612. Wie eine Geis einen Wolf fing.

Mündlich.


Vor alten Tagen war die Bamberger Straße auf dem Fichtelgebirg von einem langen, langen Wald umgeben. Wo jetzt das Dörfchen Kaltenhausen steht, war damals nur ein Wirthshaus und daneben stand eine Kapelle, damit man mitten auf dem langen Wege Leib und Seele stärken konnte. Kam nun einmal ein Metzger mit einer Geis daher, und da er nicht Lust hatte zu beten, sondern Durst zum Trinken, band er seine Begleiterin an die offenstehende Thüre der Kapelle, die herauswärts aufging, und ging sorglos in das Wirthshaus. Aber während er seinen Durst löschte, wollte ein Wolf seinen Hunger stillen. Die Geis machte in ihrer Angst einen Sprung in die Kapelle, der Wolf flugs hinterdrein; da jene aber, weil sie angebunden war, die Thüre hinter sich zuzog, waren beide gefangen. Dem Wolf war es in der Kapelle wohl nicht recht erbaulich zu Muthe, vielleicht ebenso der Geis, aber in der Kirche thun ja auch die erbittertsten Feinde unter den Menschen einander nichts. Der Wolf heulte und wurde gehört, die Geis mäkerte und wurdeerhört, denn ihr Widersacher wurd bald gefangen. – Von dieser Kapelle sind nur noch unbedeutende Ruinen vorhanden.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. 612. Wie eine Geis einen Wolf fing. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F0BC-2