151. Eppelein von Gailingen.

3.


VonGeorg Neumann.


Was braust mit Staubgewölke herab in's enge Thal?
Voran ein hoher Ritter in rauhen Panzers Stahl,
Sein Blick so siegesmuthig, die Schaar so keck und kühn,
Als wollten sie zur Schlacht nicht, nur zum Bankette zieh'n.
Der Tag ist heiß und schwüle, es lechzet Mann und Roß;
Noch ist es Zeit zum Fange, die Schenke winkt dem Troß;
Es lohnt sich zu verweilen, dann gilt's dem Waarenzug,
Von welchem ein Verräther die falsche Kunde trug.
Der Ritter, sommermüde, schläft in der Schenke Gemach,
Der ausgesandte Späher macht ihn wohl zeitig wach.
Doch hat am hellen Tage umsponnen ihn Verrath,
Schon ruft, da er noch schlummert, blutfordernd rasche That.
»Hie Eppelein!« – »Hie Nürnberg!« – erklingt das Feldgeschrei,
Trompetenstoß, Schwertklirren ruft jeden Mann herbei.
Ha! das ist nicht die Beute, das ist der Reichsstadt Heer,
Heran stürmt ihr Geschwader, wie Windsbraut über's Meer.
Der Ritter greift die Waffen. Hei! wie sein starker Arm
Gleich einem Blitzstrahl schmettert auf dichten Söldnerschwarm,
Die Seinen zittern nimmer, so lang sein Zuruf klingt,
Und wallend hoch zu Rosse sein rother Helmbusch winkt.
Wild rasseln Schild und Kolbe, das Schwert nach Blute lechzt,
Daß unter seinen Streichen der Feinde mancher ächzt;
Bezeichnet ist am Boden mit Blut ein jeder Schritt,
Da sinkt mit jedem Städter ein Gailinger auch mit.
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Und ob auch Zornesflammen von Epplein's Augen sprüh'n,
Und heiß, sich durchzuhauen, die Eisenarme glüh'n,
Die Feinde, übermächtig, steh'n um ihn dicht geballt,
Der Speere scharfe Spitzen gebieten höhnisch: Halt!
O weh! wo sind die Treuen? – Was Flucht nicht trieb voraus,
Das haucht in Todesröcheln die Räuberseele aus.
Die Städter schlugen tapfer; nun muß Herr Eppelein,
Gefangen und gebunden, auch ihr Triumphzug sein.
Auf einem dürren Klepper nimmt ihn der ganze Troß
Entwaffnet in die Mitte und hinter ihm sein Roß.
Im Fluge geht's zur Reichsstadt, es freu'n sich Alle jetzt
Des Preises, den die Ratsherrn auf seinen Kopf gesetzt.
In's enge Thurmgefängniß sogleich der Ritter kam,
Dieweil der Bürgermeister vom Fange Kunde nahm.
»Der Vogel sitzt im Garne, nun wohl, ich will ihn seh'n,
Ich eile gleich zum Thurme, laßt ihn heruntergeh'n!«
»Willkommen, edler Ritter! Ihr seid nun Nürnbergs Gast,
Gönnt euch von schweren Thaten die ungewohnte Rast:
Ihr nahmt mir meine Tochter, ich nehme ihr jetzt euch,
Weil ihr wollt euern Adel dem meinen machen gleich.«
»Ihr habt der Stadt gesendet manch' stolzen Fehdebrief,
Der sie mit einem Räuber zu schlechtem Kampfe rief;
Doch gönnt euch meine Gnade ein besseres Quartier,
Will's Gott, so sollt ihr bleiben die längste Zeit allhier.«
»Habt Dank für eure Güte,« entgegnet jener kalt,
»Ihr seid an Spott ein Jüngling, wenn auch an Jahren alt.
Daß ihr mich habt erreichet, half List euch mehr als Kraft,
Im gleichen Waffentanze hätt' ich mich euch entrafft.«
Und hin zu seinem Rosse ging er mit stolzem Gang,
Das dem gewohnten Helden das Haupt entgegenschwang;
Hell sprühen seine Augen, die Mähne flattert hoch,
Es scharret wild im Boden, daß weit der Sand entflog.
»Ihr seid ein kühner Reiter,« sprach drauf der Herr von Stark,
»Wer solchen Hengst besteiget, darf sein nicht schwach von Mark;
Von uns blieb Keiner oben, so reitet ihn mir vor,
Ihr werdet nicht entrinnen, verschlossen ist das Thor.«
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Der Alte löst die Zügel. Keck schwingt der Held sich auf,
Es dreht sich rasch im Kreise der Hengst zu schnellem Lauf;
Hoch wirft er seinen Nacken und freut sich seiner Last,
Und rasch hat auch der Reiter den feinsten Plan erfaßt.
In immer weitern Bogen spornt er das edle Roß,
Daß weit zurück sich wendet der gaffenden Knechte Troß.
Der Alte freut sich weidlich; Eins scheut hier Roß und Held,
Er denkt an die Gestalten der fabelhaften Welt.
Der Reiter nimmt die Länge des Hofes fest in's Aug',
Er scheint sich zu gefallen in edler Reitkunst Brauch.
Doch späht verborg'nen Blickes er über des Grabens Rand,
Sein Herz sehnt rachedurstig sich nach dem freien Land.
Er wagt's! des Thieres Sehnen darf er gewiß vertrau'n,
Auf seiner Hufe Fliegen den Plan der Freiheit bau'n;
Jetzt rasch im wilden Sprunge zur Mauer mit Gewalt
Sprengt er und über den Graben, daß Huf und Stein erschallt.
»Soll's gelten Tod und Leben, so gelt' es dir und mir!«
Es flog wie durch die Lüfte ein Pfeil das edle Thier,
Und glücklich hat er jenseits des Grabens Rand erreicht,
Als den erstaunten Bürgern der Schreck die Wange bleicht.
»Der Teufel sitzt im Rappen!« – ruft die verblüffte Schaar,
Kaum weiß der Bürgermeister, wie's recht geschehen war.
»Bei Gott! der ist entronnen selbst bei verschloss'nem Thor,
Rasch auf zu Roß, ob einer dem Flüchtling kommt zuvor.«
»Der Rath wird schwer den lohnen, der ihn, wenn todt auch, fängt« –
Und Alles rasch auf Pferden zum Thor hinaus sich drängt.
Wie Donner hallt die Brücke, die Rosse fliegen wild,
Es jagt die Schaar zerstreuet in's niedere Gefild.
Der Ritter hört der Rosse und Reisigen Geklirr,
Ihr Fluchgeschrei umtobet ihn rechts und links so wirr.
Ihm fehlet Schild und Lanze, die Faust vermißt das Schwert,
Nur durch des Renners Eile ist Rettung ihm beschert.
Er rast mit Windesflügeln den wohlbekannten Pfad,
Nichts hemmt den kühnen Flüchtling, des Rosses Sprung schafft Rath;
Doch scheint es zu ermatten, es stöhnt in Staub und Schweiß,
Den Ritter packt's mit Grausen, das Blut wird ihm so heiß.
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»Greif aus, mein Rapp', mein Retter! – greif aus zum letzten Ritt,
Laß mich nicht elend sterben, der Ruhm mit dir erstritt,
O hauche nicht dein Leben vor meiner Grenze aus! –
Dort ragen meine Thürme, Glück auf, wir sind zu Haus!«
Und vor der letzten Brücke, mit Schweiß und Blut bedeckt,
Das Roß todtmatt im Grase die starken Glieder streckt;
Doch oben grüßt den Ritter sein sich'res Gailenreuth,
Man kennt ihn, lautes Jauchzen ihm Gruß entgegenbeut.
Ist es der todt Geglaubte, der längst gesuchte Held? –
Wie an der Mühle Steinbank er keuchend niederfällt,
Vermag er kaum zu sprechen: »Sorgt nur für meinen Hengst,
Denn wär' er nicht gewesen, ich wär' gestorben längst.«
Das Roß hebt Kopf und Augen zu seinem Herren auf,
Der trauernd denkt, hier endet das Thier den letzten Lauf;
Die Nüstern schnauben matter. – »Hab' Dank,« spricht Eppelein,
»Mein Retter, du sollst ruhmvoll allhier begraben sein.«

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 151. Eppelein von Gailingen. 151. Eppelein von Gailingen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FDB4-C