287. Der Siebener Tanz zu Kreuzwertheim.

Von J. Ruttor.


Was ist für ein Klagen im Dorfe?
Was deutet des Glöckleins Klang? –
Es wüthet der Tod, ach, der schwarze,
Durch alle Häuser entlang.
Und immer grimmiger hauset
Des schwarzen Todes Kraft;
Fast Alle liegen im Grabe,
Er hat sie weggerafft.
Die Häuser stehen entleeret,
Sind ihre Bewohner ja todt.
Acht Nachtbarn nur begrüßen
Einst noch das Morgenroth.
Sie theilen die Güter der Andern,
Und werden Achtherren genannt;
Sie waren reich geworden
An Häusern und an Land.
Bald raffte der Tod auch diese
Hinweg ins öde Grab;
Sie mußten von sich legen
Des Lebens Wanderstab.
Und als der letzte der Achter
Sein Ende nahe sah:
Da standen sieben Söhne
Vor seinem Bette da.
Er theilte die reiche Habe
Den Söhnen aus und spricht:
»Vergesset, liebe Kinder,
Der bösen Zeiten nicht.
Doch freut euch des Wechsels der Zeiten,
Wenn jährlich der Mai sich erneut;
Hinaus zum Walde ziehet,
Und singt ein Lied erfreut.
[277]
Des Waldes schönste Eiche
Laßt fallen unter'm Beil,
Mit Weibern und mit Kindern
Tanzt um ihn eine Weil.
Das Geld, das ihr draus löset,
Vertrinkt dabei voll Lust,
An diesem Tag soll freuen
Sich hier jedwede Brust.«
Der Alte schloß die Augen,
Sein Wille ward erfüllt;
Am ersten Tag des Maien
Ward jedes Leid verhüllt.
Da ward getanzt, gejubelt,
Da ward so froh gezecht;
Der Siebner Tanz vererbte
Sich auf das junge Geschlecht.
Noch heute, wenn der Maimond
Erscheint im Blütenkranz,
Wird in dem Land gefeiert
Der lust'ge Siebnertanz.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 287. Der Siebener Tanz zu Kreuzwertheim. 287. Der Siebener Tanz zu Kreuzwertheim. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F350-9