richtig den alten Baumstrunk wieder, aber weder den mit der Hahnenfeder, noch den todten Rehbock dabei. Die Stelle merkte er sich wohl, nahm des andern[343] Tages Bergleute von Bingart mit, grub nach und fand die reiche Quecksilberader. Die Grube verkaufte er dem Rheingrafen vom Stein um schweres Geld. Sie heißt heute noch die drei Züge.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Zweiter Band. 817. Drei Züge. 817. Drei Züge. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F01C-A