[17] 8.

Amor, himmelgebohrener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes Kind, du flüchtiges, welches die Götter
Mit ätherischem Band lieblich und lose verknüpft,
Komm, du romantischer Knabe, der Abenteuer Beschützer,
Zarten Geflüsters Freund, Freund der verschwiegenen Lust,
Der du keusch und üppig zugleich und flüchtig und treu bist,
Feind der Fesseln und doch immer in Fesseln geschmiegt,
Du, der Schmerz und Freude gewährt, doch nimmer in Trübsinn
Unsere Schmerzen und nie wandelt in Ekel die Lust.
Komm vom Himmel herab, und bring mir die reizenden Mädchen,
Welche dich immer umblühn, bring mir die Grazien mit.
Sieh, schon nahte die Stunde, worin dein Schwesterchen ehmals
Unserem Lichte zuerst heiter entgegengelacht.
Damals war dir der Tag ein Fest; siegkündende Lieder
Wehten den frühesten Schlaf auf die Gebohrene hin.
Schalkheit hauchte dein Kuß ihr in's Herz, fantastischen Leichtsinn,
Tändelnden Witz und der stets wechselnden Laune Begier.
Doch was du muthwillig ihr gabst, das schmückte die Charis,
Und um's Dornengebüsch webte sie Rosen umher.
Feyre den Tag auch jetzt; denn sie ward nun größer und holder;
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In der Gestalt und im Geist gleicht sie, du Schelmischer, dir.
Schweb' um's seidene Bett mit der lieblichen Schaar; noch ruht sie,
Sanft um den rosigen Mund weht das Gelispel des Schlafs.
Wehre mit schützender Schwinge den bösen Träumen, den Unglück
Kündenden, welche den Schooß füllen der brütenden Nacht;
Laß nur die freundlichen leise sich nahn, die Kinder Auroras,
Daß sie mit rosigem Tanz schmücken das stille Gemach.
Mal' auf die Flügel des gaukelnden Schwarms kunstvoll das Verlangen,
Welches der Reizenden Blick rings in den Herzen erregt;
Malet, ihr Huldgöttinnen, der unausprechlichen Anmuth
Zaubergewalt und den Scherz, welcher sie ewig umbuhlt:
Daß sie sich selber erblick' in des Traums irrsamer Gestaltung;
Ach, kein schöneres Bild zeigt ihr der süßeste Traum!
Lächeln wird sie im Schlaf, ihr Glücklichen! Fülle den Köcher,
Amor, damit! O ahmt, Grazien, ahmet es nach!
Regt sie dann sanft zum Erwachen die reizenden Glieder, so haucht rings
Süße Gedüft' umher, füllet mit goldenem Glanz,
Füllt mit Harfengelispel das freundliche Zimmer und schwindet,
Daß sie im Scheiden euch noch sehe, zum Himmel zurück.

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TextGrid Repository (2012). Schulze, Ernst. Gedichte. Elegieen. 8. [Amor, himmelgebohrener, komm, nicht jener, der sinnlos]. 8. [Amor, himmelgebohrener, komm, nicht jener, der sinnlos]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0604-4