An Serafina

Wie ein Engel stieg der Tag, der dich gebar,
Vom Olympos, Urlicht im Antlitz,
Und die blauen Flügel thauend
Von goldnen Tropfen.
Da griff ich nach dem Saitenspiel,
Das mir einst Braga gab,
Und zitterte mit der Hand der Begeistrung
Sein Goldgeweb' hinab.
Serafina! Serafina! so scholl's vom Himmel,
Serafina! hallt's mein Saitenspiel nach,
Und Thränen der Wonne rieselten
Sein Goldgeweb' hinab.
Schönheit stand in ihrem Silberflor
Mit der Tugend einst an deiner Wiege,
Gaben deinem Leibe jeden Liebreiz,
Deiner Seele Adlerschwung.
Schönheit taucht' in das Morgenroth
Ihren Lilienfinger, deine Wangen
Tuschte sie mit jener Röthe,
Die des Himmels Rosen überstrahlt.
Feuer, wie der Sirius herunterflimmt,
Strömt sie dir ins hohe Auge,
Rüstet es mit jedem Wetterleuchten,
Das die Liebe zeugt.
Schlank, wie eine Ficht' am Bache
Gepflegt von Gottes Hand,
Am Stamm umtanzt von Silberwellen,
Am Wipfel vom Himmelslicht gesonnt,
[428]
Wuchs'st du empor, dir floß das Haar
Wie Evens Haar, als sie sich sanftbelächelnd
Am Pison stand, und mit den Rosenfingern
Die goldnen Locken kämmte.
Dann kos'te dich die Harmonie
Und stimmte jede Saite deines Herzens
Zum feinsten Wohllaut. Zaubereien
Wirbelst du im Flügelspiel.
Und ach! ich starr' an deinem hohen Flügel,
Wie am Krystallenmeer; schlürfe
Mit heißem Flammendurste
Die silbernen Noten in mich.
Aber mehr, o Serafina! mehr, als dies,
Mehr noch, als Schönheit, die verblüht,
Als deines Flügels Rasereien,
Als deiner Stimme Sphärenklang,
Mehr noch ist deine Engelseele!
Die im Geniusfluge
Zur Sonne fleucht, und Urlicht trinkt,
Und Gottes Größe fühlt.
Und ach! dein Herz, vom Drange
Der Menschheit voll; so himmlisch schön,
Wenn dir's herauf ins Antlitz steigt,
Und schwimmt im thränenhellen Blick.
Wenn dich der Hauch der kleinen Lüste trübt,
Wenn du die Unschuld deiner Seele
Von ferne nur entweihst;
Dann zittern dir die Perlen vom Gesicht.
Dein Herz ist abgeleitet von dem Strom,
Der hochherab vom Throne Gottes fleußt;
Drum schauerst du und blutest Büßerthränen,
Wenn Schlamm sich wölkt im Spiegelbach.
[429]
O Serafina, Gott bewahre dir dein Herz!
Mehr sag' ich nicht, denn ach! zu viel,
Zu viel hab' ich aus deiner Schönheit Schale
Der Honigtropfen eingeschlürft.
Ich taumle noch im Rausche deiner Reize,
Bis, ach! ein Thränenstrom,
In meinem Kerkergrab geweint,
Mich wieder nüchtern macht.
O Serafina, ewig lieb' ich dich!
An deinem Feste schwör' ich's dir!
Am Throne Gottes schwör' ich's dir!
O Serafina, ewig lieb' ich dich!
Ist's Sünde, gute Seele! daß ich dich
Mit diesem Flammenungestüm
Ergriff und liebe, ist's mir Sünde?
O Serafina, so verzeihe du!
Müd herabgeneigt an deine Sohle,
Die auf der Erde ruht, mit großen
Heißen Tropfen im Feuerantlitz bitt' ich dich:
O Serafina, ach! verzeihe du!

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TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Sonstige weltliche Lieder verschiedenen Inhalts. An Serafina. An Serafina. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0128-9