[211] Der Fluch Kishogues

oder

Der verschmähte Johannistrunk

Seht! 's war 'nmal ein gewaltig glorioser Bursche, Kishogue genannt, und einen mächtiger gloriosern Jungen gab es gar nicht in den sieben Pfarrgemeinden, was nun Trinken, Froliken, Balgen, Spielen oder Karessieren betraf, und dieses letztere schon gar, war euch geradezu der Hahn im Korbe aller schmucken muntern Dirnen weit und breit, auch ein wahrer Kampfhahn in der Fertigkeit, eine gute, heilsame Prügelsuppe einzubrocken auf Jahrmärkten oder Leichenwachten, der seinesgleichen weit und breit nicht hatte, mit einem Worte, die Blume und Zierde der irischen Burschenschaft ganz und gar.

Zwar hielten wieder die alten Gentlemen und Herren nicht ganz und gar soviel auf ihn, versteht ihr, die alten, gesetzten Herren; denn was wieder die jungen Squires betraf, bei Jasus! so hatten die den Narren doppelt an ihm gefressen, so daß sie ihn schier wie einen ihresgleichen ästimierten, und kein Wunder! Wußten wohl, daß Kishogue der Bursche war, irgendeinen Schabernack an- und eine Teufelei auszurichten, und war das just, was sie wollten; aber dann die Vernünftigen, Gesetzten, die Gewichtigen, wißt ihr, die den Beutel und das Regiment in der Grafschaft führten, die eigentlichen Herrschaften, versteht ihr, was man so eigentlich die Gentlemen nennt, die waren wieder mit seinem Hantieren nicht so ganz zufrieden und schüttelten oft die Köpfe, sagten auch öfters, sagten sie, daß, wenn Kishogue aus dem Lande, Haut und Haar und Knochen dazu, das Land um keinen Flederwisch schlimmer daran wäre, und die Hasen und Rebhühner und Rehe sich den Hals auch nicht abreißen, und die Forellen und Lachse sich die Augen auch nicht ausweinen würden. Aber konnten ihm bei alledem eigentlich nichts anhaben oder ihn in die Klemme bringen, denn war euch ein so gewichster[212] Bursche, schlauer als euer dreimal gepürschter Fuchs, schier nicht in die Falle zu bringen, schlief auch wie ein Wiesel mit offenen Augen.

Wohl! war das denn so lange die Art und Weise, in der er es trieb, und eine froliksame Weise für ihn war es, bei Jasus! und keiner glücklicher als Kishogue; denn war er nicht bloß glücklich wie viele bei Tage, sondern auch wie wenige bei Nacht. Bis endlich der Teufel es haben wollte und er in einer Nacht, wo er gerade recht glücklich gewesen, – kehrte von Peter Flanegans, der, wißt ihr, den besten Potsheen und die schmuckste Tochter weit und breit hatte, heim – in ein Mißverständnis hineintappte, und wie er in dieses Mißverständnis hineintappte, ist, bei Jasus! noch heutigentages nicht klar in Anbetracht, daß die Nacht stockfinster und er einen Sparren zuviel hatte. Aber ein Mißverständnis war es, und war das das Mißverständnis, wißt ihr, daß er meinte, es sei seine eigene Mähre, die eingebrochen in des Squires Wiesengrund, und daß, so meinend, er sie fing, die Mähre, in der Meinung, wißt ihr, es sei seine eigene. Aber war es nicht seine eigene, sondern des Squires Rotschimmel, den er für seine Mähre hielt; alles aus purem Mißverständnis, wißt ihr, und weil er glaubte, sie sei hinübergesprungen über den Wiesenzaun. Und da er das nicht haben wollte, trieb er sie in seinen eigenen Stall, und daß sie ihm ja nicht wieder hinüberspringen möchte, weiter nach Clanmarthen, wo er, um nicht wieder mit ihrem Entspringen geplagt zu sein, sie für ein Dutzend ganz funkelnagelneuer Goldfüchse versilberte.

Und wie er das tun und in das ganze lange Mißverständnis hineinplumpen konnte, ist bis dato noch nicht recht klar geworden, maßen es zwar Nacht, aber denn doch auch wieder Tag gewesen; aber hatte er einen Tropfen zuviel, und ein Tropfen zuviel bringt oft, wißt ihr, böses Spiel.

Und war es ein böses Spiel, in das dieses Mißverständnis unsern Kishogue brachte, ein trauriges Spiel, um so trauriger, als er es nicht eher gewahr wurde, als bis es zu spät war und der Constable eintrat und ihm sagte, er solle mit ihm gehen.

Schaut aber der Kishogue den Constable gar groß an und reißt die Augen weit auf, wie er ihn so sagen hört, daß er mit ihm gehen soll, und kratzt sich hinter den Ohren und wollte lange nicht mit der Sprache heraus, sagt aber endlich:

[213] »Und warum soll ich mit Euch gehen?« sagt er.

»Oh!« – sagt der Constable – »du weißt's nicht 'nmal? Ha, ha! Du weißt's nicht 'nmal? Tust ja gar gewaltig unschuldig!«

»Und warum sollt' ich nicht unschuldig tun, der ich so unschuldig bin wie das neugetaufte Kind? Und wahr ist's auch noch. Und wohin wollt Ihr, daß ich mit Euch gehen soll, wenn ich so frei sein darf zu fragen?«

Und schrie Kishogue die ersten Worte schier trotzig, aber bei den letzteren fiel ihm die Stimme gar kläglich, heulte schier.

Und sagt darauf der Constable ganz kurz: »Zum Jack sollst du mit.«

»Zum Jack soll ich?« heulte der Kishogue mehr und mehr. »Und warum soll ich zum Jack?«

»Just wegen dem Squire seinem Rotschimmel, den du ihm vor drei Tagen aus seiner Wiese gestohlen«, sagt der Constable.

»Das ist das erste, was ich höre«, sagt der Kishogue.

»Und bei meiner Treue! Es wird nicht das letzte sein, das du hörst«, sagt der Constable.

»Aber, bei Jasus!« sagt der Kishogue, »es ist doch nicht Mord oder Totschlag, weder Raub, noch Plünderung für einen Mann, sein eigenes Stück Vieh heimzuführen?«

»Nein«, sagt der Constable, »aber es ist Einbruch, eines andern Roß aus seinem Gelände wegzukapern. Burglary 1, weißt du!«

»Aber wenn ich nun sage, es war ein Mißverständnis.«

»Bei St. Patrick!« sagt der Greifauf, »wird dich teuer zu stehen kommen, das Mißverständnis!«

»Herr Jasus!« schrie Kishogue, »das ist eine trostlose Aussicht, aber es hilft nun 'nmal alles Flennen nicht, und so hol's der Teufel! Will mit Euch gehen.«

Und wohl half alles Reden nicht, und hätte er ebensowohl den Mühlsteinen von Macmurdoch Jigs 2 auspfeifen können, würde sie ebenso leicht zum Tanzen als den Greifauf zur Vernunft gebracht haben, und war, bei St. Patrick! das Ende vom Liede, daß er zum Jack oder, was dasselbe sagen will, ins Loch mußte.

Und lag er sonach im Loche und in der Soße, wie Paddy Wards Spanferkel im Pfeffer und Essig, bis die Assisen kamen, was Kishogue [214] gar nicht lieb war, denn war immer ein rühriger Bursche, dem 's Blut wie Quecksilber in den Adern tanzte und 's Herz am rechten Flecke saß; war auch viel zu stolz, dem Könige da Verbindlichkeiten schuldig sein zu wollen für Kost und Quartier und Transportunkosten nach wer weiß in welch queres Land; zu geschweige, daß für einen Jungen wie er, gewohnt, Tag und Nacht auf den Beinen zu sein und im Lande herumzujagen und zu froliken und zu karessieren, das Strecken und Recken auf dem hölzernen Sofa mit dem Strohkissen schon gar widerwärtig; obwohl, zur Ehre seiner Kameraden sei es gesagt, sie wieder ihr äußerstes taten, sich's aus Leibeskräften angelegen sein ließen, ihm sein Logement angenehm zu machen; denn war gar mächtig gewaltig beliebt im Lande, und kamen des Morgens, Mittags und Abends, so daß der Schließer alle Hände voll zu tun hatte mit Aus- und Einlassen und Auf- und Zuriegeln. Kamen und gingen in einem fort, wie Peggy Millagans Bettlaken.

Wohl kamen zuletzt auch die Assisen heran, und mit ihnen der Sheriff und die Richter und die Zeugen, alle auf das Heilige Buch geschworen, nichts als die Wahrheit zu sagen, reine, pure, lautere Wahrheit. Und war denn der arme Kishogue der allererste, der in die Pfanne kam von wegen des Squires seinem Rotschimmel, den er für seine Mähre genommen. Und sollte es schier eine zu heiße Pfanne für ihn werden, denn hatten sich hoch und teuer verschworen, einmal ein Exempel zu statuieren, und sagten ihm, wie er vor die Gerichtsschranken kam, er solle seine Hand aufheben.

Und hob er unerschrocken seine Hand auch auf, und eine schönere, tüchtigere Hand gab's euch nicht, noch eine kräftigere Faust, eine wahre Staatsfaust, die auffallen und dreinschlagen konnte, trotz 'nem Schmiedehammer. Ganz unerschrocken hebt er sie auf, aber wie er sie so aufhebt, bemerkten die Leute, daß sie zitterte, und nahmen das für ein böses Zeichen, die Leute, das Zittern, sahen ihm auch alle an, daß ihm der Spaß nicht so ganz gefiel. Wem, der Teufel! sollte er auch gefallen?

Wohl, war euch ein Männlein da in einem schwarzen Rockelor 3 und einer gepuderten Perücke und Brille, das hin und her schnellte und aufschnellte und seine Brille putzte und dann einen Pack Geschriebenes vor sich tat und daraus las und las, so daß ihr geschworen [215] hättet, er würde alle Tage seines Lebens nicht fertig. Ging ihm vom Maule wie einer Klappermühle, und alles, was er las, ging über den armen Kishogue her, wie wir später hörten, aber damals nicht verstanden, was der schäbige kleine Wicht von Advokat alles über ihn las, und die Lügen, die er herausklapperte, worüber der arme Kishogue, der nicht die Hälfte davon getan, schier in Angst geriet und die Courage verlor, aber nach einer Weile wieder Mut faßte. Und wie der schäbige Knirps gar nicht aufhören will, so schreit er:

»Und, bei Jasus! alles, was das kleine Perückenmännlein da sagt, ist erstunken und erlogen, und wenn ich nur die Hälfte davon getan habe, so will ich –«

»Stille im Gerichtshofe!« schreit der Weibel.

Wollt' ihn so zum Schweigen bringen.

»Bei Jasus! da ist keine Gerechtigkeit für einen armen Jungen!« schreit Kishogue, »Zeter, Mord und Totschlag!« schreit er, »soll eines Mannes Leben weggeschworen und geplärrt und gekrächzt werden auf diese Manier und Art und Weise, und darf er kein Wort dazu sagen?«

»Halt's Maul!« schreit der Lordrichter.

Und mußte Kishogue richtig das Maul halten, bis das Perückenmännlein alles ausgelesen, und als er endlich alles ausgelesen, wirft er das Geschreibe alles auf den Tisch und fragt Kishogue:

»Schuldig oder nichtschuldig?«

»Ich hab's nicht getan«, schreit und heult Kishogue.

»Antworte, wie du geheißen wirst«, sagt der Brillenmann, »schuldig oder nichtschuldig?«

»Aber es war ein Mißverständnis!« heult wieder Kishogue.

»Hol' dich der Henker! Kannst du nicht Antwort geben, wie du geheißen wirst?« sagt der Lordrichter, »schuldig oder nicht schuldig?«

»Nichtschuldig!« sagt endlich Kishogue.

»Glaub' dir's nicht!« sagt der Lordrichter.

»Weiß es wohl, daß Ihr's nicht glaubt«, schreit Kishogue, »seid ja dafür bezahlt, die Leute zu hängen, und ist Euer tägliches Brot, und je mehr Ihr hängt, desto größer Euer Lohn.«

»Hast ein bewegliches Züngelchen, Bursche!« sagt der Lordrichter.

»Ah! bei Jasus!« sagt Kishogue, »werdet es bald unbeweglich machen, mein Züngelchen, Ihr und der Galgenmann.«

[216] Und war, bei St. Patrick, nicht weit vom Ziele, der arme Kishogue; denn brachten ihn euch doch so in die Klemme, daß er nicht mehr schwitzte, sondern dampfte und zuletzt das Maul gar nicht mehr aufzutun wagte, einen solchen Schwarm von Zeugen ließen sie auf ihn los, und schworen die euch Stein und Bein auf ihn und sein Leben, so daß er zuletzt ordentlich konfus wurde und schier nicht mehr wußte, ob er noch am Leben oder schon am Galgen, so setzten sie ihm zu mit Fragen und Gegenfragen und Kreuzundquerfragen und Examinationen und Gegenexaminationen. Und, bei Jasus! waren die quersten Examinationen, die je gehört worden, und die Zeugen, sie schworen euch, hätten euch, bei meiner armen Seele! faustdicke Löcher in den funkelnagelneuesten Eisentopf hineingeschworen. Nicht, daß Kishogues Freunde und Kameraden nicht auch ihre Schuldigkeit getan – ei, standen wie Männer und schworen aus Leibeskräften und Stein und Bein, daß es eine wahre Freude zu hören, vermeinten auch, es dahin zu bringen, daß sie ein Alibi ausmachen könnten, wißt ihr, ein Alibi, was sagen will, daß Kishogue, wie das Mißverständnis vor sich gegangen in der Nacht, ein Dutzend Meilen oder ein paar weiter weg gewesen und nicht in des Squire und seines Rotschimmels Nachbarschaft. Aber wollte alles nichts helfen und Richter und Geschworene nichts davon hören, und wurde der arme Kishogue verurteilt, gehangen zu werden, und setzte der Lordrichter seine schwarze Kappe auf und sprach gar viele und schöne und erbauliche Worte und gab ihm gar heilsame Ermahnungen und gute Räte. Und war nur schade, daß der arme Kishogue die guten Räte und heilsamen Ermahnungen nicht früher erhalten, sondern erst, als es zu spät war. Und waren die letzten Worte des Richters:

»Der Herr sei deiner Seele gnädig! Amen.«

»Dank' Euch, Mylord!« sagte Kishogue, »obwohl es selten ist, daß Glück und Segen nachkommt, wo Euer Gebet und Amen vorangegangen.«

Und sicher und gewiß war der arme Kishogue verurteilt, den nächsten Samstag darauf ausgeführt und gehangen zu werden. Und den nächsten Samstag ward er auch ausgeführt, um gehangen zu werden.


Waren aber die Straßen, durch die er mußte, so voll Menschen, wie ihr alle Tage eures Lebens nicht geschaut; hatten ihn gar so gern, alle Menschen. War es aber damals die Mode, vor der Stadt [217] gehangen zu werden, ganz und gar nicht wie heutzutage, wo die Leute es viel bequemer haben und geradezu vorm Fenster ihres Armensünderstübchens aufgehangen werden; aber wußte man halt in jener Zeit nichts von verfeinerten und humanen Gefühlen und die Galgen komfortabel und bequem zu stellen und einzurichten, sondern steckte die Leute in einen Karren, just wie euer Pächter die Mastschweine, die er zu Markte fährt, und ging es so fort, holterdipolterdi durch die ganze Stadt, dem Galgen zu, der immer eine gestreckte halbe Meile vom Tore weg lag.

Wohl, wie nun der Karren mit dem armen Kishogue um die Ecke der Kreuzstraße herumkommt, wo Wittib Hullagan ihre Pintenschenke hatte, – ehe die schäbig räudigen Plärrer, die Methodisten, sie niederrissen und dafür ein geistliches Versammlungshaus hinstellten – hole sie der Henker, die schäbigen, winselnden Hunde, die allen Zeitvertreib verderben, wo sie sich nur immer einnisten! – Ja, das darf ich auch nicht vergessen, wenn immer der Karren mit der ganzen Prozession an die Ecke zu kommen pflegte, was geschah anders, als die Prozession hielt an und heraus kam ein Fiedler, auf seiner Geige aufspielend und die Prozession anführend, und die Wittib Hullagan mit einem tüchtigen Kruge Würzwein oder Punsch zur Stärkung des armen Sünders und dem, was ihm bevorstand; denn ist so eine Spazierfahrt zum dreibeinigen Roß, wißt ihr, eben nicht die pläsierlichste, selbst wenn man für eine gerechte Sache stirbt, wie Uncle Meigs sagte, als er gehangen wurde, weil er den Akzisemann von Londonderry kaltgemacht.

Wohl denn, wißt ihr, hielten also richtig immer an der Wittib Hullagan Pintenschenke an, und das eine gute Weile, denn wollte man nicht dem in der Equipage die letzte Gottesgabe verkümmern durch allzugroße Eile, auch ihm eine gute Gelegenheit geben, ein Wort oder so mit trauten Freunden oder Freundinnen im Vorbeigehen zu schwätzen; zu geschweigen, daß es gar erbaulich und trostreich fürs Volk zu schauen, wie einer der Seinigen sich letzt und gebärdet und ein armes Sündergesicht schneidet.

Wohl, wie es nun schon zu gehen pflegt und der Böse zuweilen sein Spiel treibt, so war an diesem Samstag, wie der Karren mit dem Kishogue vor der Pintenschenke ankommt, kein Fiedler weder zu sehen, noch zu hören. Kam euch aber aufgezogen, der Kishogue, so mutig und tapfer, als säße er in Mylord Leutnants Staatswagen, [218] und gar nicht bleich und niedergeschlagen. Aber in der Sekunde, wo der Karren anhält, springt er auf wie ein Bock und brüllt euch wie ein Stier, brüllt er: »Schickt mir den Tom Riley heraus; alsogleich schickt mir den Tom Riley heraus, daß er mir aufgeige und das Herz kräftige mit dem Stücke von den Buben von Mallow!«

Denn war ein Mallowbursche, sicher und gewiß, und gar stolz auf seinen Geburtsort.

Wohl, wie es nun der Teufel schon haben will und er so nacheinander wohl ein dutzendmal aufbrüllt und wie rasend im Karren heraufspringt, war alles still, kein Tom Riley zu sehen, kein Tom Riley zu hören, und war die Ursache davon, daß er nicht da war, weil er toll und voll in einem Graben nicht weit von Blarneys lag.

War auf dem Heimwege von der Beicht, wißt er, und hatte aus lauter Freude, daß ihm der Pfaffe seinen Sündenpack abgenommen, sich etwas zugut getan und war darüber in den Graben gefallen und eingeschlafen, wißt ihr.

Und wie nun Kishogue hört, daß er sein Leibstück und Lied nicht haben kann, wird er euch doch so totenblaß und bleich, sah euch geradezu aus, als ob er schon am hölzernen Rosse hinge, und ging es ihm so zu Herzen, daß er absolut von gar nichts mehr hören, keinen Trost mehr annehmen wollte und geradezu nach dem Galgen verlangte, seiner Lebensqual mit einem Male ein Ende zu machen.

»Oh! bringt mich fort, bringt mich fort!« schreit und heult er. »Will von nichts mehr wissen, will nichts mehr hören! Oh, bringt mich weg«, schreit er in Verzweiflung, »denn Tom Riley hat mich betrogen, hat versprochen, mir aufzufiedeln die Buben von Mallow, auf daß ich stürbe wie ein wackerer Bube von Mallow. Oh, bringt mich weg – weg – kann nicht sterben wie ein wackerer Mallowbube!«

»O Herzensbübchen! Kishoguechen! Perlchen! Schätzchen!« schreit wieder die Wittib Hullagan, »o Schätzchen, Täubchen!« kreischt sie, »nimm das Nasse gleichwohl, o nimm es und trink und letze dich und laß dir Zeit, Püppchen, Schätzchen! O Perlchen, Kishoguechen! Trink um der gloriosen Jungfrau Ursula und aller ihrer dreiunddreißigtausend Jungfrauen willen!«

War euch nämlich eine gar fromme und gottesfürchtige Frau, die alte Wittib Hullagan, und in der katholischen Kirchengeschichte schier so gut wie der Pfaffe bewandert, auch mächtig empfindsam, so daß[219] sie richtig immer mit dem armen Sünder zum Galgen ging und das Trinken umsonst hergab, und wäre er wildfremd gewesen. War es aber ein besonderer Freund, dann mußte sie immer zunächst dem Galgen sein und seine Abfahrt mit ansehen. Ach, war euch eine köstliche Frau, die alte Hullagan, und hättet sie hören sollen, wie sie jetzt schrie: Kishogue, mein Schätzchen, mein Perlchen! o nimm doch das Nasse! – und wie sie ihm den vollen Krug zum Karren hinaufhielt.

Und war euch ein so rundbauchig gewaltiger Krug, voll des köstlichst gewürzten Weines und Branntweines, ein Lord hätte ihn trinken mögen!

Wollt' ihn aber nicht anrühren, der arme Kishogue. »Fort aus meinen Augen«, schreit er, »fort! Mein Herz ist betrübt bis in den Tod, denn Tom Riley hat mich betrogen, hat mir versprochen aufzufiedeln, auf daß ich fröhlich und tapfer stürbe wie ein wahrer Mallowbube, – und kann nicht wie ein Mallowbube sterben!« heult er gar kläglich, »und ist mein Herz betrübt, schier zum Brechen, und will sterben! Und sei verflucht der Tropfen, der über meine Zunge kommt, will keinen Johannistrunk, will sterben!«

Und war's sicher und gewiß zum ersten Male in seinem Leben, daß Kishogue das Nasse zurückstieß und verfluchte, worüber sich alle Leute schier entsetzten, schüttelten auch die Köpfe darüber und sagten, daß es nun mit ihm gewiß Matthäi am letzten; soll so immer der Fall sein.


Wollt' ihn aber nicht anrühren, der arme Kishogue. »Fort aus gen zu, und alle die Leute nach, aber still und verstimmt, wißt ihr, weil Kishogue gar so wild und verzweifelt tat und von nichts mehr hören wollte und nur antrieb, daß seinen Leiden ein Ende gemacht würde. Und kamen sie auch nur zu bald am Galgen an, wo, wißt ihr, sie eben nicht mehr viel Federlesens mit 'nem armen Teufel zu machen pflegen.«

Aber winkt doch noch der Sheriff dem Hängmanne, seinem Gehilfen, und fragt den Kishogue, ob er nicht ein Wort oder so verlieren wollte zur Erbauung der Leute und ihrem Komfort und seinem eigenen.

Schüttelt aber Kishogue abermals den Kopf und heult: »Fort, fort! Will nichts mehr sehen, nichts mehr hören, denn Tom Riley [220] hat mich betrogen; habe gehofft, wie ein fröhlicher Bube von Mallow zu sterben, und ist mein Herz betrübt bis in den Tod!«

Und so sagend und heulend ward er euch so ungeduldig nach der Hanfbraut!

War aber, die Wahrheit zu gestehen, gar nicht schön von ihm, daß er sich noch zu guter Letzt so unfreundlich zeigte, seine Freunde um die Galgenpredigt brachte. Hielten es auch viele für recht schäbig von ihm, denn hatten sich darauf gefreut, wißt ihr, weil er just der Bursche, seine Worte zu stellen trotz einem, und kapital dazu. Und die Pfennigsblättleindrucker und die Balladensänger und Verkäufer, die schon die Finger gespitzt und die Federn eingetunkt, die schimpften euch geradezu und laut, sagten es auch frei heraus, es sei gemein und schlecht von ihm, sie um ihren ehrlich verdienten Pfennig zu bringen.

Aber meinten es doch wieder im Grunde nicht so böse, denn wußten wohl, daß sein Herz betrübt von wegen des Streiches, den ihm Tom Riley gespielt, und sah er euch auch jetzt so bleich aus, wie sie die sieben Sachen für ihn zurechtmachten. Waren seine letzten Worte: »Schafft mich aus der Welt, – alsogleich schafft mich aus der Welt, denn mein Herz ist betrübt, weil Tom Riley mich betrogen in meiner letzten und liebsten Hoffnung, als fröhlicher Bube von Mallow zu sterben!«

Und kurz, und eine lange Geschichte nicht länger zu machen, so legten sie denn die Dinge zurecht und taten ihm, wie er es haben wollte, und als sie ihm die Hanfbraut um den Hals gelegt, wartet er gar nicht lange, sondern stößt die Leiter, auf der er steht, selbst weg und schnellt sich hinüber in das jenseitige Land. – Und hörtet einen Knack, saht einen Hops, ein kurzes Baumeln, Zucken, und aus, Maus war's mit ihm – und er im Himmel, oder sonstwo.

War aber mit dem rechten Fuße vorwärts geschnellt, was, wie die Leute sagen, immer ein Zeichen ist, daß er in die ewige Glorie eingegangen. Und mag er wohl dahin eingegangen sein, denn war euch sicherlich ein gar fröhlich munterer Bursche, voll Teufelei, aber im Grunde herzensgut, wißt ihr, nur ein bißchen unbequem unsern alten Herren, und die, wißt ihr, wenn sie einen auf die Muck nehmen, er entgeht ihren Krallen nicht. Ist nun schon so einmal der Welt Lauf.

Wohl, wie er nun so hängt und die Leute ihn alle anschauen und [221] betrachten, was für ein tüchtig gestreckter Leichnam er geworden ist, was geschieht? Was glaubt ihr wohl, daß geschieht?

Just wie alles aus, Maus mit ihm, läßt sich draußen außer dem Ringe ein Schrei hören, und ein Reiter auf einem weißen Pferde kommt herangesprengt, der, ihr würdet geschworen haben, die Lüfte spalten wollte, so flog er – gerade dem Galgen zu. Und wie er so an den Galgen zugeflogen kommt, sehen die Leute, daß das Roß schwarz ist, aber ganz weiß vor lauter Schaum. War geritten, daß Mann und Pferd keinen Atem mehr im Leibe hatten, auch kein Sterbenswörtchen hervorbringen konnten; so reißt denn der Mann statt aller Worte ein Papier aus seiner Rocktasche heraus und wirft es dem Sheriff zu.

Und wurde euch der Sheriff doch so blaß, als er einen Blick aufs Papier warf, totenblaß wurde er, konnte anfangs nicht reden, endlich aber schreit er: »Haut ihn entzwei, haut ihn entzwei, sag' ich, bei Jasus! haut ihn entzwei, augenblicklich!«

Und hieben die Dragoner auch sogleich drein, und hätten ihn auch bei einem Haar entzweigehauen – den Reiter nämlich, wenn er sich nicht geduckt und vom Pferde gesprungen und hinter den Sheriff geflüchtet. Waren unsere echt irländischen Londonderry-Dragoner.

Schreit aber der Sheriff wie toll: »Nein, den Galgenmann, den Gehängten, den Strick haut entzwei, ihr verdammten Schlingel, die ihr seid, den sollt ihr entzweihauen und nicht den Pardonbringer!«

Und hauten sie ihn nun entzwei, den Strick nämlich, war aber Senf nach dem Essen mit Kishogue, und alles vorbei mit ihm, und er bei dieser Zeit so mausetot und steif, hätte den besten Türpfosten abgeben können, war tot wie ein gesalzener Hering.

»O Unglück, Malefiz und Pestilenz!« schreit der Sheriff, »auch Pest und Hungersnot!« schreit er und reißt sich die Haare aus der Perücke und die Perücke vom Kopfe, »o Malefiz, Pestilenz! Wollte lieber Biersuppe kochen, als das erfahren haben, den armen Kishogue da zu hängen, wenn ein Pardon für ihn da ist. O Unglück, Pestilenz! auch Pest und Hungersnot über dich, Kishogue, der du so mit Extrapost gehangen werden wolltest!«

»O Zeter, Mord und Totschlag! – Millionen Zeter, Mord und Totschlag!« schreit die Wittib Hullagan, »o Kishogue! Unglückseliger Kishogue! Was hast du getan, Unglückseliger, der du meinen Punsch und Würzwein verschmäht, den Johannistrunk verflucht![222] O Jammer, Elend, Mord und Totschlag!« schreit sie, »Millionen Mord und Totschlag! Hättest du nur einen Tropfen gekostet, nur einen Tropfen, hättest gewiß keinen Tropfen übriggelassen, wärest selbst übriggeblieben, am Leben geblieben! O unglückseliger Kishogue! Unglückseliger Bube!«

»Unglückseliger Kishogue!« schrien nun die einen.

»Unglückseliger Kishogue, der du deinen Johannistrunk verflucht und zurückgelassen!« die andern.

»Und ist der Fluch über dich gekommen!« die dritten.

»Weil du den Johannistrunk verschmäht und verflucht!« die vierten.

Und heulten und klagten sie alle, die Tausende, so jämmerlich! Zum Gotterbarmen heulten sie; denn war das erste Mal seit Menschengedenken, daß ein Ire den Johannistrunk oder irgendeinen Trunk verschmäht, und stand allen vor Augen die furchtbare Strafe, welche auf ein solches Verschmähen folgt.


»Aber ist auch, ein furchtbares Ding«, versicherte der Irländer, »die Gottesgabe zu verfluchen; aber ganz und gar sie zu verschmähen und zurückzulassen, schier heidnisch und unchristlich ganz und gar! Und ist's das erstemal, letztemal, daß 's geschehen ist, und tut's keiner mehr.

Und ist seit dieser Zeit in Mallow und Londonderry und in Cork und in Munster und in ganz Irland der Fluch Kishogues, des verschmähten Johannistrunkes, ein grausamer Fluch, und hütet sich ein Irländer, ihm zu verfallen. Amen.«

Und wie nun der Ire geendet, greifen alle so unwillkürlich mechanisch, wie um den Fluch Kishogues abzuwehren, nach den mittlerweile gefüllten Punschgläsern!

Es war aber auch in dem Bruchstücke etwas so eigentümlich irisch Wildes, die Phantasie heißblütiger Southrons Ergreifendes!

Fußnoten

1 Burglary: Einbruch.

2 Jig: irländisches Tanzlied.

3 Roquelaure, kurzer Mantel, Reisemantel, nach dem Herzog von Roquelaure, um 1720, so genannt.

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TextGrid Repository (2012). Sealsfield, Charles. Erzählungen. Das Kajütenbuch oder Nationale Charakteristiken. Die Prärie am Jacinto. Der Fluch Kishogues. Der Fluch Kishogues. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0A2B-0