An meine Gattin

In einer Krankheit 1778.


Geliebte! Lebe wohl, ich scheide;
Dein armer Gatte flieht von dir.
Du warst mein Glück, warst meine Freude;
Ja, Lebenswonne warst du mir.
Leb' wohl, ich will dich nimmer sehen,
Nicht küssen mehr auf dieser Welt;
Nicht hören deiner Stimme Flehen,
Nicht sehn, wie deine Thräne fällt.
Du würdest nur dein Leiden mehren,
Sähst du mein bleiches Angesicht,
Zerfressen von viel tausend Zähren
Mein Aug', aus dem das Elend spricht.
[47]
Sähst meinen Leib verwelkt, zerfallen,
Und meine Brust von Seufzern schwach;
Sähst banges Blut in Adern wallen,
Und hörtest mein gebrochnes Ach!
Mein Jammer soll dein Herz nicht quälen,
Nur Gott und mir sei er bekannt;
Im Himmel will ich dir erzählen
Das Elend, das ich überstand.
Dort soll es dir dein Engel sagen,
Wie oft dein armer, kranker Freund,
Bestürmt von tausend heißen Plagen,
Für deine Ruh' zu Gott geweint,
Wie er bis in den Tod dich liebte!
Wie angstvoll es sein Herz bereut,
Daß er aus Leichtsinn dich betrübte,
Aus Leichtsinn, nicht aus Grausamkeit.
O Freundin! Gott hat mir verziehen;
Verzeih mir auch, du bist ja gut!
Sieh Thränen meiner Reue glühen,
Sieh was verschmähte Tugend thut!
Ach! sterben muß ich, und du drückest
Mir nicht die starren Augen zu;
Kniest nicht an meinem Bett, und blickest
Zu Gott, und flehst um meine Ruh'?
So leb' denn wohl! Des Himmels Segen
Beglücke dich nach meinem Tod;
Er, der in deinem Arm gelegen,
Dein Mann, erfleht ihn dir von Gott.
O gönne mir die Ruh' im Grabe!
Du weißt wohl, Freundin! wie ich sie
Gesucht und nicht gefunden habe;
Wie oft ich Armer nach ihr schrie.
[48]
Besuche meinen Todtenhügel,
Und pflanz' ein kleines Blümlein drauf,
Und sieh, von deines Engels Flügel
Gekühlt, zum Sternenfeld hinauf:
Wo dann mein Geist herunter schauet,
Und es mit stiller Freude sieht,
Wie deiner Wehmuth Zähre thauet,
Wie noch die Liebe in dir glüht.
Nun, tausend Dank für deine Treue,
O drückt' ich dich an meine Brust!
Dort, Freundin! seh' ich dich aufs neue
In ewig ungestörter Lust.
Leb' glücklich, wie die Christen leben,
Einfältig, fromm und keusch und gut;
Der Vater wird dir alles geben,
Der frommen Witwen Gutes thut.
Küß unsre Kinder meinetwegen;
Sag' ihnen: Euer Vater starb,
Und hinterließ euch Gottes Segen,
Mit dem kein Waise noch verdarb.
O Weib! mir bricht das Herz; mein Ende
Kömmt schon, ich fühl' die letzte Noth;
Dich segnen meine starren Hände,
Ich liebe dich bis in den Tod.
Wie seufzt mein Geist nach jenem Tage,
Wo du dich aus dem Grabe schwingst,
Und frei von jeder Lebensplage,
Die Rosenarme um mich schlingst.
Indessen stille deine Schmerzen,
Und weine nicht zu viel um mich;
Dort schlagen wieder unsre Herzen,
Und ewig, ewig lieb' ich dich!

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TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Zu Schubarts Leben. An meine Gattin. An meine Gattin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-00CD-1