270. Des Dörfchens Name.

Von J. Ruttor.


Am Ufer einst der Saale
Ein Dörfchen ward erbaut;
Es lacht im Sonnenstrahle
So niedlich und so traut.
Wie viel der Wandrer kamen
An diesen neuen Ort,
Erfuhren keinen Namen,
Und reisten wieder fort.
Des Dörfchens schlichte Leute,
Mit Sprachkunst unbekannt,
Da Jedermann sich scheute,
Hatten's noch nicht benannt.
Einst kam auf seinem Wege
Ein Wandrer in den Gau;
Und in dem Feldgehege
Stand eine alte Frau.
Und nach dem Dörfchen deutet
Der junge Wandersmann;
Und da er näher schreitet,
Zu fragen er begann:
»Ist's euer Dorf, das niedlich
Mir dort entgegenlacht?
Es scheinet mir so friedlich,
Von stiller Lust umfacht!«
Kaum hat sie dieß vernommen,
Da eilet sie nach Haus;
Im Dörfchen angekommen,
Ruft sie voll Freuden aus:
»O hört es, gute Leute,
Dieß Dörfchen, unbekannt,
Es werd' von uns seit heute
Stets ›Euerdorf‹ genannt.«
»Denn wißt es, daß so eben
Ein Mann, mir unbekannt,
Den Namen ihm gegeben,
Es ›Euerdorf‹ genannt.«
»Ja,« riefen froh die Leute,
»Ihn hat uns Gott gesandt. –
Das Dörfchen wird bis heute
Noch ›Euerdorf‹ genannt.«

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. 270. Des Dörfchens Name. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FE94-C