7. Wer der Appenzeller Feldhauptmann ward

Draußen tagt die Landsgemeine
Wieder in dem Wiesenthal,
Denn es sammeln sich am Rheine
Stolze Ritter ohne Zahl.
Kämpfen sollen sie schon morgen,
Arm und Waffen sind bereit,
Eins nur fragen sie mit Sorgen:
Wer soll Führer sein im Streit?
Eh' sie den gefunden haben,
Sehn die Rotten durch das Feld
Einen schlanken Reiter traben,
Rüstig wie ein Kriegesheld.
Den schmückt herrliches Geschmeide!
Männer, hört! das ist kein Hirt,
Der in seinem Herrenkleide
Sich in unsern Rat verirrt.
Ei! das ließ Herr Anderhalde
Doch nicht träumen sich im Schlaf!
Drüben aus der Burg am Walde
Ist's der Werdenberger Graf;
Hält und steigt von seinem Pferde,
Naht den Hirten ohne Trutz,
An der armen Bauern Heerde
Sucht der edle Ritter Schutz.
[425]
Und er sprach: »Mir kam zu Ohren,
Daß euch Oesterreich bekriegt,
Bin ich euch zu hochgeboren,
Nachbarn, daß ihr mir's verschwiegt?
Wisset nur, ich bin vertrieben,
Bin ein arm und einsam Haupt!
Was vom Erbe mir geblieben,
Hat der Herzog mir geraubt!
Ihr seid frei und reich zu nennen,
Ich bin ärmer als ein Knecht,
Eure Namen wird man kennen,
Ausgeblüht hat mein Geschlecht.
Stolze Herren mögt ihr hassen,
Ich bin nicht des Hasses wert,
Nichts hat mir der Feind gelassen,
Als mein Herz und als mein Schwert.
Kann ein Ritterschwert euch frommen
Und ein Herz von Zorn entbrannt,
Nun so heißt auch mich willkommen,
Laßt mich schirmen euer Land.
Wenn der Streit ist ausgestritten,
Gönnt mir eures Thales Rast,
Nehmt mich auf in eure Hütten,
Pfropft mich auf den wilden Ast!«
Spricht's und löst die goldne Scheide
Seines Schwertes aus dem Gurt,
Reißt den Wappenschild vom Kleide,
Vor dem Volk, das freudig murrt.
Pflückt den Federschmuck des Hutes,
Leget ab, was stolz und fremd,
Fodert sich getrosten Mutes
Ein gemeines Hirtenhemd.
Und der Männer Wohlgefallen
Bricht mit lautem Jubel aus,
Der in langen Widerhallen
Rollt bis an der Felsen Haus.
[426]
Und dem neuen Bundsgenossen
Rufet die Gemeine zu:
»Edler Herr, es ist beschlossen,
Unser Feldhauptmann bist du.«
Rudolph, zu dem Hirtenkleide,
Legt er schlichte Rüstung an,
Führt sein Volk, dem Feind zum Leide,
Weislich auf der Kriegesbahn;
Vor den kühnen Scharen reitet
Er auf adeligem Roß,
Und dem Traume folgend schreitet
Rasch das Heer empor zum Stoß.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. Gedichte. Gedichte. Größere Dichtungen. 2. Der Appenzeller Krieg. 7. Wer der Appenzeller Feldhauptmann ward. 7. Wer der Appenzeller Feldhauptmann ward. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-08F3-D