3.

Jetzt predigt er so milde,
Nach seines Meisters Bilde,
Das Wort in dem Gefilde
Wuchs unter seiner Hand.
Und Friedenstauben flogen,
Und über wilden Wogen
Erschien der Regenbogen:
Der Feind zog aus dem Land.
Da trocknete die Zähre,
Da reifte froh die Aehre,
Da hub die gute Lehre
Das müde Haupt in Kraft.
Den frommen Rat der Alten
Sah man zu Stuttgart walten,
Die Kirche sich entfalten
Befreit aus langer Haft.
Und wo durch's Kriegestoben
Sich eine Stimm' erhoben,
Das lautre Wort zu loben,
Die hallt in aller Ohr.
Drum, wo wer unbethöret
In schwerer Zeit gelehret,
Den rief man hochverehret
Vor allem Volk hervor.
[267]
Da macht sich auf die Reise
Zu seines Amtes Preise,
Beschieden vor die Greise,
Von Gutach unser Hirt:
Daß ihm gelohnet werde,
Weil sich von seiner Heerde
Trotz Jammer und Beschwerde
Kein Schäflein hat verirrt.
Er kommt mit Furcht und Beben;
Er hat in seinem Leben
Nicht viel sich abgegeben
Mit hoher Obrigkeit.
Er will im Vorsaal bleiben,
Da sitzen viel und schreiben;
Die Angst sich zu vertreiben
Hat er da gute Zeit.
Die Diener lernt er kennen,
Die hin und wieder rennen,
Jetzt wagt er sich zu nennen,
Er will gemeldet sein.
»Seid Ihr's? Euch kann's nicht fehlen!
Ja, Herr, Ihr dürft nur wählen,
Euch steht, auf meine Seelen,
Bei'm Brenz im Brett ein Stein!«
»Bei'm Brenz? bei'm Probst und Rate?
Der Kirche Hort im Staate,
Der drin in dem Senate
Den hohen Vorsitz führt?
Wann hat mich der gesehen?
Wie sollte das ergehen,
Da seines Geistes Wehen
Mein niedrig Haupt berührt?«
Ein geht er zu der Pforten
Mit solchen Zweifelsworten;
Doch wen erblickt er dorten?
Ist auch sein Auge klar?
[268]
In Seide, Sammt und Spitzen
Mit goldnem Kreuze blitzen,
Zu oberst steht er sitzen
Den Vogt von Hornberg gar!
Der streckt mit Gruß und Segen,
Wie alte Freunde pflegen,
Die treue Hand entgegen:
»Gelobt sei Jesus Christ!
Ihr habt wohl unterdessen
Den Flüchtling gar vergessen,
Der als ein Vogt gesessen
Zu Euren Füßen ist?
Ihr aber seid mir theuer,
Getreulich dacht' ich Euer,
Und Eurer Worte Feuer
Hat oft mich noch durchglüht;
Wie kann man Euch vergelten?
Ihr seid ein Hirte selten,
Zumal seit Ihr mit Schelten
Euch nicht vergeblich müht.«
»Für Sorgen und Beschwerden,«
Spricht jener, »kann auf Erden
Kein größrer Lohn mir werden,
Als solchen Mannes Wort.
Jetzt geh' ich ruhig schlafen;
Und, wollt ihr mich nicht strafen,
So laßt mich bei den Schafen
Zu Gutach fort und fort!
Wie will ich dort erzählen
Den lieben, frommen Seelen,
Will ihnen nicht verhehlen,
Daß Ihr den Vogt nicht logt.
Ihr seid, was Ihr gewesen,
Zum Vogt seid Ihr erlesen;
Ihr seid, zu Trotz dem Bösen,
Herr Brenz! des Himmels Vogt!«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Schwab, Gustav. Gedichte. Gedichte. 4. Romanzen, Balladen, Legenden. 3. Vermischte schwäbische Sagen. Der Vogt von Hornberg. 3. [Jetzt predigt er so milde]. 3. [Jetzt predigt er so milde]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0989-6