William Shakespeare
König Heinrich IV.

Zweiter Teil

[279] Personen

König Heinrich IV.

Prinz Heinrich von Wales

Thomas, Herzog von Clarence

Prinz Johann von Lancaster

Prinz Humphrey von Gloster, Söhne des Königs

Graf von Warwick

Graf von Westmoreland

Gower

Harcourt, von des Königs Partei

Der Oberrichter von der königlichen Bank

Ein Unterbeamter im Gefolge des Oberrichters

Graf von Northumberland,

Scroop, Erzbischof von York

Lord Mowbray

Lord Hastings

Lord Bardolph, Feinde des Königs

Sir John Colevile

Travers und Morton, Bediente Northumberlands

Falstaff

Bardolph

Pistol

Ein Page

Poins und Peto, Begleiter Prinz Heinrichs

Schaal und Stille, Friedensrichter auf dem Lande

David, Schaals Bedienter

Schimmelig, Schatte, Warze, Schwächlich und Bullenkalb, Rekruten

Klaue und Schlinge, Gerichtsdiener

Ein Pförtner

[279] Lady Northumberland

Lady Percy

Frau Hurtig, Wirtin

Dortchen Lakenreißer

Lords und andres Gefolge, Offiziere, Soldaten, Bote, Küfer, Büttel, Kammerdiener usw.

[280]

Prolog

Warkworth. Vor Northumberlands Burg.

Gerücht, ganz mit Zungen bemalt, tritt ein.

GERÜCHT.
Die Ohren auf! Denn wer von euch verstopft
Des Hörens Tor, wenn laut Gerüchte spricht?
Ich, von dem Osten bis zum müden West
Rasch auf dem Winde reitend, mache kund,
Was auf dem Erdenball begonnen wird.
Beständ'ger Leumund schwebt auf meinen Zungen,
Den ich in jeder Sprache bringe vor,
Der Menschen Ohr mit falscher Zeitung stopfend.
Von Frieden red' ich, während unterm Lächeln
Der Ruh' versteckter Groll die Welt verwundet;
Und wer, als nur Gerücht, als ich allein,
Schafft drohn'de Musterung, wache Gegenwehr,
Indes das Jahr, geschwellt von anderm Leid,
Für schwanger gilt von dem Tyrannen Krieg,
Was doch nicht ist? Gerücht ist eine Pfeife,
Die Argwohn, Eifersucht, Vermutung bläst,
Und von so leichtem Griffe, daß sogar
Das Ungeheuer mit zahllosen Köpfen,
Die immer streit'ge, wandelbare Menge,
Drauf spielen kann. Allein wozu zergliedre
Ich meinen wohlbekannten Körper so
Vor meinem Hausstand? Was will hier Gerücht?
Vor König Heinrichs Siege lauf' ich her,
Der in dem blut'gen Feld bei Shrewsbury
Den jungen Heißsporn und sein Heer geschlagen,
Löschend die Flamme kühner Rebellion
In der Rebellen Blut. – Was fällt mir ein,
[281]
Sogleich so wahr zu reden? Auszusprengen
Ist mein Geschäft, daß Heinrich Monmouth fiel
Unter des edlen Heißsporn grimm'gem Schwert,
Und daß der König vor des Douglas Wut
Zum Tode sein gesalbtes Haupt gebeugt.
Dies hab' ich durch die Landstädt' ausgebreitet,
Vom königlichen Feld zu Shrewsbury
Bis hier zu dieser wurmbenagten Feste
Von rauhem Stein, wo Heißsporns alter Vater
Northumberland schwer krank danieder liegt.
Die Boten kommen nun ermüdet an,
Und keiner meldet, als was ich gelehrt.
Schlimmer als wahres Übel ist erklungen
Falsch süße Tröstung von Gerüchtes Zungen.

Ab.
[282]

Erster Aufzug

Erste Szene
Ebendaselbst.

Der Pförtner am Tor. Lord Bardolph tritt auf.

LORD BARDOLPH.
Wer wacht am Tor da? He! – Wo ist der Graf?
PFÖRTNER.
Wer, sag' ich, daß Ihr seid?
LORD BARDOLPH.
Sag du dem Grafen,
Es warte der Lord Bardolph hier auf ihn.
PFÖRTNER.
Der gnäd'ge Herr ist draußen in dem Garten:
Beliebt's Eu'r Edlen, klopft nur an dem Tor,
So gibt er selbst Euch Antwort.
LORD BARDOLPH.
Da kommt der Graf.

Northumberland tritt auf.
NORTHUMBERLAND.
Was gibt's, Lord Bardolph? Jegliche Minute
Muß jetzt die Mutter einer Kriegstat sein.
Wild sind die Zeiten: Hader, wie ein Pferd
Voll mut'ger Nahrung, das sich losgerissen,
Rennt alles vor sich nieder.
LORD BARDOLPH.
Edler Graf,
Von Shrewsbury bring' ich gewisse Zeitung.
NORTHUMBERLAND.
So Gott will, gute.
LORD BARDOLPH.
Gut nach Herzenswunsch.
Der König ist zum Tode fast verwundet,
Durch Eures Sohnes Glück ist auf der Stelle
Prinz Heinrich umgebracht, und beide Blunts
Von Douglas' Hand getötet; Prinz Johann
Und Westmoreland und Stafford sind geflüchtet,
Und Heinrich Monmouths feistes Schwein, Sir John,
Gefangner Eures Sohns; o solch ein Tag,
[283]
So schön erfochten, durchgesetzt, gewonnen,
Erschien nicht zur Verherrlichung der Zeiten
Seit Cäsars Glück!
NORTHUMBERLAND.
Doch woher schreibt sich dies?
Saht Ihr das Feld? Kamt Ihr von Shrewsbury?
LORD BARDOLPH.
Ich sprach mit einem, Herr, der dorther kam,
Mit einem Mann von Stand und gutem Namen,
Der diese Nachricht dreist als wahr mir gab.
NORTHUMBERLAND.
Da kommt mein Diener Travers, den ich Dienstags,
Um Neuigkeiten auszuhorchen, sandte.
LORD BARDOLPH.
Herr, unterwegs ritt ich an ihm vorbei;
Er ist mit mehr Gewißheit nicht versehn,
Als was er etwa mir kann nacherzählen.

Travers kommt.
NORTHUMBERLAND.
Nun, Travers, was für gute Nachricht bringst du?
TRAVERS.
Mylord, Sir John Umfrevile sandte mich
Mit froher Zeitung heim und kam mir, besser
Beritten, vor. Nach ihm kam hastig spornend
Ein Edelmann, von Eile fast erschöpft,
Der bei mir hielt, und ließ sein Pferd verschnaufen.
Er frug den Weg nach Chester, und von ihm
Erfuhr ich, was es gab zu Shrewsbury.
Er sagte, Rebellion hab' übles Glück,
Des jungen Heinrich Percy Sporn sei kalt;
Damit ließ er dem raschen Pferd die Zügel
Und stieß, vorlehnend, die bewehrten Fersen
In seiner armen Mähr' erhitzte Weichen
Bis an des Rädleins Knopf: so schoß er fort
Und schien den Weg im Laufe zu verschlingen,
Nicht weiter Frage stehend.
NORTHUMBERLAND.
Ha! noch 'mal!
Sagt' er, des jungen Percy Sporn sei kalt?
Aus Heißsporn Kaltsporn? Und Rebellion
Hab' übles Glück?
LORD BARDOLPH.
Mylord, hört mich nur an:
Wenn Euer Sohn nicht Herr des Tages ist,
[284]
So geb' ich meine Baronie, auf Ehre,
Für eine seidne Schnur; sprecht nicht davon!
NORTHUMBERLAND.
Weswegen hätte denn der Edelmann,
Der hinter Travers herkam, den Verlust
Mit solchen Punkten angegeben?
LORD BARDOLPH.
Der?
Das war ein Vagabunde, der sein Pferd
Gestohlen hatte, und, bei meinem Leben!
Sprach aufs Geratewohl. Sieh da, mehr Zeitung!

Morton kommt.
NORTHUMBERLAND.
Ja, dieses Manns Stirn, wie ein Titelblatt,
Verkündigt eines trag'schen Buches Art.
So sieht der Strand aus, wo die stolze Flut
Ein Zeugnis angemaßter Herrschaft ließ. –
Sag, Morton, kommst du her von Shrewsbury?
MORTON.
Ich lief von Shrewsbury, mein edler Herr,
Wo grauser Tod die ärgste Larve nahm,
Die Unsrigen zu schrecken.
NORTHUMBERLAND.
Was macht mein Sohn und Bruder?
Du zitterst, und die Blässe deiner Wange
Sagt deine Botschaft besser als dein Mund.
Ganz solch ein Mann, so matt, so atemlos,
So trüb, so tot im Blick, so hin vor Weh,
Zog Priams Vorhang auf in tiefster Nacht
Und wollt' ihm sagen, halb sein Troja brenne;
Doch Priam fand das Feu'r, eh' er die Zunge:
Ich meines Percy Tod, eh' du ihn meldest.
Du wolltest sagen: »Eu'r Sohn tat das und das;
Eu'r Bruder das; so focht der edle Douglas«,
Mein gierig Ohr mit ihren Taten stopfend:
Allein am Ende, recht mein Ohr zu stopfen,
Wehst du dies Lob mit einem Seufzer weg
Und endest: »Bruder, Sohn und alle tot.«
MORTON.
Der Douglas lebt und Euer Bruder noch,
Doch Euer edler Sohn –
NORTHUMBERLAND.
Ja, der ist tot!
Seht, welche fert'ge Zunge Argwohn hat!
[285]
Der, welcher fürchtet, was er wissen will,
Hat durch Instinkt aus andrer Augen Kenntnis,
Geschehn sei, was er fürchtet. Sprich nur, Morton:
Sag deinem Grafen, seine Ahnung lügt,
Ich will für einen süßen Schimpf es halten
Und reich dich machen, weil du so mich kränkst.
MORTON.
Ihr seid zu groß für meinen Widerspruch,
Eu'r Sinn ist wahrhaft, Eure Furcht gewiß.
NORTHUMBERLAND.
Trotz allem dem, sag nicht, daß Percy tot!
Ein wunderlich Bekenntnis nehm' ich wahr
In deinem Aug': du schüttelst deinen Kopf
Und achtest für Gefahr es oder Sünde,
Die Wahrheit reden. Sag's, wenn er erschlagen;
Die Zung' ist schuldlos, die ihn tot berichtet,
Und Sünde ist's, die Toten zu belügen,
Nicht, wenn man sagt, der Tote lebe nicht.
Allein der Bringer unwillkommner Zeitung
Hat ein nachteilig Amt, und seine Zunge
Klingt stets nachher wie eine dumpfe Glocke,
Die einst dem abgeschiednen Freund geläutet.
LORD BARDOLPH.
Ich kann's nicht denken, Euer Sohn sei tot.
MORTON.
Mich schmerzt, daß ich Euch nöt'gen soll zu glauben,
Was, wollte Gott, ich hätt' es nie gesehn.
Doch diese meine Augen sahen ihn,
In blut'gem Stande, matt und atemlos,
Ohnmächtige Vergeltung nur erwidernd
Dem Heinrich Monmouth, dessen rascher Grimm
Den nie verzagten Percy schlug zu Boden,
Von wo er nie lebendig sprang empor.
Und kurz, sein Tod (des Seele Feuer lieh
Dem trägsten Knechte selbst in seinem Lager),
Sobald er ruchtbar, raubte Feu'r und Hitze
Dem bestbewährten Mut in seinem Heer.
Denn sein Metall nur stählte die Partei:
Da es in ihm erweicht war, kehrten alle
In sich zurück wie stumpfes, schweres Blei,
Und wie ein Ding, das schwer ist an sich selbst,
Auf Nötigung mit schnellster Eile fliegt:
[286]
So liehen unsre Leute, schwer gedrückt
Von dem Verluste Heißsporns, dem Gewicht
Durch ihre Furcht solch eine Leichtigkeit,
Daß Pfeile nie zum Ziele schneller flogen,
Als unsre Krieger, zielend auf ihr Heil,
Vom Felde flohn; da ward der edle Worcester
Zu bald gefangen, und der wilde Schotte,
Der blut'ge Douglas, dessen eifernd Schwert
Dreimal den Anschein eines Königs schlug,
Fing an, entherzt zu werden, und beschönte
Die Schande derer, die den Rücken wandten;
Und da er in dem Fliehn aus Furcht gestrauchelt,
Ward er gefaßt. Die Summ' von allem ist:
Der König hat gewonnen, und er sendet
Ein schleunig Heer, Euch zu begegnen, Herr,
Unter des jungen Lancaster Befehl
Und Westmorelands; da habt Ihr den Bericht!
NORTHUMBERLAND.
Ich werde Zeit genug zum Trauern haben.
Im Gift ist Arzenei, und diese Zeitung,
Die, wär' ich wohl, mich hätte krank gemacht,
Macht, da ich krank bin, mich beinah' gesund.
Und wie der Arme, fieberschwach von Gliedern,
Die wie gelähmte Angeln von der Last
Des Lebens niederhängen, ungeduldig
Des Anfalls, wie ein Feuer aus den Armen
Der Wächter bricht: so sind auch meine Glieder,
Geschwächt vom Leid und wütend nun vor Leid,
Dreimal sie selbst; drum fort, du zarte Krücke!
Ein schupp'ger Handschuh muß mit Stahlgelenken
Mir decken diese Hand; fort, kranke Binde!
Du bist ein allzu üpp'ger Schutz dem Haupt,
Wonach, gereizt von Siegen, Fürsten zielen.
Bind't meine Stirn mit Eisen! Und nun nahe
Die rauhste Stund', die Zeit und Trotz kann bringen,
Dem wütenden Northumberland zu dräun!
Küss' Erde sich und Himmel, ihren Schranken
Entweiche wild die Flut! Die Ordnung sterbe!
Und diese Welt sei länger keine Bühne,
[287]
Die Hader nährt in zögernder Verwicklung;
Es herrsch' ein Geist des erstgebornen Kain
In allen Busen, daß, wenn jedes Herz
Auf Blut gestellt, die rohe Szene schließe
Und Finsternis die Toten senk' ins Grab!
TRAVERS.
Die Heftigkeit tut Euch zu nah, Mylord.
LORD BARDOLPH.
Trennt Weisheit nicht von Ehre, bester Graf!
MORTON.
Das Leben Eurer liebenden Genossen
Hängt an dem Euern, das, ergebt Ihr Euch
Der stürm'schen Leidenschaft, notwendig leidet.
Ihr habt den Krieg berechnet, edler Herr,
Des Zufalls Summ' gezogen, eh' Ihr spracht:
»Laßt uns entgegen stehn!« Ihr habt vermutet,
Im Drang der Streiche könnt' Eu'r Sohn auch fallen.
Ihr wußtet, daß er auf Gefahren wandle,
Am Abgrund, wo es minder glaublich war,
Er komm' hinüber, als er fall' hinein.
Euch war bekannt, es sei sein Fleisch empfänglich
Für Wund' und Narben, und sein kühner Geist
Werd' ins Gewühle der Gefahr ihn reißen;
Doch sagtet Ihr: »Zieh' aus!«, und nichts hievon,
Auch noch so stark befürchtet, konnte hemmen
Den starren Schluß: was ist denn nun geschehn,
Was brachte dieses kühne Unternehmen,
Als, daß nun ist, was zu vermuten war?
LORD BARDOLPH.
Wir alle, die in den Verlust verstrickt,
Wir kannten diese See als so gefährlich,
Daß unsre Rettung Zehn wär' gegen Eins;
Doch wagten wir's um den gehofften Lohn,
Nicht achtend allen Anschein von Gefahr:
Und, umgestürzt nun, wagen wir's noch 'mal.
Kommt! Alles dran gesetzt: Leib, Gut und Blut!
MORTON.
Es ist die höchste Zeit; und, edler Herr,
Ich hör' als sicher, und ich rede wahr, –
Der wackre Erzbischof von York ist rege
Mit wohlverseh'ner Macht; er ist ein Mann,
Der seine Leute bind't mit doppelter Gewähr.
Es hatt' Eu'r edler Sohn die Körper bloß,
[288]
Schein und Gestalt von Männern nur, zum Kampf:
Denn dieses Wort, Rebellion, schied ganz
Die Handlung ihrer Leiber von den Seelen.
So fochten sie mit Ekel und gezwungen,
Wie man Arznei nimmt; nur die Waffen schienen
Auf unsrer Seite; die Gemüter hatte
Diese Wort, Rebellion, so eingefroren
Wie Fisch' in einem Teich. Doch nun verwandelt
Der Bischof Aufruhr in Religion,
Man achtet ihn aufricht'gen, heil'gen Sinns,
Drum folgen sie mit Leib ihm und Gemüt.
Er nährt den Aufstand mit des teuren Richard
Von Pomfrets Steinen abgekratztem Blut,
Sagt ihnen, er beschreit' ein blutend Land,
Das unter Bolingbroke nach Leben ächzt,
Und groß und klein drängt sich, ihm nachzufolgen.
NORTHUMBERLAND.
Ich wußte dies zuvor: doch, wahr zu reden,
Das jetz'ge Leid verwischt' es meinem Sinn.
Kommt mit herein, und jedermann berate
Den besten Weg zur Sicherheit und Rache.
Werbt Freunde, sendet schnelles Aufgebot:
Nie waren sie so selten, nie so not.

Ab.
Zweite Szene
London, eine Straße.

Falstaff tritt auf mit einem Pagen, der seinen Degen und Schild trägt.

FALSTAFF.
He, du Riese! Was sagt der Doktor zu meinem Wasser?
PAGE.

Er sagte, Herr, das Wasser an sich selbst wäre ein gutes, gesundes Wasser, aber die Person, der es zugehörte, möchte mehr Krankheiten haben, als sie wüßte.

FALSTAFF.

Menschen von aller Art bilden sich was darauf ein, mich zu necken. Das Gehirn dieses närrisch zusammengekneten Tones, der Mensch heißt, ist nicht im Stande, mehr zu erfinden, das zum Lachen dient, als was ich erfinde, oder was über mich erfunden wird. Ich bin nicht bloß selbst [289] witzig, sondern auch Ursache, daß andre Witz haben. Ich gehe hier vor dir her wie eine Sau, die ihren ganzen Wurf aufgefressen hat, bis auf eins. Wenn der Prinz dich aus irgend einer andern Ursache bei mir in Dienst gegeben hat, als um gegen mich abzustechen, so habe ich keinen Menschenverstand. Du verwünschtes Alräunchen, ich sollte dich eher auf meine Mütze stecken, als daß du meinen Fersen folgst. Noch niemals bis jetzt hat mir ein Achat aufgewartet: aber ich will Euch weder in Gold noch Silber fassen, sondern in schlechte Kleider, und Euch wiederzu Euerm Herrn zurücksenden, als ein Juwel, zu dem Juvenil, dem Prinzen, Eurem Herrn, dessen Kinn noch nicht flügge ist. Mir wird eher ein Bart in der flachen Hand wachsen, als er einen auf der Backe kriegt, und doch trägt er kein Bedenken, zu sagen, sein Gesicht sei ein Kronengesicht. Gott kann es fertig machen, wenn er will, noch ist kein Haar daran verdorben; er kann es beständig als ein Kronengesicht behalten, denn kein Barbier wird ein paar Batzen daran verdienen; und doch macht er sich mausig, als wenn er für einen Mann gegolten hätte, seit sein Vater ein Junggeselle war. Er mag seine Gnade für sich behalten, er ist beinah' aus der meinigen gefallen, das kann ich ihm versichern. – Was sagte Meister Dumbleton wegen des Atlasses zu meinem kurzen Mantel und Pluderhosen?

PAGE.

Er sagte, Herr, Ihr solltet ihm beßre Bürgschaft stellen als Bardolph seine; er wollte seine Handschrift und die Eure nicht annehmen, die Sicherheit gefiele ihm nicht!

FALSTAFF.

Daß er verdammt wäre wie der reiche Mann! Daß ihm die Zunge noch ärger am Gaumen klebte! – So 'n verwetterter Ahitophel! ein schuftischer Mit-Verlaub-Hans! Hat einen Edelmann unter Händen und besteht noch auf Sicherheit! – Die verwetterten Glattköpfe gehen jetzt nicht anders als mit hohen Schuhen und einem Bund Schlüssel am Gürtel, und wenn sich nun einer auf redliches Borgen mit ihnen einläßt, da bestehen sie noch gar auf Sicherheit. Ich ließe mir eben so gern Rattenpulver ins Maul stecken, als daß sie mir's wollen stopfen mit Sicherheit. Ich dachte, er sollte mir zweiundzwanzig Ellen Atlas schicken, so wahr ich [290] ein Ritter bin, und er schickt mir Sicherheit. Gut, er mag in Sicherheit schlafen, er hat das Horn des Überflusses, und seiner Frauen Leichtfertigkeit leuchtet hindurch; und doch kann er nicht sehen, ob er schon seine eigne Laterne hat, ihm zu leuchten. – Wo ist Bardolph?

PAGE.
Er ist nach Smithfield gegangen, um Euer Edlen ein Pferd zu kaufen.
FALSTAFF.

Ich kaufte ihn in der Paulskirche, und er will mir ein Pferd zu Smithfield kaufen. Könnte ich nur ein Weib im Bordell kriegen, so wäre ich bedient, beritten und beweibt.


Der Oberrichter kommt mit einem Unterbeamten.
PAGE.
Herr, da kommt der Lord, der den Prinzen verhaftete, weil er ihn Bardolphs wegen schlug.
FALSTAFF.
Halt' dich still, ich will ihn nicht sehen.
OBERRICHTER.
Wer ist das, der dort geht?
UNTERBEAMTER.
Falstaff, zu Euer Gnaden Befehl.
OBERRICHTER.
Der wegen des Straßenraubs in Untersuchung war?
UNTERBEAMTER.

Derselbe, gnädiger Herr, aber er hat seitdem zu Shrewsbury gute Dienste geleistet und geht nun, wie ich höre, mit einem Auftrage zum Prinzen Johann von Lancaster.

OBERRICHTER.
Wie, nach York? Ruft ihn zurück!
UNTERBEAMTER.
Sir John Falstaff!
FALSTAFF.
Junge, sag ihm, daß ich taub bin!
PAGE.
Ihr müßt lauter sprechen, mein Herr ist taub.
OBERRICHTER.

Ja, das glaub' ich, wenn er irgend etwas Gutes hören soll. – Geht, zupft ihn am Ellbogen, ich muß mit ihm sprechen.

UNTERBEAMTER.
Sir John, –
FALSTAFF.

Was? Ein so junger Bursch und betteln? Gibt's keine Kriege? Gibt es keinen Dienst? Braucht der König keine Untertanen? Haben die Rebellen keine Soldaten nötig? Ob es wohl eine Schande ist, anderswo als auf der einen Seite zu sein, so ist es doch noch ärgere Schande, zu betteln, als auf der ärgsten Seite zu sein, wäre sie auch noch ärger, als der Name Rebelliones ausdrücken kann.

UNTERBEAMTER.
Ihr irrt Euch in mir, Herr.
[291] FALSTAFF.

Ei, Herr, sagte ich, Ihr wärt ein ehrlicher Mann? Mein Rittertum und meine Soldatenschaft bei Seite gesetzt, hätte ich in meinen Hals hinein gelogen, wenn ich das gesagt hätte.

UNTERBEAMTER.

Dann bitte ich Euch, Herr, setzt Euer Rittertum und Eure Soldatenschaft bei Seite, und gebt mir Verlaub, Euch zu sagen, daß Ihr es in Euern Hals hineinlügt, wenn Ihr sagt, ich sei was anders als ein ehrlicher Mann.

FALSTAFF.

Ich dir Verlaub geben, mir das zu sagen? Ich bei Seite setzen, was mir anhängt? Wenn du von mir Verlaub bekommst, so häng' mich auf; wenn du dir Verlaub nimmst, so solltest du gehängt werden. Du Mäusefänger, fort! Heb' dich weg!

UNTERBEAMTER.
Der Lord will mit Euch sprechen.
OBERRICHTER.
Sir John Falstaff, auf ein Wort!
FALSTAFF.

Mein bester Herr! – Gott erhalte Euer Gnaden in gutem Wohlsein! Es freut mich, Euer Gnaden außer Hause zu sehn, ich hörte, Euer Gnaden wären krank, ich hoffe, Euer Gnaden gehen nicht ohne Erlaubnis aus. Euer Gnaden sind zwar noch nicht ganz über die Jugend weg, aber Sie haben doch schon einen kleinen Beischmack vom Alter, eine Würzung vom Salze der Zeit, und ich ersuche Euer Gnaden untertänig, mit aller Sorgfalt über Dero Gesundheit zu wachen.

OBERRICHTER.
Sir John, ich habe vor Eurem Abmarsch nach Shrewsbury nach Euch geschickt.
FALSTAFF.

Mit Euer Gnaden Erlaubnis, ich höre, daß Seine Majestät mit einigem Ungemach von Wales zurückgekommen ist.

OBERRICHTER.
Ich rede nicht von Seiner Majestät. – Ihr wolltet nicht kommen, da ich nach Euch schickte.
FALSTAFF.
Und ich höre außerdem, daß Seine Hoheit von der alten verwünschten Apoplexie befallen ist.
OBERRICHTER.
Nun, der Himmel lasse ihn genesen! Ich bitte, laßt mich mit Euch sprechen!
FALSTAFF.

Diese Apoplexie ist meines Bedünkens eine Art von Lethargie, wenn Euer Gnaden erlauben; eine Art von Schlafen im Blut, ein verwettertes Kitzeln.

[292] OBERRICHTER.
Wie gehört das hieher? Es sei, was es wolle, –
FALSTAFF.

Es hat seinen Ursprung von vielem Kummer; von Studieren und Zerrüttungen des Gehirns. Ich habe die Ursache seiner Wirkungen beim Galenus gelesen: es ist eine Art von Taubheit.

OBERRICHTER.
So scheint's, Ihr seid von dem Übel befallen, denn Ihr hört nicht, was ich Euch sage.
FALSTAFF.

Oh, sehr gut, gnädiger Herr, sehr gut! Es ist vielmehr, wenn's Euch beliebt, das Übel des Nicht-Aufhorchens, die Krankheit des Nicht-Achtgebens, womit ich behaftet bin.

OBERRICHTER.

Euch an den Füßen zu strafen, würde die Aufmerksamkeit Eurer Ohren verbessern, und es kommt mir nicht darauf an, einmal Euer Arzt zu sein.

FALSTAFF.

Ich bin so arm wie Hiob, gnädiger Herr, aber nicht so geduldig. Euer Gnaden können mir den Trank der Verhaftung anbefehlen, in Betracht meiner Armut; ob ich aber geduldig sein würde, Eure Vorschriften zu befolgen, daran kann der Weise einen Gran von einem Skrupel, ja wohl gar einen ganzen Skrupel hegen.

OBERRICHTER.

Ich schickte nach Euch, als Dinge wider Euch auf Leib und Leben vorgebracht wurden, um mit mir darüber zu sprechen.

FALSTAFF.
Wie mir damals mein in den Gesetzen des Landdienstes erfahrner Sachwalter riet, kam ich nicht.
OBERRICHTER.
Nun, die Wahrheit ist, Sir John, Ihr lebt in großer Schande.
FALSTAFF.
Wer meinen Gürtel umschnallt, kann nicht in geringerer leben.
OBERRICHTER.
Eure Mittel sind schmal, und Ihr lebt auf einem großen Fuß.
FALSTAFF.
Umgekehrt, um die Mitte bin ich breit, die Füße sind zu schwach, sie zu tragen.
OBERRICHTER.
Ihr habt den jungen Prinzen mißleitet.
FALSTAFF.
Der junge Prinz hat mich mißleitet; ich bin der Mann mit dem dicken Bauche, und er ist mein Hund.
OBERRICHTER.

Nun, ich will nicht gern eine neu geheilte Wunde aufreißen; Eure Dienste am Tage bei Shrewsbury haben [293] Eure Heldentaten bei Nacht zu Gadshill ein wenig übergüldet: Ihr habt den unruhigen Zeiten zu danken, daß Ihr über diese Klage so ruhig hinüber gekommen seid.

FALSTAFF.
Gnädiger Herr?
OBERRICHTER.
Doch, da nun alles gut ist, so erhaltet es dabei; weckt den schlafenden Wolf nicht auf!
FALSTAFF.
Einen Wolf aufwecken ist eben so schlimm, als einen Fuchs riechen.
OBERRICHTER.
Ei, Ihr seid wie ein Licht, das beste Teil herunter gebrannt.
FALSTAFF.

Leider, gnädiger Herr, bestehe ich ganz aus Talg; ich kann mich auch mit einem Wachslicht vergleichen, weil ich immer noch in die Breite wachse.

OBERRICHTER.
Jedes weiße Haar auf Euerm Gesicht sollte Zeugnis ablegen für Eure Würde.
FALSTAFF.
Bürde, Bürde, Bürde!
OBERRICHTER.
Ihr geht mit dem jungen Prinzen aus und ein, wie sein böser Engel.
FALSTAFF.

Nicht doch, gnädiger Herr: so ein böser Engel ist allzu leicht, aber ich hoffe, wer mich ansieht, wird mich ohne Goldwaage für voll annehmen; und doch, das muß ich gestehn, auf gewisse Weise bin ich auch nicht in Umlauf zu bringen. Ich weiß nicht, aber die Tugend wird in diesen Apfelkrämer-Zeiten so wenig geachtet, daß echte Tapferkeit zum Bärenführer geworden ist; Scharfsinn ist zum Bierschenken gemacht und verschwendet seinen behenden Witz in Rechnungen; alle andern Gaben, die zum Menschen gehören, sind keine Johannisbeere wert, wie die Tücke des Zeitalters sie ummodelt. Ihr, die ihr alt seid, bedenkt nicht, was uns, die wir jung sind, möglich ist; und wir, die wir noch im Vortrab der Jugend stehen, sind freilich auch durchtriebene Schelme.

OBERRICHTER.

Setzt Ihr Euern Namen auf die Liste der Jugend, da Ihr mit allen Merkzeichen des Alters eingeschrieben seid? Habt Ihr nicht ein feuchtes Auge, eine trockne Hand, eine gelbe Wange, einen weißen Bart, ein abnehmendes Bein, einen zunehmenden Bauch? Ist nicht Eure Stimme schwach? Euer Atem kurz? Euer Kinn doppelt?[294] Euer Witz einfach? Und alles um und an Euch vom Alter verderbt? Und doch wollt Ihr Euch noch jung nennen? Pfui, pfui, pfui, Sir John!

FALSTAFF.

Gnädiger Herr, ich wurde um drei Uhr nachmittags geboren, mit einem weißen Kopf und einem gleichsam runden Bauch. Was meine Stimme betrifft, die habe ich mit lautem Chorsingen verdorben. Meine Jugend ferner dartun, das will ich nicht; die Wahrheit ist daß ich bloß alt an Urteil und Verstande bin, und wer mit mir für tausend Mark um die Wette Kapriolen schneiden will, der mag mir das Geld leihen und sich vorsehen. Was die Ohrfeige betrifft, die Euch der Prinz gab, so gab er sie wie ein roher Prinz, und Ihr nahmt sie wie ein feinsinniger Lord. Ich habe es ihm verwiesen, und der junge Löwe tut Buße, freilich nicht im Sack und in der Asche, sondern in altem Sekt und neuer Seide.

OBERRICHTER.
Nun, der Himmel sende dem Prinzen einen bessern Gesellschafter!
FALSTAFF.
Der Himmel sende dem Gesellschafter einen bessern Prinzen! Ich kann ihn nicht los werden.
OBERRICHTER.

Nun, der König hat Euch und Prinz Heinrich getrennt; ich höre, Ihr zieht mit Prinz Johann von Lancaster gegen den Erzbischof und den Grafen Northumberland.

FALSTAFF.

Ja, das habe ich Eurem allerliebsten feinen Witze zu danken. Aber betet nur ja, ihr alle, die ihr Madame Ruhe zu Hause küßt, daß unsre Armeen sich nicht an einem heißen Tage treffen; denn bei Gott, ich nehme nur zwei Hemden mit, und ich denke nicht außerordentlich zu schwitzen; wenn es ein heißer Tag ist, und ich schwinge etwas anderes als meine Flasche, so will ich niemals wieder weiß ausspucken. Es kann keine gefährliche Affaire aufducken, so werde ich gleich daran gesetzt. Nun, ich kann nicht immer vorhalten, aber es ist beständig der Tick unsrer englischen Nation gewesen, wenn sie was Gutes haben, es zu gemein zu machen. Wenn Ihr denn durchaus behauptet, ich sei ein alter Mann, so solltet Ihr mir Ruhe gönnen. Wollte Gott, mein Name wäre dem Feind nicht so schrecklich, als er ist. Es wäre besser, [295] daß mich der Rost verzehrte, als daß ich durch beständige Bewegung zu Tode gescheuert werde.

OBERRICHTER.
Nun, seid redlich! Seid redlich! Und Gott segne Eure Unternehmung!
FALSTAFF.
Wollen Euer Gnaden mir zu meiner Ausrüstung tausend Pfund leihen?
OBERRICHTER.

Nicht einen Pfennig, nicht einen Pfennig; Ihr seid nicht geduldig genug, um Kreuzer zu tragen. Lebt wohl und empfehlt mich meinem Vetter Westmoreland!

Oberrichter und Unterbeamter ab.
FALSTAFF.

Wenn ich das tue, so gebt mir mit einer Ramme Nasenstüber. – Ein Mensch kann eben so wenig Alter und Filzigkeit, als junge Gliedmaßen und Lüderlichkeit trennen; aber das Podagra plagt jenes, und die Franzosen zwicken diese, und so kommen beide Lebensstufen meinen Flüchen zuvor. – Bursch!

PAGE.
Herr?
FALSTAFF.
Wie viel Geld ist in meinem Beutel?
PAGE.
Sieben Batzen und zwei Pfennige.
FALSTAFF.

Ich weiß kein Mittel gegen diese Auszehrung des Geldbeutels; Borgen zieht es bloß in die Länge, aber die Krankheit ist unheilbar. – Geh, bring' diesen Brief an Mylord von Lancaster, diesen dem Prinzen, diesen dem Grafen von Westmoreland, und diesen der alten Frau Ursula, der ich wöchentlich geschworen habe, sie zu heiraten, seit ich das erste weiße Haar an meinem Kinn merkte. Frisch zu! Ihr wißt, wo Ihr mich findet.


Der Page ab.

Daß die Franzosen in dies Podagra führen! Oder das Podagra in diese Franzosen! Denn eins von beiden macht sich mit meinem großen Zehen lustig. Es macht nichts aus, ob ich hinke; ich habe den Krieg zum Vorwande, und meine Pension wird um so billiger scheinen. Ein guter Kopf weiß alles zu benutzen: ich will Krankheiten zum Vorteil kehren. Ab.

[296]
Dritte Szene
York. Ein Zimmer im Palast des Erzbischofs.

Der Erzbischof von York, die Lords Hastings, Mowbray und Bardolph treten auf.

ERZBISCHOF.
Ihr kennt nun unsre Sach' und unsre Mittel,
Und, edle Freund', ich bitt' euch allesamt,
Sagt frei von unsern Hoffnungen die Meinung:
Zuerst, Lord Marschall, was sagt Ihr dazu?
MOWBRAY.
Den Anlaß unsrer Fehde geb' ich zu,
Allein ich wäre besser gern befriedigt,
Wir wir's, bei unsern Mitteln, machen sollen,
Mit einer Stirne, keck und stark genug,
Der Macht des Königs ins Gesicht zu sehn.
HASTINGS.
Die jetz'gen Musterrollen steigen schon
Auf auserlesne zwanzigtausend Mann;
Und reichlich lebt die Hoffnung auf Verstärkung
Im mächtigen Northumberland, des Busen
Vom ungestümen Feu'r der Kränkung brennt.
LORD BARDOLPH.
Demnach, Lord Hastings, steht die Frage so:
Ob mit den jetz'gen fünfundzwanzigtausend
Wir ohne ihn die Spitze bieten können?
HASTINGS.
Mit ihm gewiß.
LORD BARDOLPH.
Nun ja, da liegt es eben.
Doch finden wir uns ohne ihn zu schwach,
So denk' ich, sollten wir zu weit nicht gehn,
Bis wir zur Hand erst seinen Beistand haben.
Denn bei Entwürfen von so blut'gem Antlitz,
Da darf Erwartung, Anschein, Mutmaßung
Unsichrer Hülfe nicht in Anschlag kommen.
ERZBISCHOF.
Sehr wahr, Lord Bardolph! Denn gewiß, dies war
Des jungen Heißsporn Fall zu Shrewsbury.
LORD BARDOLPH.
Ja, gnäd'ger Herr; er speiste sich mit Hoffnung,
Verschlang die Luft auf zugesagten Beistand,
Sich schmeichelnd mit der Aussicht einer Macht,
Die kleiner ausfiel als sein kleinster Traum.
[297]
So führt' er, voll von großen Einbildungen,
Dem Wahnwitz eigen, seine Macht zum Tod
Und stürzte blindlings sich in das Verderben.
HASTINGS.
Allein verzeiht, es hat noch nie geschadet,
Wahrscheinlichkeit und Hoffnung zu erwägen.
LORD BARDOLPH.
Ja, wenn die jetz'ge Eigenschaft des Kriegs
Sogleich zu handeln trieb'; ein Werk im Gang
Lebt so auf Hoffnung, wie im frühen Lenz
Wir Knospen sehn erscheinen, denen Hoffnung
So viel Gewähr nicht gibt, einst Frucht zu werden,
Als gänzliche Verzagung, daß sie Fröste
Ertöten werden. Wenn wir bauen wollen,
Beschaun wir erst den Platz, ziehn einen Riß;
Und sehn wir die Gestalt des Hauses nun,
Dann müssen wir des Baues Aufwand schätzen.
Ergibt sich's, daß er über unsre Kräfte,
Was tun wir, als den Riß von neuem ziehn,
Mit wenigern Gemächern, oder ganz
Abstehn vom Bau? Vielmehr noch sollten wir
Bei diesem großen Werk, das fast ein Reich
Danieder reißen heißt und eins errichten,
Des Platzes Lage und den Riß beschaun,
Zu einer sichern Gründung einig werden,
Baumeister fragen, unsre Mittel kennen,
Wie fähig, sich dem Werk zu unterziehn,
Den Gegner aufzuwiegen; sonst verstärken
Wir uns auf dem Papier und in Figuren
Und setzen statt der Menschen Namen bloß;
Wie, wer den Riß von einem Hause macht,
Das über sein Vermögen; der, halb fertig,
Es aufgibt und sein halberschaffnes Gut
Als nackten Knecht den trüben Wolken läßt
Und Raub für schnöden Winters Tyrannei.
HASTINGS.
Gesetzt, die Hoffnung, die so viel verspricht,
Käm' tot zur Welt, und wir besäßen schon
Den letzten Mann, der zu erwarten ist:
Doch denk' ich, unser Heer ist stark genug,
Es, wie wir sind, dem König gleich zu tun.
[298] LORD BARDOLPH.
Wie? Hat er denn nur fünfundzwanzigtausend?
HASTINGS.
Für uns nicht mehr, nein, nicht so viel, Lord Bardolph.
Denn seine Teilung, wie die Zeiten toben,
Ist dreifach: Ein Heer wider die Franzosen,
Eins wider den Glendower, und ein drittes
Muß uns bestehn: so ist der schwache König
In drei zerteilt, und seine Koffer klingen
Vor Leerheit und vor hohler Dürftigkeit.
ERZBISCHOF.
Daß er zusammen seine Truppen zöge
Und rückte gegen uns mit ganzer Macht,
Braucht man nicht zu befürchten.
HASTINGS.
Tut er das,
So läßt er seinen Rücken unbewehrt.
Die Wäl'schen und Franzosen bellen dann
Ihm an den Fersen; das besorgt nur nicht!
LORD BARDOLPH.
Wer, glaubt Ihr, wird sein Heer hieher wohl führen?
HASTINGS.
Der Prinz von Lancaster und Westmoreland;
Er selbst und Heinrich Monmouth wider Wales;
Wer wider die Franzosen ihn vertritt,
Bin ich nicht unterrichtet.
ERZBISCHOF.
Laßt uns fort!
Und tun wir unsrer Fehde Anlaß kund!
Es krankt der Staat an seiner eignen Wahl,
Die gier'ge Liebe hat sich überfüllt.
Ein schwindlicht und unzuverlässig Haus
Hat der, so auf das Herz des Volkes baut.
O blöde Menge! Mit wie lautem Jubel
Drang nicht dein Segnen Bolingbrokes zum Himmel,
Eh' du, wozu du wolltest, ihn gemacht!
Und da er nun nach deiner Lust bereitet,
Bist du so satt ihn, viehischer Verschlinger,
Daß du ihn auszuspein dich selber reizest.
So, du gemeiner Hund, entludest du
Die Schlemmer-Brust vom königlichen Richard;
Nun möchtest du dein Weggebrochnes fressen
[299]
Und heulst darnach. Worauf ist jetzt Verlaß?
Die Richards Tod begehrten, als er lebte,
Sind nun verliebt geworden in sein Grab:
Du, die ihm Staub warfst auf sein nacktes Haupt,
Als durch das stolze London seufzend er
An Bolingbrokes gefei'rten Fersen kam,
Rufst nun: »O Erde, gib uns jenen König
Zurück, nimm diesen hier!« Verkehrtes Trachten,
Vergangnes, Künft'ges hoch, nie Jetz'ges achten!
MOWBRAY.
So mustern wir das Volk und rücken an?
HASTINGS.
Die Zeit befiehlt's, ihr sind wir untertan.

Alle ab.
[300]

Zweiter Aufzug

Erste Szene
London. Eine Straße.

Die Wirtin mit Klaue, Schlinge hinter ihnen.

WIRTIN.
Meister Klaue, habt Ihr die Klage eingeschrieben?
KLAUE.
Sie ist eingeschrieben.
WIRTIN.
Wo ist Euer Diener? Ist es ein tüchtiger Diener? Steht er seinen Mann?
KLAUE.
Heda, wo ist Schlinge?
WIRTIN.
O Jemine! Der gute Meister Schlinge!
SCHLINGE.
Hier, hier!
KLAUE.
Schlinge, wir müssen Sir John Falstaff verhaften.
WIRTIN.
Ja, lieber Meister Schlinge, ich habe ihn verklagt, und alles mit einander.
SCHLINGE.
Das könnte leicht ein paaren von uns das Leben kosten, er wird nach uns stechen.
WIRTIN.

Ach du meine Zeit! Seht Euch ja vor! Er hat nach mir in meinem eignen Hause gestochen, und das wahrhaftig recht viehischer Weise. Er fragt gar nicht darnach, was er für Unheil anrichtet, wenn er einmal blank gezogen hat: er stößt wie der Teufel und schont weder Mann, Weib noch Kind.

KLAUE.
Kann ich handgemein mit ihm werden, so frage ich nichts nach seinen Stößen.
WIRTIN.
Ich auch nicht! Ich will Euch zur Hand sein.
KLAUE.
Wenn ich ihn nur einmal packen kann, wenn er mir nur vor die Faust kommt, –
WIRTIN.

Ich bin ruiniert, wenn er weggeht; ich versichre Euch, er steht innorm hoch in meinem Buch. Lieber Meister Klaue, packt ihn fest! Lieber Meister Schlinge, laßt ihn nicht entwischen! Er kommt kontinuierlich an die Pasteten-Ecke, [301] mit Euer Mannhaften Verlaub, um einen Sattel zu kaufen; und er ist im Leoparden-Kopf in der Lombard- Straße bei Meister Glatt, dem Seidenhändler, (zum Essen) irritiert. Ich bitte Euch, da mein Prozeß eingeleitet und meine Geschichte so offenbar vor aller Welt bekannt ist, so bringt ihn zur Verantwortung! Hundert Mark borgen, wenn man sich selbst kaum zu bergen weiß, das ist viel für eine arme, verlassene Frau; ich habe ausgehalten, und ausgehalten, und ausgehalten, und bin gefoppt, und gefoppt, und gefoppt, von einem Tage zum andern Tage, daß es eine Schande ist, wenn man daran denkt. Das ist kein ehrlicher Handel, wenn eine Frau nicht gar ein Esel sein soll und ein Vieh, jeden Schelmes sein Unrecht zu tragen. –


Falstaff, der Page und Bardolph kommen.

Da kommt er, und mit ihm der Erzschelm mit der Burgunder-Nase, Bardolph. Tut eure Dienste, tut eure Dienste, Meister Klaue und Meister Schlinge: ihr müßt mich, (und ihr müßt,) und ihr müßt mich bedienen!

FALSTAFF.
Nun, wessen Gaul ist tot? Was gibt's?
KLAUE.
Sir John, ich verhafte Euch auf die Klage der Frau Hurtig.
FALSTAFF.

Fort, ihr Schlingel! – Zieh', Bardolph! Hau' mir des Schurken seinen Kopf herunter, wirf das Mensch in die Gosse!

WIRTIN.

Mich in die Gosse werfen? Wart', ich will dich in die Gosse werfen! Das willst du? Das willst du, unehrlicher Schelm? – Mord! Mord! O du bandhüterischer Spitzbube! Willst du Gottes und des Königs seine Beamten umbringen? O du Schelm von Bandhüter! Du bist ein Bandhüter, ein Totschläger und ein Frauenschläger!

FALSTAFF.
Halt' sie ab, Bardolph!
KLAUE.
Hülfe! Hülfe!
WIRTIN.

Lieben Leute, schafft doch eine Hülfe her, oder ein Paar! – Sieh! Sieh doch! Das willst du? Ich will dich! Nur zu, du Schelm! Nur zu, du Bandhüter!

PAGE.
Fort, du Wischhader! Du Bagage! Du Schlampalie! Ich will dir das Oberstübchen fegen!

Der Oberrichter kommt mit Gefolge.
[302] OBERRICHTER.
Was gibt's? Haltet Frieden hier! He!
WIRTIN.
Bester Herr, sorgt für mein Bestes! Ich flehe Euch an, steht mir bei!
OBERRICHTER.
Ei, ei, Sir John? Was? So hier im Gezänk?
Ziemt Eurer Stelle, Zeit, Geschäften das?
Ihr solltet auf dem Weg nach York schon sein. –
Weg da, Gesell! Was hängst du so an ihm?
WIRTIN.

O mein hochwürdigster Lord, mit Euer Gnaden Erlaubnis, ich bin eine arme Witwe aus Eastcheap, und er wird auf meine Klage verhaftet.

OBERRICHTER.
Für was für eine Summe?
WIRTIN.

Nichts von Summen, es ist alles zusammen, alles, was ich habe. Er hat mich mit Haus und Hof aufgefressen und mein ganzes Vermögen in seinen fetten Bauch da gesteckt, – aber ich will was davon wieder heraus haben, oder ich will dich des Nachts drücken wie der Alp.

FALSTAFF.

Ich denke, ich könnte eben so gut den Alpdrücken, wenn des Orts Gelegenheit es gibt, daß ich aufkommen kann.

OBERRICHTER.

Wie kommt das, Sir John? Pfui, welcher rechtliche Mann möchte einen solchen Sturm von Ausrufungen über sich ergehen lassen? Schämt Ihr Euch nicht, daß Ihr eine arme Witwe zu so harten Mitteln zwingt, an das Ihrige zu kommen?

FALSTAFF.
Was ist denn die große Summe, die ich dir schuldig bin?
WIRTIN.

Mein' Seel', wenn du ein ehrlicher Kerl wärst, dich selbst und das Geld dazu. Du schwurst mir auf einen vergoldeten Becher, in meiner Delphinkammer, an dem runden Tisch, bei einem Steinkohlenfeuer, am Mittwoch in der Pfingstwoche, als dir der Prinz ein Loch in den Kopf schlug, weil du seinen Vater mit einem Kantor von Windsor verglichst: da schwurst du mir, wie ich dir die Wunde auswusch, du wolltest mich heiraten und mich zu deiner Frau Gemahlin machen. Kannst du es leugnen? Kam nicht eben Mutter Unschlitt, des Schlächters Frau, herein und nannte mich Gevatterin Hurtig? Und kam sie nicht, um einen Napf Essig zu borgen, und sagte uns, sie hätte eine gute Schüssel Krabben? [303] Worauf du Appetit kriegtest, welche zu essen, worauf ich dir sagte, sie wären nicht gut bei einer frischen Wunde? Und befahlst du mir nicht an, wie sie die Treppe hinunter war, ich sollte mit so geringen Leuten nicht mehr so familiär tun? Und sagtest, in kurzem sollten sie mich Madam nennen? Und küßtest du mich nicht und hießest mich, die dreißig Schillinge holen? Ich schiebe dir nun den Eid in dein Gewissen: leug'n es, wenn du kannst!

FALSTAFF.

Gnädiger Herr, sie ist eine arme, unkluge Seele, und sie sagt aller Orten in der Stadt, ihr ältester Sohn sehe Euch ähnlich; sie ist im Wohlstande gewesen, und die Wahrheit ist, Armut hat sie verrückt gemacht. Was diese albernen Gerichtsdiener betrifft, so bitte ich Euch, verschafft mir Genugtuung gegen sie!

OBERRICHTER.

Sir John, Sir John! Ich bin wohl bekannt mit Eurer Weise, eine gerechte Sache zu verdrehen. Keine zuversichtliche Miene noch ein Haufen Worte, die Ihr mit mehr als unverschämter Frechheit herausstoßt, können mich von einer billigen Erwägung wegtreiben. Ihr habt, wie es mir klar ist, dem nachgiebigen Gemüt dieser Frau zugesetzt und sie dahin gebracht, Euch sowohl mit ihrem Beutel als mit ihrer Person zu dienen.

WIRTIN.
Ja fürwahr, Mylord! –
OBERRICHTER.

(Still doch! –) Zahlt ihr die Schuld aus, die sie an Euch zu fodern hat, und nehmt die Schande zurück, die Ihr mit ihr verübt habt: das eine könnt Ihr mit barem Gelde, das andre mit echter Reue.

FALSTAFF.

Gnädiger Herr, ich will diesen Ausputzer nicht ohne Antwort hinnehmen. Ihr nennt edle Kühnheit unverschämte Frechheit; wenn jemand Bücklinge macht und gar nichts sagt, denn ist er tugendhaft. Nein, gnädiger Herr, bei allem untertänigen Respekt vor Euch, will ich Euch nicht den Hof machen. Ich sage Euch, ich verlange Befreiung von diesen Gerichtsdienern, da ich in eiligen Geschäften für den König bin.

OBERRICHTER.

Ihr redet wie einer, der Macht hat, Übles zu tun: aber entsprecht Eurem Rufe durch die Tat und befriedigt die arme Frau!

[304] FALSTAFF.
Komm her, Wirtin! Er zieht sie beiseit.

Gower kommt.
OBERRICHTER.
Nun, Herr Gower, was gibt's?
GOWER.
Mylord, der König und der Prinz von Wales
Sind nah zur Hand: das Weitre sagt dies Blatt.
FALSTAFF.
So wahr ich ein Edelmann bin, –
WIRTIN.
Ja, das habt Ihr sonst auch schon gesagt.
FALSTAFF.
So wahr ich ein Edelmann bin, – kommt, kein Wort weiter!
WIRTIN.

Bei diesem himmlischen Boden, worauf ich trete, ich muß gern mein Silbergeschirr und die Tapeten in meinen Eßzimmern versetzen.

FALSTAFF.

Du hast ja Gläser; es geht nichts über Gläser zum Trinken! Und was deine Wände betrifft, da ist irgend eine artige kleine Schnurre, die Geschichte vom verlornen Sohn oder eine deutsche Jagd in Wasserfarben, mehr wert als tausend solche Bettvorhänge und mottenzerfressene Tapeten. Sieh zu, daß es zehn Pfund ausmacht, wenn du kannst. Komm, komm, wenn nicht deine Launen wären, so gäbe es kein besseres Weib in England. (Geh,) wasch' dein Gesicht und nimm deine Klage zurück! Komm, du mußt keine solche Launen gegen mich annehmen! Kennst du mich denn nicht? Komm, komm, ich weiß, daß du hiezu aufgehetzt bist.

WIRTIN.

Bitte, Sir John, können es nicht zwanzig Nobel tun? Wahrhaftig, ich tue es nicht gerne, daß ich mein Silberzeug versetze, in allem Ernst.

FALSTAFF.
Laßt es bleiben, ich will es schon sonst kriegen. Ihr werdet doch immer eine Närrin bleiben.
WIRTIN.

Gut, Ihr sollt es haben, müßt' ich auch meinen Rock versetzen. Ich hoffe, Ihr kommt zum Abendessen. Wollt Ihr mir alles zusammen bezahlen?

FALSTAFF.
Will ich das Leben behalten? – Zu Bardolph. Geh mit ihr, geh mit ihr! Häng' dich an! Häng' dich an!
WIRTIN.
Soll ich Euch Dortchen Lakenreißer zum Abendessen bitten?
FALSTAFF.
Keine Worte weiter! Laß sie kommen!
Wirtin, Bardolph und Gerichtsdiener ab.
[305] OBERRICHTER.
Ich habe beßre Neuigkeit gehört.
FALSTAFF.
Wie lauten die Neuigkeiten, bester gnädiger Herr?
OBERRICHTER.
Wo lag der König letzte Nacht?
GOWER.
Zu Basingstoke.
OBERRICHTER.
Kommt seine ganze Macht zurück?
GOWER.
Nein, funfzehnhundert Mann, fünfhundert Pferde
Sind ausgerückt zum Prinz von Lancaster,
Northumberland entgegen und dem Erzbischof.
FALSTAFF.
Kommt der König von Wales zurück, mein edler Herr?
OBERRICHTER.
Ich will Euch unverzüglich Briefe geben.
Kommt, seid so gut und geht mit mir, Herr Gower!
FALSTAFF.
Gnädiger Herr!
OBERRICHTER.
Was gibt's?
FALSTAFF.
Herr Gower, darf ich Euch auf den Mittag zum Essen bitten?
GOWER.
Ich muß meinem gnädigen Herrn hier aufwarten, ich dank' Euch, lieber Sir John.
OBERRICHTER.

Sir John, Ihr zaudert hier zu lange, da Ihr in den Grafschaften, wie Ihr durchkommt, Soldaten ausheben sollt.

FALSTAFF.
Wollt Ihr mit mir zum Abend essen, Herr Gower?
OBERRICHTER.
Welcher alberne Lehrmeister hat Euch diese Sitten gelehrt?
FALSTAFF.

Herr Gower, wenn sie mir nicht gut stehen, so war der ein Narr, der sie mir gelehrt hat. Dies ist der wahre Fechter-Anstand, gnädiger Herr: Tick für Tack, und somit friedlich auseinander!

OBERRICHTER.
Nun, der Herr erleuchte dich! Du bist ein großer Narr.

Alle ab.
Zweite Szene
Eine andre Straße in London.

Prinz Heinrich und Poins treten auf.

PRINZ HEINRICH.
Glaube mir, ich bin ungemein müde.
POINS.

Ist es dahin gekommen? Ich hätte nicht gedacht, daß Müdigkeit sich an einen von so hohem Blut machen dürfte.

[306] PRINZ HEINRICH.

Mein' Treu', sie macht sich an mich, ob meine Hoheit gleich erröten muß, es anzuerkennen. Nimmt es sich nicht gemein an mir aus, Verlangen nach Dünnbier zu haben?

POINS.

Ein Prinz sollte nicht so obenhin studiert haben, daß ihm eine so matte Komposition nur in den Sinn käme.

PRINZ HEINRICH.

Vielleicht war dann mein Appetit nicht prinzlich erzeugt, denn fürwahr, jetzt kommt mir nur die arme Kreatur Dünnbier in den Sinn. Aber gewiß, diese demütigen Rücksichten machen mir meine Größe ganz zuwider. Welche Schmach ist es mir, mich deines Namens zu erinnern? Oder dein Gesicht morgen zu kennen? Oder mir zu merken, wie viel Paar seidne Strümpfe du hast, nämlich diese da und die weiland pfirsichblütfarbenen? Oder das Register deiner Hemden zu führen, als: eins zum Überfluß und eins zum Gebrauch? – Aber das weiß der Wirt im Ballhause besser als ich, denn es ist niedrige Ebbe in deiner Wäsche, wenn du dort nicht das Rakett führst. Du hast es nun eine lange Zeit her nicht getan, weil der Rest deiner Niederlande deine holländischen Besitzungen zu verschlingen gesucht hat; und Gott weiß, ob die, welche aus den Trümmern deiner Leinwand herausquäken, sein Reich erben werden. Aber die Hebammen sagen, die Kinder können nicht dafür; die Welt wird dadurch bevölkert, und die Verwandtschaften gewaltig verstärkt.

POINS.

Wie schlecht paßt sich's, daß Ihr so müßige Reden führt, nachdem Ihr so schwer gearbeitet habt! Sagt mir, wie viel junge Prinzen würden das wohl tun, deren Väter so krank wären, als Eurer gegenwärtig ist?

PRINZ HEINRICH.
Soll ich dir etwas sagen, Poins?
POINS.
Ja, und daß es nur etwas Vortreffliches ist.
PRINZ HEINRICH.
Es reicht hin für witzige Köpfe, die nicht vornehmer sind als du.
POINS.
Nur zu, ich bin schon auf das Etwas gerüstet, das Ihr sagen wollt.
PRINZ HEINRICH.

Gut, ich sage dir also, es schickt sich nicht für mich, traurig zu sein, da mein Vater krank ist; wiewohl ich dir sagen kann: – als einem, den es mir in Ermangelung [307] eines Besseren beliebt Freund zu nennen, – ich könnte traurig sein, und recht im Ernst traurig.

POINS.
Schwerlich bei einer solchen Veranlassung.
PRINZ HEINRICH.

Bei dieser Rechten, du denkst, ich stünde eben so stark in des Teufels Buch als du und Falstaff, wegen Halsstarrigkeit und Verstocktheit. Das Ende wird's ausweisen. Ich sage dir aber, mein Herz blutet innerlich, daß mein Vater so krank ist; und daß ich so schlechten Umgang halte, wie du bist, hat mich mit gutem Grunde aller äußern Bezeugung des Kummers verlustig gemacht.

POINS.
Aus welchem Grunde?
PRINZ HEINRICH.
Was würdest du von mir denken, wenn ich weinte?
POINS.
Ich würde denken, du seiest der fürstlichste Heuchler.
PRINZ HEINRICH.

Das würde jedermanns Gedanke sein, und du bist ein gesegneter Bursch, daß du denkst, wie jedermann denkt: keines Menschen Gedanken auf der Welt halten sich mehr auf der Heerstraße als deine. Wirklich würde jedermann denken, ich sei ein Heuchler. Und was bewegt Eure hochgeehrtesten Gedanken, so zu denken?

POINS.
Nun, weil Ihr so lüderlich und so sehr mit Falstaff verstrickt gewesen seid.
PRINZ HEINRICH.
Und mit dir.
POINS.

Beim Sonnenlicht, von mir spricht man gut, ich kann es mit meinen eignen Ohren hören. Das Schlimmste, was sie von mir sagen können, ist, daß ich ein jüngerer Bruder bin und ein tüchtiger Geselle auf meine eigne Hand, und ich gestehe, diese beiden Dinge kann ich nicht ändern. Ei der Tausend, da kommt Bardolph!

PRINZ HEINRICH.

Und der Junge, den ich dem Falstaff gab. Er hat ihn von mir als einen Christen bekommen, und sieh nur, ob der fette Schlingel nicht einen Affen aus ihm gemacht


Bardolph und der Page kommen.
BARDOLPH.
Gott erhalte Euer Gnaden!
PRINZ HEINRICH.
Und Eure auch, mein sehr edler Bardolph!
BARDOLPH
zum Pagen.

Komm, du tugendhafter Esel, du verschämter Narr! Mußt du rot werden? Warum wirst du rot? [308] Welch ein jungfräulicher Soldat bist du geworden! Ist es so eine große Sache, die Jungferschaft eines Vier-Nößel-Krugs zu erobern?

PAGE.

Jetzt eben, gnädiger Herr, rief er mich durch ein rotes Gitterfenster, und ich konnte gar nichts von seinem Gesicht vom Fenster unterscheiden; zuletzt wurde ich seine Augen gewahr, und ich dachte, er hätte zwei Löcher in der Bierschenkin ihren neuen Rock gemacht und guckte da durch.

PRINZ HEINRICH.
Hat der Junge nicht zugelernt?
BARDOLPH.
Fort, du Blitzkaninchen auf zwei Beinen, fort!
PAGE.
Fort, du Schelm von Altheas Traum, fort!
PRINZ HEINRICH.
Erkläre uns das, Junge: was für ein Traum?
PAGE.

Ei, gnädiger Herr, Althea träumte, sie käme mit einem Feuerbrande nieder, und darum nenne ich ihn ihren Traum.

PRINZ HEINRICH.
Eines Talers werte, gute Auslegung, und da hast du ihn, Junge! Gibt ihm Geld.
PAGE.

Oh, daß ich diese schöne Blüte vor dem Wurm bewahren könnte! – Nun, ist da ein Batzen, um dich zu hüten.

BARDOLPH.
Wenn ihr nicht sorgt, daß ihr ihn unter euch aufhängt, so geschieht dem Galgen zu nah.
PRINZ HEINRICH.
Nun, wie geht's deinem Herrn, Bardolph?
BARDOLPH.
Gut, gnädiger Herr. Er hörte, daß Euer Gnaden nach London kämen: da ist ein Brief an Euch.
POINS.
Mit gutem Anstande bestellt. – Und was macht der Martinstag, Euer Herr?
BARDOLPH.
Gesunden Leibes, Herr.
POINS.

Freilich, sein unsterbliches Teil braucht einen Arzt, aber das kümmert ihn nicht; ist das schon krank, so stirbt es doch nicht.

PRINZ HEINRICH.

Ich erlaube dem Kropf, so vertraut mit mir zu tun wie mein Hund, und er behauptet seinen Platz: denn seht nur, wie er schreibt!

POINS
liest.

»John Falstaff, Ritter« – jedermann muß das wissen, so oft er Gelegenheit hat, sich zu nennen. Grade wie die Leute, die mit dem König verwandt sind, denn die stechen sich niemals in den Finger, ohne zu sagen: »Da wird etwas von des Königs Blut vergossen.« – »Wie geht das zu?« sagt einer, der sich heraus nimmt, nicht zu begreifen, und die [309] Antwort ist so geschwind bei der Hand wie eine geborgte Mütze: »Ich bin des Königs armer Vetter, mein Herr.«

PRINZ HEINRICH.
Ja, sie wollen mit uns verwandt sein, und wenn sie es von Japhet ableiten. Aber den Brief!
POINS.

»Sir John Falstaff, Ritter, dem Sohne des Königs, der seinem Vater am nächsten, Heinrich, Prinzen von Wales, Gruß.« – Ei, das ist ein Attestat.

PRINZ HEINRICH.
Still!
POINS.

»Ich will den ruhmwürdigen Römer in der Kürze nachahmen«: – er meint gewiß, in der Kürze des Atems, – »ich empfehle mich dir, ich empfehle dich, und ich verlasse dich. Sei nicht zu vertraulich mit Poins; er mißbraucht deine Gunst so sehr, daß er schwört, du müssest seine Schwester Lene heiraten. Tu' Buße in müßigen Stunden, wie du kannst, und somit gehab' dich wohl!

Der Deinige bei Ja und Nein (das will sagen, je nachdem du ihm begegnest), Hans Falstaff für meine vertrauten Freunde, John für meine Brüder und Schwestern, und Sir John für ganz Europa.«

Mein Prinz, ich will diesen Brief in Sekt tauchen und ihn zwingen, ihn zu essen.

PRINZ HEINRICH.

Das hieße ihn zwingen, seine eignen Worte hinunter zu schlucken. Aber geht Ihr so mit mir um, Eduard? Muß ich Eure Schwester heiraten?

POINS.
Wäre der Dirne nur nichts Geringeres beschert! Aber gesagt habe ich es nie.
PRINZ HEINRICH.

So treiben wir Possen mit der Zeit, und die Geister der Weisen sitzen in den Wolken und spotten unser. – Ist Euer Herr hier in London?

BARDOLPH.
Ja, gnädiger Herr.
PRINZ HEINRICH.
Wo ißt er zu Abend? – Mästet sich der alte Eber noch auf dem alten Koben?
BARDOLPH.
An dem alten Platze, gnädiger Herr: zu Eastcheap.
PRINZ HEINRICH.
Was hat er für Gesellschaft?
BARDOLPH.
Ephesier, gnädiger Herr: von der alten Kirche.
PRINZ HEINRICH.
Essen Weiber mit ihm?
PAGE.
Keine, gnädiger Herr, als die alte Frau Hurtig und Jungfer Dortchen Lakenreißer.
[310] PRINZ HEINRICH.
Was mag das für eine Heidin sein?
PAGE.
Eine artige Mamsell, Herr, und eine Verwandte meines Herrn.
PRINZ HEINRICH.

Grade so verwandt wie die Gemeinde-Kühe dem Stadtbullen. – Sollen wir sie beim Abendessen beschleichen, Eduard?

POINS.
Ich bin Euer Schatten, gnädiger Herr, ich folge Euch.
PRINZ HEINRICH.

He! Du Bursch, – und Ihr, Bardolph! – sagt eurem Herrn kein Wort, daß ich schon in die Stadt gekommen bin! Da habt ihr was für euer Schweigen!

BARDOLPH.
Ich habe keine Zunge, Herr.
PAGE.
Und was meine betrifft, Herr, ich will sie regieren.
PRINZ HEINRICH.
Lebt denn wohl, geht!

Bardolph und Page ab.

Diese Dortchen Lakenreißer muß irgend eine Heerstraße sein.
POINS.
Das versichre ich Euch, so gemein wie der Weg von London nach St. Albans.
PRINZ HEINRICH.

Wie könnten wir den Falstaff heute abend in seinen wahren Farben sehen, ohne selbst gesehen zu werden?

POINS.
Stecken wir uns in zwei lederne Wämser und Schürzen und warten ihm bei Tische auf wie Küfer!
PRINZ HEINRICH.

Von einem Gott zu einem Stier? Eine schwere Herabsetzung! Sie war Jupiters Fall. Aus einem Prinzen in einen Kellerjungen? Eine niedrige Verwandlung! Sie soll die meinige sein, denn in jedem Dinge muß die Absicht mit der Torheit auf die Waagschale gelegt werden. Folge mir, Eduard! Ab.

Dritte Szene
Warkworth. Vor der Burg.

Northumberland, Lady Northumberland und Lady Percy treten auf.

NORTHUMBERLAND.
Ich bitt' euch, liebend Weib und werte Tochter,
Gebt meinen rauhen Händeln ebnen Weg:
[311]
Legt ihr nicht auch der Zeiten Miene an
Und seid wie sie dem Percy zur Beschwer!
LADY NORTHUMBERLAND.
Ich geb' es auf, ich will nicht weiter reden;
Tut, was Ihr wollt, es leit' Euch Eure Weisheit!
NORTHUMBERLAND.
Ach, liebes Weib! Die Ehre steht zum Pfand,
Und außer meinem Gehn kann nichts sie lösen.
LADY PERCY.
Um Gottes willen, nicht in diesen Krieg!
Einst habt Ihr, Vater, Euer Wort gebrochen,
Da Ihr ihm mehr verbunden wart als jetzt:
Als Euer Percy, mein herzlieber Percy,
Den Blick oft nordwärts wandt', ob nicht sein Vater
Zu Hülfe zöge, doch er harrt' umsonst.
Wer überredt' Euch da, zu Haus zu bleiben?
Zwei Ehren fielen da, des Sohns und Eure.
Die Eure möge Himmelsglanz erleuchten!
Die seine stand ihm schön, so wie die Sonne
Am blauen Firmament, und durch ihr Licht
Bewog sie alle Ritterschaft von England
Zu wackern Taten; ja, er war der Spiegel,
Wovor die edle Jugend sich geschmückt.
Wer seinen Gang nicht annahm, war gelähmt.
Und Stottern, was ein Fehler der Natur
Bei ihm, ward der Akzent der Tapfern nun.
Denn die, so leis' und ruhig sprechen konnten,
Verkehrten ihren Vorzug in Gebrechen,
Ihm gleich zu sein: so daß in Sprach', in Gang,
In Lebensart, in Neigungen der Lust,
In Kriegskunst und in Launen des Geblüts
Er Ziel und Spiegel, Buch und Vorschrift war,
Der andre formte. Und ihn! – den Herrlichen!
Dies Wunderwerk von Mann! – verließet Ihr:
Der keinem wich, von dem wicht Ihr zurück,
Daß er den grausen Gott des Krieges mußte
Im Nachteil schauen und ein Feld behaupten,
Wo nichts als nur der Klang von Heißsporns Namen
Noch wehrbar schien: so ganz verließt Ihr ihn,
[312]
Drum nie, o nie! tut seinem Geist die Schmach,
Daß Ihr auf Eure Ehre strenger haltet
Mit andern als mit ihm; laßt sie für sich!
Der Marschall und der Erzbischof sind stark:
Wenn mein Geliebter halb die Zahl nur hatte,
So könnt' ich heut, an Heißsporns Nacken hängend,
Von Monmouths Grabe reden.
NORTHUMBERLAND.
Holde Tochter,
Verzeih' Euch Gott! Ihr raubt mir allen Mut,
Indem ihr alte Fehler neu bejammert.
Doch ich muß gehn und die Gefahr da treffen,
Sonst sucht sie andrer Orten mich und findet
Mich schlechter noch gerüstet.
LADY NORTHUMBERLAND.
O flieht nach Schottland,
Bis erst die Edlen und das Volk in Waffen
Mit ihrer Macht ein wenig sich versucht.
LADY PERCY.
Wenn sie dem König Boden abgewinnen,
So schließt Euch an, wie eine Ribb' aus Stahl,
Die Stärke mehr zu stärken; aber erst,
Um unser aller Liebe willen, laßt
Sie sich versuchen! Das tat Euer Sohn,
Das gab man zu bei ihm: so ward ich Witwe,
Und nie wird lang' genug mein Leben dauern,
Erinn'rung mit den Augen zu betaun,
Daß sie erwachs' und sprosse bis zum Himmel,
Zum Angedenken meines edlen Gatten.
NORTHUMBERLAND.
Kommt, geht hinein mit mir, denn mein Gemüt
Ist wie die Flut zu ihrer Höh' geschwellt,
Die Stillstand macht, nach keiner Seite fließend.
Gern möcht' ich gehn, zum Erzbischof zu stoßen,
Doch tausend Gründe halten mich zurück.
Ich wende mich nach Schottland, dort zu weilen,
Bis Zeit und Vorteil andern Rat erteilen.

Alle ab.
[313]
Vierte Szene
London. Eine Stube in der Schenke zum wilden Schweinskopf in Eastcheap.

Zwei Küfer kommen.

ERSTER KÜFER.
Was Teufel hast du da gebracht? Arme Ritter? Du weißt, Sir John kann keine armen Ritter leiden.
ZWEITER KÜFER.

Wetter, du hast recht. Der Prinz setzte ihm einmal eine Schüssel mit armen Rittern vor und sagte ihm, da wären noch fünf andre Sir Johns, hierauf nahm er seinen Hut ab und sagte: »Ich empfehle mich diesen sechs altbacknen, kraftlosen, aufgequollnen armen Rittern.« Es ärgerte ihn von ganzer Seele, (aber) das hat er nun vergessen.

ERSTER KÜFER.

Nun, so decke und setz' sie hin; und sieh, ob du Schleichers Bande antreffen kannst: Jungfer Lakenreißer möchte gern ein bißchen Musik haben. Mach' fort! Die Stube, wo sie gegessen haben, ist zu heiß, sie werden gleich kommen.

ZWEITER KÜFER.

Hör' du, der Prinz wird bald hier sein und Herr Poins, und sie wollen zwei Wämser und Schürzen von uns antun, und Sir John darf nichts davon wissen; Bardolph hat es bestellt.

ERSTER KÜFER.
Potz Wetter, hier wird der Teufel los sein. Das wird einen herrlichen Spaß geben.
ZWEITER KÜFER.
Ich will sehen, ob ich Schleicher finden kann. Ab.

Wirtin und Dortchen Lakenreißer kommen.
WIRTIN.

Wahrhaftig, Herzchen, mich dünkt, jetzt seid Ihr in einer vortrefflichen Tempramentur; Euer Pülschen schlägt so ungemein, wie man sich's nur wünschen kann, und von Farbe, Ihr könnt mir's glauben, seht Ihr so frisch aus wie eine Rose. Aber wahrhaftig, Ihr habt zu viel Kanariensekt getrunken, und das ist ein verzweifelt durchschlagender Wein: der würzt Euch das Blut, ehe man eine Hand umdreht. – Wie geht's Euch nun?

DORTCHEN.
Besser als vorhin, Hem.
[314] WIRTIN.
Nun, das macht Ihr schön, wenn das Herz nur gut ist.
Seht, da kommt Sir John!

Falstaff kommt singend.
FALSTAFF.
»Als Arthur erst am Hof« –
Bringt den Nachttopf aus!
»Und war ein würd'ger Herr.«
Küfer ab.

Was macht Ihr nun, Jungfer Dortchen?
WIRTIN.
Ihr ist übel, es fehlt ihr an Beängstigungen; ja, meiner Seel'.
FALSTAFF.
So sind alle Weibsbilder; wenn man sie nicht immer beängstigt, so wird ihnen übel.
DORTCHEN.
Ihr schmutziger Balg! Ist das aller Trost, den ich von Euch habe?
FALSTAFF.
Ihr macht aufgedunsne Bälge, Jungfer Dortchen.
DORTCHEN.
Ich mache sie? Fresserei und Krankheiten machen sie, ich nicht.
FALSTAFF.

Wenn der Koch die Fresserei machen hilft, so helft Ihr die Krankheiten machen, Dortchen. Wir kriegen von Euch ab, Dortchen, wir kriegen von Euch ab: gib das zu, liebe Seele, gib das zu!

DORTCHEN.
Ja wohl, unsre Ketten und Juwelen.
FALSTAFF.

»Rubinen, Perlen und Karfunkeln,« –

Denn Ihr wißt, wer tapfer dient, kommt hinkend aus dem Felde; der kommt aus der Bresche, seine Pike tapfer eingelegt, und tapfer zum Chirurgus; der geht tapfer auf geladne Feldkatzen los.

DORTCHEN.
Laßt Euch hängen, garstiger Schweinigel, laßt Euch hängen!
WIRTIN.

Meiner Treu, das ist die alte Weise, ihr beiden kommt niemals zusammen, ohne daß ihr in Zank geratet. Gewiß und wahrhaftig, ihr seid so widerhaarig wie zwei geröstete Semmelscheiben ohne Butter, ihr könnt einer des andern Kommoditäten nicht tragen. Du meine Zeit! Einer muß tragen, und das müßt Ihr sein. Zu Dortchen. Ihr seid das schwächere Gefäß, wie man zu sagen pflegt, das ledige Gefäß.

[315] DORTCHEN.

Kann ein schwaches, lediges Gefäß solch ein ungeheures, volles Oxhoft tragen? Er hat eine ganze Ladung von Bourdeauxschem Zeuge im Leibe, ich habe niemals einen Schiffsraum besser ausgestopft gesehen. – Komm, ich will gut Freund mit dir sein, Hans; du gehst jetzt in den Krieg, und ob ich dich jemals wieder sehen soll oder nicht, da fragt kein Mensch darnach.


Ein Küfer kommt.
KÜFER.
Herr, unten ist Fähndrich Pistol und will mit Euch sprechen.
DORTCHEN.

An den Galgen mit dem Schelm von Renommisten! laßt ihn nicht hereinkommen: es gibt kein loseres Maul in ganz England.

WIRTIN.

Wenn er renommiert, so laßt ihn nicht hereinkommen: nein, meiner Seele, ich muß mit meinen Nachbarn leben, ich will keine Renommisten, ich bin in guter Renommee bei den allerbesten Leuten. – Schließt die Tür zu, wir lassen hier keine Renommisten herein, ich habe es nicht so weit in der Welt gebracht, um nun hier renommieren zu lassen; schließt die Tür zu, ich bitte Euch!

FALSTAFF.
Hörst du, Wirtin?
WIRTIN.
Ich bitte, beruhigt Euch, Sir John, wir lassen hier keine Renommisten herein.
FALSTAFF.
Hörst du? Es ist mein Fähndrich.
WIRTIN.

Wischewasche, Sir John, sagt mir da nicht von, Euer Renommisten-Fähndrich soll nicht in meine vier Wände kommen. Ich wurde letzthin bei Herrn Zehrung, dem Kommissär, vorgefodert, und wie er mir sagte, – es ist nicht länger her als letzten Mittwoch, – »Nachbarin Hurtig«, sagte er, – Meister Stumm, unser Pfarrer, war auch dabei, – »Nachbarin Hurtig«, sagte er, »nehmt bloß ordentliche Leute auf; denn«, sagte er, »Ihr seid in üblem Rufe« – und ich weiß auch, warum er das sagte, »denn«, sagte er, »Ihr seid eine ehrliche Frau, und man denkt gut von Euch: darum seht Euch vor, was für Gäste Ihr aufnehmt; nehmt keine renommierenden Gesellen auf«, sagte er. – Ich lasse keine herein: Ihr würdet Euch kreuzigen und segnen, wenn[316] Ihr gehört hättet, was er sagte. Nein, ich will keine Renommisten!

FALSTAFF.

Er ist kein Renommist, Wirtin, ein zahmer Locker ist er; er läßt sich so geduldig von Euch streicheln wie ein Windspiel, er renommiert nicht gegen eine Truthenne, wenn sich ihre Federn irgend sträuben, um Widerstand zu drohen. – Ruf' ihn herauf, Küfer!

WIRTIN.

Locker nennt Ihr ihn? Nun, ich will keinem ehrlichen Mann das Haus verschließen, und keinem lockern auch nicht. Aber das Renommieren mag ich nicht leiden; meiner Treu, mir wird schlimm, wenn einer sagt: Renommist. Fühlt nur an, liebe Herrn, wie ich zittre; seht, ihr könnt mir's glauben!

DORTCHEN.
Das tut Ihr auch, Wirtin.
WIRTIN.

Tu' ich's nicht? Ja, wahrhaftig tu' ich's, wie ein Espenlaub: ich kann die Renommisten nicht ausstehn.


Pistol, Bardolph und Page kommen.
PISTOL.
Gott grüß' Euch, Sir John!
FALSTAFF.

Willkommen, Fähndrich Pistol! Hier, Pistol, ich lade dich mit einem Glase Sekt, gib du dann der Frau Wirtin die Ladung!

PISTOL.
Ich will ihr die Ladung geben, Sir John, mit zwei Kugeln.
FALSTAFF.
Sie ist pistolenfest, Ihr werdet ihr schwerlich ein Leid zufügen.
WIRTIN.

Geht, ich habe nichts mit Euren Pistolen und Kugeln zu schaffen: ich trinke nicht mehr, als mir gut bekömmt, keinem Menschen zu lieb.

PISTOL.
Dann zu Euch, Jungfer Dorothee, ich will Euch die Ladung geben.
DORTCHEN.

Mir die Ladung geben? Ja, kommt mir, Lausekerl! Was, so 'n armer Schelm von Betrüger, der kein heiles Hemd auf dem Leibe hat! Packt Euch, Ihr abgestandener Schuft! fort! Ich bin ein Bissen für Euren Herrn.

PISTOL.
Ich kenne Euch, Jungfer Dorothee.
DORTCHEN.

Packt Euch, Ihr Schurke von Beutelschneider! Ihr garstiger Taschendieb, fort! Bei dem Wein hier, ich [317] fahre Euch mit meinem Messer zwischen die schimmlichten Kinnbacken, wenn Ihr Euch bei mir mausig machen wollt. Packt Euch, Ihr Bierschlingel! Ihr lahmer Fechtboden-Springer Ihr! – Seit wann, Herr, ich bitte Euch? Ei, zwei Schnüre auf der Schulter! der Tausend!

PISTOL.
Dafür will ich Euren Kragen ermorden.
FALSTAFF.

Nicht weiter, Pistol, ich möchte nicht, daß du hier losgingest. Drücke dich aus unsrer Gesellschaft ab, Pistol!

WIRTIN.
Nein, bester Hauptmann Pistol! Nicht hier, schönster Hauptmann!
DORTCHEN.

Hauptmann! Du abscheulicher, verdammter Betrüger, schämst du dich nicht, Hauptmann zu heißen? Wenn Hauptleute so gesinnt wären wie ich, so prügelten sie dich hinaus, weil du ihre Namen annimmst, eh' du sie verdient hast. Ihr ein Hauptmann, Ihr Lump? Wofür? Weil Ihr einer armen Hure in einem Bordell den Kragen zerrissen habt? Er ein Hauptmann? An den Galgen mit ihm! Er lebt von verschimmelten, gesottnen Pflaumen und altbacknem Kuchen. Ein Hauptmann! Solche Spitzbuben werden das Wort Hauptmann noch ganz verhaßt machen, drum sollten Hauptleute ein Einsehn tun.

BARDOLPH.
Ich bitte dich, geh hinunter, bester Fähndrich!
FALSTAFF.
Pst! Auf ein Wort, Jungfer Dortchen!
PISTOL.

Ich nicht. Ich will dir was sagen, Korporal Bardolph: – ich könnte sie zerreißen, – ich will gerochen sein.

PAGE.
Ich bitte dich, geh hinunter!
PISTOL.

Sie sei verdammt erst, – zu Plutos grausem See, zur höll'schen Tiefe, mit Erebus und schnöden Qualen auch. Halt' Lein' und Angel, sag' ich. Fort, Hunde! Fort, Gesindel! Ist nicht Irene hier?

WIRTIN.

Lieber Hauptmann Pesel, seid ruhig! Es ist wahrhaftig schon sehr spät: ich bitte Euch, forciert Euren Zorn!

PISTOL.
Das wären mir Humore! Soll'n Packpferde
Und hohl gestopfte Mähren Asiens,
Die dreißig Meilen nur des Tages laufen,
Mit Cäsarn sich und Kannibalen messen
Und griech'schen Troern? Eh' verdammt sie mit
[318]
Fürst Cerberus und brüll' das Firmament!
Entzwei'n wir uns um Tand?
WIRTIN.
Meiner Seel', Hauptmann, das sind recht harte Reden.
BARDOLPH.
Geht, guter Fähndrich, sonst wird noch eine Prügelei daraus.
PISTOL.
Wie Hunde sterben Menschen; Kronen gebt
Wie Nadeln weg: ist nicht Irene hier?
WIRTIN.
Auf mein Wort, Hauptmann, so eine ist gar nicht hier.
Ei du liebe Zeit! Denkt Ihr, ich wollte sie Euch verleugnen?
Um Gottes willen, seid ruhig!
PISTOL.
So iß und sei fett, schöne Calipolis!
Kommt, gebt uns Sekt!
Si fortuna me tormenta, sperato me contenta;
Scheu'n Salven wir? Nein, feur' der böse Feind!
Gebt mir was Sekt, und, Herzchen, lieg' du da!

Indem er den Degen ablegt.

Sind wir am Schlußpunkt schon, und kein et cetera gibt's?
FALSTAFF.
Pistol, ich wäre gern in Ruhe.
PISTOL.
Ich küsse deine Pfote, holder Ritter. Was? Sahn wir nicht das Siebengestirn?
DORTCHEN.
Werft ihn die Treppe hinunter, ich kann so einen aufgestelzten Schuft nicht ausstehn.
PISTOL.
»Werft ihn die Treppe hinunter?« Wir kennen Klepper ja?
FALSTAFF.

Schleudre ihn hinunter, Bardolph, wie einen Peilkenstein! Wenn er nichts tut, als Nichts sprechen, so soll er hier auch nichts vorstellen.

BARDOLPH.
Kommt, macht Euch die Treppe hinunter!
PISTOL.
So muß man Einschnitt machen? muß besudeln?

Greift seinen Degen auf.

Dann wieg' mich, Tod, in Schlaf! Verkürz' die Jammertage!
Dann sei'n durch schwere, grause, offne Wunden
Die Schwestern drei gelöst! Komm, sag' ich, Atropos!
WIRTIN.
Das sind mir herrliche Streiche!
FALSTAFF.
Gib mir meinen Degen, Bursch!
[319] DORTCHEN.
Ich bitte dich, Hans, ich bitte dich, zieh' nicht!
FALSTAFF.
Packt Euch die Treppe hinunter! Er zieht und jagt Pistol hinaus.
WIRTIN.

Das ist mir ein herrlicher Lärm! Ich will das Wirtschafthalten abschwören, lieber als daß ich so einen Schreck und Terrör haben will. Nu, das gibt Mord, glaubt mir's! – Ach je! Ach je! Steckt eure bloßen Gewehre ein! Steckt eure bloßen Gewehre ein!


Pistol und Bardolph ab.
DORTCHEN.
Ich bitte dich, Hans, sei ruhig! Der Schuft ist fort. Ach du kleiner tapfrer Blitzschelm du!
WIRTIN.

Seid Ihr nicht in der Weiche verwundet? Mich dünkt, er tat einen gefährlichen Stoß nach Eurem Bauche.


Bardolph kommt zurück.
FALSTAFF.
Habt Ihr ihn zur Tür hinaus geworfen?
BARDOLPH.
Ja, Herr. Der Schuft ist besoffen, Ihr habt ihn in die Schulter verwundet.
FALSTAFF.
So ein Schurke! Mir zu trotzen!
DORTCHEN.

Ach, du allerliebster kleiner Schelm du! Ach, armer Affe, wie du schwitzest! Komm, laß mich dein Gesicht abwischen, – komm doch her, du närrische Schnauze! – Ach, Schelm! Mein' Seel', ich liebe dich. Du bist so tapfer wie der trojanische Hektor, fünf Agamemnons wert, und zehn Mal besser als die neun Helden. – Ein Spitzbube!

FALSTAFF.
Ein niederträchtiger Schurke! Ich will den Schelm auf einer Bettdecke prellen.
DORTCHEN.
Ja, tu's, wenn du das Herz hast: wenn du's tust, so will ich dich zwischen zwei Laken vorkriegen.

Musikanten kommen.
PAGE.
Die Musikanten sind da, Herr.
FALSTAFF.

Laß sie spielen! – Spielt, Leute! – Dortchen, setz' dich auf meinen Schoß! Ein elender Großprahler! Der Schurke lief vor mir davon wie Quecksilber.

DORTCHEN.

Wahrhaftig, und du warst wie ein Kirchturm hinter ihm drein. Du verwettertes, kleines, zuckergebacknes Weihnachts-Schweinchen, wenn wirst du das Fechten bei [320] Tage und das Raufen bei Nacht lassen und anfangen, deinen alten Leib für den Himmel zurecht zu flicken?


Im Hintergrunde erscheinen Prinz Heinrich und Poins, in Küfer verkleidet.
FALSTAFF.
Still, liebes Dortchen! Sprich nicht wie ein Totenkopf, erinnre mich nicht an mein Ende!
DORTCHEN.
Hör' doch, von was für einem Humor ist denn der Prinz?
FALSTAFF.

Ein guter, einfältiger junger Mensch. Er hätte einen guten Brotmeister abgegeben, er würde das Brot gut vorschneiden.

DORTCHEN.
Aber Poins soll einen feinen Witz haben.
FALSTAFF.

Der einen feinen Witz? Zum Henker mit dem Maulaffen! Sein Witz ist so dick wie Senf von Tewksbury, er hat nicht mehr Verstand als ein Hammer.

DORTCHEN.
Weswegen hat ihn denn der Prinz so gern?
FALSTAFF.

Weil der eine so dünne Beine hat wie der andre, und weil er gut Peilke spielt, und ißt Meeraal und Fenchel, und schluckt brennende Kerzen-Endchen im Wein hinunter, und trägt sich Huckepack mit den Jungen, und springt über Schemel, und flucht mit gutem Anstande, und trägt seine Stiefeln glatt an, wie an einem ausgehängten Bein auf einem Schilde, und stiftet keinen Zank durch Ausplaudern von feinen Geschichten, und mehr dergleichen Springergaben hat er, die einen schwachen Geist und einen geschickten Körper beweisen, weswegen ihn der Prinz um sich leidet; denn der Prinz ist selbst eben so ein Gesell: das Gewicht eines Haars wird zwischen ihnen der einen Schale den Ausschlag geben.

PRINZ HEINRICH.
Sollte man dieser Nabe von einem Rade nicht die Ohren abschneiden?
POINS.
Laßt uns ihn vor den Augen seiner Hure prügeln!
PRINZ HEINRICH.
Seht doch, läßt sich der welke Alte nicht den Kopf krauen wie ein Papagei?
POINS.
Ist es nicht wunderbar, daß die Begierde das Vermögen um so viele Jahre überlebt?
FALSTAFF.
Küß mich, Dortchen!
[321] PRINZ HEINRICH.
Saturn und Venus heuer in Konjunktion! Was sagt der Kalender dazu?
POINS.

Seht nur, flüstert nicht auch sein Kerl, der feurige Triangel, mit dem alten Register seines Herrn, seiner Schreibtafel, seinem Denkbuche?

FALSTAFF.
Du gibst mir angenehme Schmätzchen.
DORTCHEN.
Ja wahrhaftig, ich küsse dich mit einem recht beständigen Herzen.
FALSTAFF.
Ich bin alt, ich bin alt.
DORTCHEN.
Ich habe dich lieber, als alle die jungen Gelbschnabel miteinander.
FALSTAFF.

Aus was für Zeug willst du eine Schürze haben? Auf den Donnerstag kriege ich Geld, du sollst morgen eine Mütze haben. Komm, ein lustiges Lied! Es wird spät, wir wollen zu Bett. Wenn ich weg bin, wirst du mich vergessen.

DORTCHEN.

Meiner Treu, du wirst mich zum Weinen bringen, wenn du das sagst; sieh zu, ob ich mich jemals hübsch kleide, bis du wieder zurück bist. Nun warte das Ende ab!

FALSTAFF.
Was Sekt, Franz!
PRINZ HEINRICH UND POINS
hervortretend.
Gleich, Herr! gleich!
FALSTAFF.
Ha! ein Bastard-Sohn des Königs. Und bist du nicht Poins sein Bruder?
PRINZ HEINRICH.
Ei, du Erdball von sündlichen Ländern, was für ein Leben führst du?
FALSTAFF.
Ein besseres als du: Ich bin ein Mann von Stande, du ziehst Bier ab.
PRINZ HEINRICH.
Ganz richtig, Herr, und darum komme ich, Euch das Fell abzuziehn.
WIRTIN.

Oh, der Herr erhalte Eure wackre Gnaden! Meiner Treu, willkommen in London! – Nun, der Herr segne dies dein holdes Angesicht! O Jesus, seid Ihr aus Wales zurückgekommen?

FALSTAFF
indem er die Hand auf Dortchen legt.

Du verwettertes, tolles Stück Majestät, bei diesem leichtfertigen Fleisch und verderbten Blut, du bist willkommen!

DORTCHEN.
Was, Ihr gemästeter Narr? Ich frage nichts nach Euch.
[322] POINS.

Gnädiger Herr, er wird Euch aus Eurer Rache heraustreiben und alles in einen Spaß verwandeln, wenn Ihr ihm nicht in der ersten Hitze zusetzt.

PRINZ HEINRICH.

Du verfluchte Talggrube, wie niederträchtig sprachst du nicht jetzt eben von mir vor diesem ehrbaren, tugendhaften, artigen Frauenzimmer?

WIRTIN.
Gott segne Euer gutes Herz, das ist sie auch, gewiß und wahrhaftig.
FALSTAFF.
Hast du es angehört?
PRINZ HEINRICH.

Ja, und Ihr kanntet mich wie damals, da Ihr bei Gadshill davonlieft; Ihr wußtet, daß ich hinter Euch stand, und tatet es mit Fleiß, um meine Geduld auf die Probe zu stellen.

FALSTAFF.
Nein, nein, nein, das nicht; ich glaubte nicht, daß du mich hören könntest.
PRINZ HEINRICH.

So müßt Ihr mir die vorsätzliche Beschimpfung eingestehn, und dann weiß ich, wie ich Euch handhaben soll.

FALSTAFF.
Keine Beschimpfung, Heinz, auf meine Ehre, keine Beschimpfung!
PRINZ HEINRICH.

Nicht? Mich herunter zu machen und mich Brotmeister und Brotschneider und ich weiß nicht was zu nennen!

FALSTAFF.
Keine Beschimpfung, Heinz!
POINS.
Keine Beschimpfung?
FALSTAFF.

Nein, Eduard, keine Beschimpfung auf der Welt; nicht die geringste, mein ehrlicher Eduard! Ich machte ihn herunter vor den Gottlosen, damit die Gottlosen sich nicht in ihn verlieben möchten; darin habe ich die Pflicht eines besorgten Freundes und eines redlichen Untertans ausgeübt, und dein Vater hat mir dafür zu danken. Keine Beschimpfung, Heinz! nicht die geringste, Eduard! – Nein, Kinder, nicht die geringste!

PRINZ HEINRICH.

Nun sieh einmal, bringt dich nicht bloße Furcht und ausgemachte Feigheit dahin, diesem tugendhaften Frauenzimmer zu nahe zu tun, um dich mit uns auszusöhnen? Ist sie von den Gottlosen? Ist unsre Frau Wirtin da von den Gottlosen? Oder ist der Bursch von den Gottlosen? [323] Oder der ehrliche Bardolph, dessen Andacht in seiner Nase brennt, von den Gottlosen?

POINS.
Antworte, du abgestorbne Rüster! Antworte!
FALSTAFF.

Den Bardolph hat der böse Feind ohne Rettung gezeichnet, und sein Gesicht ist Luzifers Leibküche, wo er nichts tut als Malzwürmer rösten. Was den Knaben betrifft, so ist ein guter Engel um ihn, aber der Teufel überbietet ihn auch.

PRINZ HEINRICH.
Was die Weiber betrifft, –
FALSTAFF.

Die eine von ihnen, – die ist schon in der Hölle und brennt, die arme Seele! Was die andre betrifft, – ich bin ihr Geld schuldig, und ob sie dafür verdammt ist, weiß ich nicht.

WIRTIN.
Nein, das will ich Euch versichern.
FALSTAFF.

Ja, ich denke es auch nicht; ich denke, dessen bist du quitt. (Ey,) es gibt aber noch eine andre Klage wider dich, daß du gegen die Verordnung in deinem Hause Fleisch essen lässest; dafür wirst du, denke ich, noch einmal heulen.

WIRTIN.
Das tun alle Speisewirte. Was will eine Schöpskeule oder ein Paar in der ganzen Fastenzeit sagen?
PRINZ HEINRICH.
Ihr, Frauenzimmer –
DORTCHEN.
Was sagen Euer Gnaden?
FALSTAFF.
Seine Gnade sagt etwas, wogegen sich sein Fleisch auflehnt.
WIRTIN.
Wer klopft so laut an die Türe? Sieh nach der Türe, Franz!

Peto kommt.
PRINZ HEINRICH.
Peto, was gibt's? Was bringst du Neues?
PETO.
Der König, Euer Vater, ist zu Westminster,
Und zwanzig müde und erschöpfte Boten
Sind aus dem Norden da; und wie ich herkam,
Traf ich und holt' ein Dutzend Hauptleut' ein,
Barköpfig, schwitzend, an die Schenken klopfend,
Und alle frugen sie nach Sir John Falstaff.
PRINZ HEINRICH.
Beim Himmel, Poins, ich fühl' mich tadelnswert,
So müßig zu entweihn die edle Zeit,
Wenn Wetter der Empörung wie der Süd,
[324]
Von schwarzem Dunst getragen, schmelzen will
Und träuft auf unser unbewehrtes Haupt.
Gib Degen mir und Mantel – Falstaff, gute Nacht!

Prinz Heinrich, Poins, Peto und Bardolph ab.
FALSTAFF.
Nun kommt der leckerste Bissen der Nacht, und wir müssen fort und ihn ungenossen lassen.

Man hört klopfen.

Wieder an der Tür geklopft?

Bardolph kommt zurück.

Nun? Was gibt's?
BARDOLPH.
Ihr müßt gleich fort an den Hof, ein Dutzend
Hauptleute warten an der Tür auf Euch.
FALSTAFF
zum Pagen.

Bezahl' die Musikanten, Bursch! – Leb wohl, Wirtin, – leb wohl, Dortchen! – Ihr seht, meine guten Weibsbilder, wie Männer von Verdienst gesucht werden: der Unverdiente kann schlafen, während der tüchtige Mann aufgerufen wird. Lebt wohl, meine guten Weibsbilder! – Wenn ich nicht schleunig weggesandt werde, so will ich Euch noch wieder besuchen, eh' ich gehe.

DORTCHEN.

Ich kann nicht sprechen, – wenn mir das Herz nicht brechen will. – Nun, herzliebster Hans, trage Sorge für dich selbst!

FALSTAFF.
Lebt wohl, lebt wohl!

Falstaff und Bardolph ab.
WIRTIN.

Nun, so lebe wohl! Neunundzwanzig Jahre sind's nun, daß ich dich gekannt habe, wenn die grünen Erbsen wieder kommen; aber einen ehrlicheren Mann und ein treueres Gemüt, – Nun, so lebe wohl!

BARDOLPH
draußen.
Jungfer Lakenreißer!
WIRTIN.
Was gibt's?
BARDOLPH
draußen.
Heißt Jungfer Lakenreißer zu meinem Herrn kommen!
WIRTIN.
O lauf, Dortchen, lauf! Lauf, liebes Dortchen!

Beide ab.
[325]

Dritter Aufzug

Erste Szene
Ein Zimmer im Palast.

König Heinrich kommt im Nachtkleide mit einem Pagen.

KÖNIG HEINRICH.
Geh', ruf' die Grafen Surrey her und Warwick,
Doch heiß' zuvor sie diese Briefe lesen
Und reiflich sie erwägen: tu's mit Eil'!

Page ab.

Wie viel der ärmsten Untertanen sind
Um diese Stund' im Schlaf! – O Schlaf! O holder Schlaf!
Du Pfleger der Natur, wie schreckt' ich dich,
Daß du nicht mehr zudrücken willst die Augen
Und meine Sinne tauchen in Vergessen?
Was liegst du lieber, Schlaf, in rauch'gen Hütten,
Auf unbequemer Streue hingestreckt,
Von summenden Nachtfliegen eingewiegt,
Als in der Großen duftenden Palästen,
Unter den Baldachinen reicher Pracht
Und eingelullt von süßen Melodien?
O blöder Gott, was liegst du bei den Niedern
Auf eklem Bett und läßt des Königs Lager
Ein Schilderhaus und Sturmesglocke sein?
Versiegelst du auf schwindelnd hohem Mast
Des Schifferjungen Aug' und wiegst sein Hirn
In rauher, ungestümer Wellen Wiege
Und in der Winde Andrang, die beim Gipfel
Die tollen Wogen packen, krausen ihnen
Das ungeheure Haupt und hängen sie
[326]
Mit tobendem Geschrei ins glatte Tauwerk,
Daß vom Getümmel selbst der Tod erwacht?
Gibst du, o Schlaf, parteiisch deine Ruh'
Dem Schifferjungen in so rauher Stunde,
Und weigerst in der ruhig stillsten Nacht
Bei jeder Foderung sie einem König?
So legt, ihr Niedern, nieder euch, beglückt;
Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt.

Warwick und Surrey treten auf.
WARWICK.
Den schönsten Morgen Eurer Majestät!
KÖNIG HEINRICH.
Ist es schon Morgen, Lords?
WARWICK.
Es ist ein Uhr und drüber.
KÖNIG HEINRICH.
So habt denn guten Morgen! Liebe Lords,
Last ihr die Briefe, die ich euch gesandt?
WARWICK.
Ja, gnäd'ger Herr.
KÖNIG HEINRICH.
So kennt ihr nun den Körper unsers Reichs,
Wie angesteckt er ist, wie schlimme Übel,
Dem Herzen nah, gefährlich in ihm gären.
WARWICK.
Noch ist es nur wie Unordnung im Körper,
Den guter Rat und wen'ge Arzenei
Zu seiner vor'gen Stärke bringen kann. –
Mylord Northumberland ist bald gekühlt.
KÖNIG HEINRICH.
O Himmel, könnte man im Buch des Schicksals
Doch lesen, und der Zeiten Umwälzung
Die Berge ebnen und das feste Land,
Der Dichte überdrüssig, in die See
Wegschmelzen sehn! und sehn des Ozeans
Umgürtend Ufer für Neptunus' Hüften
Ein ander Mal zu weit! Wie Zufall spielt
Und Wechsel der Veränd'rung Schale füllt
Mit mancherlei Getränk! Oh, säh' man das,
Der frohste Jüngling, diesen Fortgang schauend,
Wie hier Gefahr gedroht, dort Leiden nahn:
Er schlöss' das Buch und setzte sich und stürbe.
Es sind noch nicht zehn Jahr,
Seit Richard und Northumberland als Freunde
Zusammen schmausten, und zwei Jahr nachher
[327]
Gab's zwischen ihnen Krieg; acht Jahr nur, seit
Der Percy meinem Herzen war der nächste,
Der wie ein Bruder sich erschöpft für mich
Und Lieb' und Leben mir zu Füßen legte,
Ja, meinetwillen, selbst in Richards Antlitz
Ihm Trotz bot. Doch, wer war dabei von euch

Zu Warwick.

(Ihr, Vetter Nevil, wie ich mich erinnre),
Als Richard, ganz von Tränen überfließend,
Damals gescholten vom Northumberland,
Die Worte sprach, die Prophezeiung wurden?
»Northumberland, du Leiter, mittelst deren
Mein Vetter Bolingbroke den Thron besteigt«; –
Was da, Gott weiß, nicht in den Sinn mir kam,
Wenn nicht Notwendigkeit den Staat so bog,
Daß ich und Größ' einander küssen mußten; –
»Es kommt die Zeit«, dies setzt' er dann hinzu,
»Es kommt die Zeit, daß arge Sünde, reifend,
Ausbrechen wird in Fäulnis«, fuhr so fort
Und sagte dieser Zeiten ganze Lage
Und unsrer Freundschaft Trennung uns vorher.
WARWICK.
Ein Hergang ist in aller Menschen Leben,
Abbildend der verstorbnen Zeiten Art:
Wer den beachtet, kann, zum Ziele treffend,
Der Dinge Lauf im ganzen prophezein,
Die, ungeboren noch, in ihrem Samen
Und schwachem Anfang eingeschachtelt liegen.
Dergleichen wird der Zeiten Brut und Zucht;
Auf die notwend'ge Form hievon vermochte
Richard die sichre Mutmaßung zu baun,
Der mächtige Northumberland, ihm falsch,
Werd' aus der Saat zu größrer Falschheit wachsen,
Die keinen Boden, drein zu wurzeln, fände,
Als nur an Euch.
KÖNIG HEINRICH.
Sind diese Dinge denn Notwendigkeiten?
Bestehn wir auch sie wie Notwendigkeiten!
Dies selbe Wort ruft eben jetzt uns auf. –
Man sagt, der Bischof und Northumberland
Sind funfzigtausend stark
[328] WARWICK.
Es kann nicht sein, mein Fürst.
Gerücht verdoppelt, so wie Stimm' und Echo,
Die Zahl Gefürchteter. – Beliebt Eu'r Hoheit,
Zu Bett zu gehn; bei meinem Leben, Herr,
Die Macht, die Ihr schon ausgesendet habt,
Wird leichtlich diese Beute bringen heim.
Euch mehr zu trösten, so empfing ich jetzt
Gewisse Nachricht von Glendowers Tod.
Eu'r Majestät war krank seit vierzehn Tagen,
Und diese unbequemen Stunden müssen
Das Übel mehren.
KÖNIG HEINRICH.
Ich folge Eurem Rat.
Und läßt der innre Krieg uns freie Hand,
So ziehn wir, werte Lords, ins Heil'ge Land.

Ab.
Zweite Szene
Hof vor dem Hause des Friedensrichters Schaal in Glocestershire.

Schaal und Stille kommen von verschiednen Seiten; Schimmelig, Schatte, Warze, Schwächlich, Bullenkalb und Bediente im Hintergrunde.

SCHAAL.
Sieh da, sieh da, sieh da! Gebt mir die Hand, Herr!
Gebt mir die Hand, Herr! Früh bei Wege, meiner Six!
Nun, was macht denn mein guter Vetter Stille?
STILLE.
Guten Morgen, guter Vetter Schaal!
SCHAAL.
Und was macht meine Muhme, Eure Ehehälfte?
Und unser allerliebstes Töchterchen, mein Patchen Lene?
STILLE.
Ach, das ist eine schwarze Amsel, Vetter Schaal.
SCHAAL.

Bei Ja und Nein, Herr, ich will drauf wetten, mein Vetter Wilhelm ist ein guter Lateiner geworden. Er ist noch zu Oxford, nicht wahr?

STILLE.
Ja freilich, es kostet mir Geld.
SCHAAL.

Da muß er bald in die Rechtshöfe. Ich war auch einmal in Clemens-Hof, wo sie, denke ich, noch von dem tollen Schaal sprechen werden.

STILLE.
Ihr hießt damals der muntre Schaal, Vetter.
[329] SCHAAL.

Beim Element, ich hieß, wie man wollte, und ich hätte auch getan, was man wollte, ja, wahrhaftig, und das frisch weg. Da war ich, und der kleine Johann Deut aus Staffordshire, und der schwarze Georg Kahl, und Franz Nagebein, und Wilhelm Quaake, einer aus Cotswold, – es gab seitdem keine vier solche Haudegen in allen den Rechtshöfen zusammen, und ich kann's Euch wohl sagen, wir wußten, wo lose Ware zu haben war, und hatten immer die beste zu unserm Befehl. Damals war Hans Falstaff, jetzt Sir John, ein junger Bursch und Page bei Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk.

STILLE.
Derselbe Sir John, Vetter, der jetzt eben der Soldaten wegen herkommt?
SCHAAL.

Derselbe Sir John, eben derselbe. Ich habe ihn am Tor des Kollegiums dem Skogan ein Loch in den Kopf schlagen sehn, da er ein Knirps, nicht so hoch, war; grade denselben Tag schlug ich mich mit einem gewissen Simson Stockfisch, einem Obsthändler, hinter Grays Hof. O die tollen Tage, die ich hingebracht habe! Und wenn ich nun sehe, daß so viele von meinen alten Bekannten tot sind!

STILLE.
Wir werden alle nachfolgen, Vetter.
SCHAAL.

Gewiß, ja, das ist gewiß. Sehr sicher! Sehr sicher! Der Tod, wie der Psalmist sagt, ist allen gewiß, alle müssen sterben. Was gilt ein gutes Paar Ochsen auf dem Markt zu Stamford?

STILLE.
Wahrhaftig, Vetter, ich bin nicht da gewesen.
SCHAAL.
Der Tod ist gewiß. – Ist der alte Doppel, Euer Landsmann, noch am Leben?
STILLE.
Tot, Herr.
SCHAAL.

Tot? – Sieh! Sieh! – Er führte seinen guten Bogen – und ist tot! – Er schoß seinen tüchtigen Schuß; Johann von Gaunt hatte ihn gern und wettete viel Geld auf seinen Kopf. Tot! – Auf zweihundertundvierzig Schritt traf er ins Weiße und trieb Euch einen leichten Bolzen auf zweihundertundachtzig, auch neunzig Schritt, daß einem das Herz im Leibe lachen mußte. – Wieviel gilt die Mandel Schafe jetzt?

STILLE.
Es ist, nachdem sie sind: eine Mandel guter Schafe kann wohl zehn Pfund wert sein.
[330] SCHAAL.
Und ist der alte Doppel tot?

Bardolph kommt und einer mit ihm.
STILLE.
Hier kommen, denk' ich, zwei von Sir John Falstaffs Leuten.
BARDOLPH.
Guten Morgen, wackre Herren! Ich bitte euch, wer von euch ist der Friedensrichter Schaal?
SCHAAL.

Ich bin Robert Schaal, Herr: ein armer Gutsbesitzer aus der Grafschaft und einer von des Königs Friedensrichtern. Was steht zu Eurem Befehl?

BARDOLPH.

Mein Hauptmann, Herr, empfiehlt sich Euch; mein Hauptmann, Sir John Falstaff: ein tüchtiger Kavalier, beim Himmel, und ein sehr beherzter Anführer.

SCHAAL.

Ich danke für seinen Gruß. Ich habe ihn als einen sehr guten Fechter gekannt. Was macht der gute Ritter? Darf ich fragen, was seine Frau Gemahlin macht?

BARDOLPH.
Um Verzeihung, Herr, ein Soldat ist besser akkommodiert ohne Frau.
SCHAAL.

Es ist gut gesagt, meiner Treu, Herr; in der Tat, recht gut gesagt. Besser akkommodiert! Es ist gut, ja, in allem Ernst: gute Phrasen sind und waren von jeher sehr zu rekommandieren. Akkommodiert! – Es kommt von accommodo her, sehr gut! eine gute Phrase!

BARDOLPH.

Verzeiht mir, Herr, ich habe das Wort so gehört. Phrase nennt Ihr es? Beim Element, die Phrase kenne ich nicht, aber das Wort will ich mit meinem Degen behaupten: daß es ein soldatenmäßiges Wort ist, und womit man erstaunlich viel ausrichten kann. Akkommodiert: das heißt, wenn ein Mensch, wie sie sagen, abkommodiert ist; oder wenn ein Mensch das ist – was maßen, – wodurch man ihn für akkommodiert halten kann, was eine herrliche Sache ist.


Falstaff kommt.
SCHAAL.

Sehr gut! – Seht, da kommt der gute Sir John – gebt mir Eure liebe Hand, gebt mir Euer Edeln liebe Hand! Auf mein Wort, Ihr seht wohl aus und tragt Eure Jahre sehr wohl. Willkommen, bester Sir John!

FALSTAFF.
Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehen, guter Herr Robert Schaal; – Herr Gutspiel, wo mir recht ist?
[331] SCHAAL.
Nein, Sir John; es ist mein Vetter Stille, und mein Kollege im Amte.
FALSTAFF.
Guter Herr Stille, es schickt sich gut für Euch, daß Ihr zum Friedensamte gehört.
STILLE.
Euer Edlen sind willkommen!
FALSTAFF.

Daß dich, das ist heiße Witterung. – Meine Herren, habt ihr mir ein halb Dutzend tüchtige Leute geschafft?

SCHAAL.
Freilich haben wir das, Herr. Wollt Ihr Euch nicht setzen?
FALSTAFF.
Laßt mich sie sehn, ich bitte Euch!
SCHAAL.

Wo ist die Liste? Wo ist die Liste? Wo ist die Liste? – Laßt sehn! Laßt sehn! Laßt sehn! So, so, so, so, – ja, was wollt' ich sagen, Herr: – Rolf Schimmelig, – daß sie vortreten, wie ich sie aufrufe; daß sie mir's ja tun, daß sie mir's ja tun! – Laßt sehn! Wo ist Schimmelig?

SCHIMMELIG.
Hier, mit Verlaub.
SCHAAL.
Was meint Ihr, Sir John? Ein wohlgewachsner Kerl, jung, stark, und aus einer guten Familie.
FALSTAFF.
Dein Name ist Schimmelig?
SCHIMMELIG.
Ja, mit Verlaub.
FALSTAFF.
Desto mehr ist es Zeit, daß du gebraucht wirst.
SCHAAL.

Ha ha ha! Ganz vortrefflich, wahrhaftig! Dinge, die schimmelig sind, müssen gebraucht werden. Ganz ungemein gut! – Wahrhaftig, gut gesagt, Sir John, sehr gut!

FALSTAFF
zu Schaal.
Streicht ihn an!
SCHIMMELIG.

Damit macht Ihr mir einen Strich durch die Rechnung, Ihr hättet mich können gehen lassen. Meine alte Hausfrau hat nun niemand in der Gotteswelt, der ihre Wirtschaft und ihre Plackerei verrichtet. Ihr hättet mich nicht anzustreichen brauchen; es gibt andre, die geschickter sind zu marschieren als ich.

FALSTAFF.
Seht mir! Ruhig, Schimmelig, Ihr müßt mit! Schimmelig, es ist Zeit, daß Ihr verbraucht werdet.
SCHIMMELIG.
Verbraucht?
SCHAAL.

Ruhig, Kerl, ruhig! Tretet beiseit! Wißt Ihr auch, wo Ihr seid? – Nun zu den andern, Sir John! Laßt sehn: Simon Schatte.

[332] FALSTAFF.
Ei ja, den gebt mir, um darunter zu sitzen: er wird vermutlich ein kühler Soldat sein.
SCHAAL.
Wo ist Schatte?
SCHATTE.
Hier, Herr.
FALSTAFF.
Schatte, wessen Sohn bist du?
SCHATTE.
Meiner Mutter Sohn, Herr.
FALSTAFF.

Deiner Mutter Sohn! Das mag wohl sein: und deines Vaters Schatte; auf die Art ist der Sohn des Weibes der Schatte des Mannes; es ist so oft so, in der Tat, aber nicht viel von des Vaters Kraft.

SCHAAL.
Gefällt er Euch, Sir John?
FALSTAFF.

Schatte ist gut auf den Sommer, – streicht ihn an, denn wir haben eine Menge von Schatten, um die Musterrolle anzufüllen.

SCHAAL.
Thomas Warze!
FALSTAFF.
Wo ist er?
WARZE.
Hier, Herr.
FALSTAFF.
Ist dein Name Warze?
WARZE.
Ja, Herr.
FALSTAFF.
Du bist eine sehr ruppige Warze.
SCHAAL.
Soll ich ihn anstreichen, Sir John?
FALSTAFF.

Es wäre überflüssig: sein Bündel ist ihm auf den Rücken gebaut, und die Beine, worauf die ganze Figur steht, sind selbst nur ein Paar Striche; also keinen Strich weiter!

SCHAAL.
Ha ha ha! Ihr versteht es, Herr, Ihr versteht es. Das muß man rühmen. – Franz Schwächlich?
SCHWÄCHLICH.
Hier, Herr.
FALSTAFF.
Was für ein Gewerbe treibst du, Schwächlich?
SCHWÄCHLICH.
Ich bin ein Frauenschneider, Herr.
SCHAAL.
Soll ich ihm einen Strich anfügen?
FALSTAFF.

Das tut nur; wenn er aber ein Mannsschneider wäre, so könnte er Euch einen Strich anfügen. – Willst du so viel Löcher in die feindliche Schlachtordnung bohren, als du in einen Weiberrock gemacht hast?

SHWÄCHLICH.
Ich will nach besten Kräften tun, Herr, Ihr könnt nicht mehr verlangen.
FALSTAFF.

Wohlgesprochen, guter Frauenschneider! Wohlgesprochen, beherzter Schwächlich! Du wirst so tapfer sein [333] wie die ergrimmte Taube oder allergroßmütigste Maus. – Gebt dem Frauenschneider einen guten Strich, Herr Schaal; tüchtig, Herr Schaal!

SCHWÄCHLICH.
Ich wollte, Warze wäre mitgegangen, Herr.
FALSTAFF.

Ich wollte, du wärst ein Mannsschneider, damit du ihn könntest flicken und geschickt machen, mitzugehn. Ich kann den nicht zum gemeinen Soldaten machen, der der Anführer von so vielen Tausenden ist. Laß dir das genügen, allergewaltigster Schwächlich!

SCHWÄCHLICH.
Ich lasse es mir genügen, Herr.
FALSTAFF.
Ich bin dir sehr verbunden, ehrwürdiger Schwächlich. – Wer kommt zunächst?
SCHAAL.
Peter Bullenkalb von der Wiese.
FALSTAFF.
Ei ja, laßt uns Bullenkalb sehen!
BULLENKALB.
Hier, Herr.
FALSTAFF.
Weiß Gott, ein ansehnlicher Kerl! – Kommt, streicht mir Bullenkalb, bis er noch einmal brüllt!
BULLENKALB.
O Jesus! Bester Herr Kapitän, –
FALSTAFF.
Was? Brüllst du, eh' du gestrichen wirst?
BULLENKALB.
O Jesus, Herr, ich bin ein kranker Mensch.
FALSTAFF.
Was für eine Krankheit hast du?
BULLENKALB.

Einen verfluchten Schnupfen, Herr; einen Husten, Herr; ich habe ihn vom Glockenläuten in des Königs Geschäften gekriegt, an seinem Krönungstage, Herr.

FALSTAFF.

Komm nur, du sollst in einem Schlafrock zu Felde ziehn, wir wollen deinen Schnupfen vertreiben, und ich will es so einrichten, daß deine Freunde für dich läuten sollen. – Sind das alle?

SCHAAL.

Es sind schon zwei über die Zahl aufgerufen, Ihr bekommt hier nur viere, Herr; und somit bitte ich Euch, bleibt bei mir zum Essen!

FALSTAFF.

Wohlan, ich will mit Euch eins trinken, aber die Mahlzeit kann ich nicht abwarten. Ich bin erfreut, Euch zu sehn, auf mein Wort, Herr Schaal.

SCHAAL.

O Sir John, erinnert Ihr Euch noch, wie wir die ganze Nacht in der Windmühle auf St. Georgenfeld zubrachten?

FALSTAFF.
Nichts weiter davon, lieber Herr Schaal, nichts weiter davon!
[334] SCHAAL.
Ha, das war eine lustige Nacht. Und lebt Hanne Nachtrüstig noch?
FALSTAFF.
Ja, sie lebt, Herr Schaal.
SCHAAL.
Sie konnte niemals mit mir auskommen.
FALSTAFF.
Niemals, niemals; sie pflegte immer zu sagen, sie könnte Herrn Schaal nicht ausstehn.
SCHAAL.

Weiß der Himmel, ich konnte sie bis aufs Blut ärgern. Sie war damals lose Ware. Hält sie sich noch gut?

FALSTAFF.
Alt, alt, Herr Schaal.
SCHAAL.

Freilich, sie muß alt sein, sie kann nicht anders als alt sein; alt ist sie ganz gewiß: sie hatte schon den Ruprecht Nachtrüstig vom alten Nachtrüstig, eher ich nach Clemens-Hof kam.

STILLE.
Das ist fünfundfunfzig Jahre her.
SCHAAL.

Ach, Vetter Stille, wenn du das gesehen hättest, was dieser Ritter und ich gesehen haben! He, Sir John, hab' ich recht?

FALSTAFF.
Wir haben die Glocken um Mitternacht spielen hören, Herr Schaal.
SCHAAL.

Ja, das haben wir, das haben wir, das haben wir; meiner Treu, Sir John, das haben wir! Unsre Parole war: »He, Bursche!« Kommt, laßt uns zu Tisch gehn, laßt uns zu Tisch gehn! O über die Tage, die wir gesehn haben! Kommt, kommt!


Falstaff, Schaal und Stille ab.
BULLENKALB.

Lieber Herr Korperad Bardolph, legt ein gut Wort für mich ein, und hier sind auch vier Zehnschillingsstücke in französischen Kronen für Euch. In rechtem Ernst, Herr, ich ließe mich eben so gern hängen, als daß ich mitgehe; zwar für meine Person frag' ich nichts darnach, sondern vielmehr, weil ich keine Lust habe, und für meine Person ein Verlangen trage, bei meinen Freunden zu bleiben; sonst, Herr, wollte ich für meine Person nicht so viel darnach fragen.

BARDOLPH.
Gut, tretet beiseit!
SCHIMMELIG.

Und lieber Herr Korporal Kapitän, meiner alten Hausfrauen wegen, legt ein gut Wort für mich ein! Sie hat niemanden, der ihr was verrichten kann, wenn ich weg bin, [335] denn sie ist alt und kann sich selbst nicht helfen; Ihr sollt auch vierzig Schillinge haben, Herr.

BARDOLPH.
Gut, tretet beiseit!
SCHWÄCHLICH.

Meiner Treu, ich frage nichts darnach: ein Mensch kann nur einmal sterben, wir sind Gott einen Tod schuldig, ich will mich nicht schlecht halten, – ist es mein Schicksal, gut; wo nicht, auch gut; kein Mensch ist zu gut, seinem Fürsten zu dienen, und es mag gehn, wie es will, wer dies Jahr stirbt, ist für das nächste quitt.

BARDOLPH.
Wohlgesprochen, du bist ein braver Kerl.
SCHWÄCHLICH.
Mein' Seel', ich will mich nicht schlecht halten.

Falstaff kommt zurück mit Schaal und Stille.
FALSTAFF.
Kommt, Herr, was soll ich für Leute haben?
SCHAAL.
Viere, was für welche Ihr wollt.
BARDOLPH.
Herr, auf ein Wort! Ich habe drei Pfund von Schimmelig und Bullenkalb, um sie frei zu lassen.
FALSTAFF.
Schon gut.
SCHAAL.
Wohlan, Sir John, welche viere wollt Ihr?
FALSTAFF.
Wählt Ihr für mich!
SCHAAL.
Nun dann: Schimmelig, Bullenkalb, Schwächlich und Schatte.
FALSTAFF.

Schimmelig und Bullenkalb! Ihr, Schimmelig, bleibt zu Hause, bis Ihr nicht mehr zum Dienste taugt; – und was Euch betrifft, Bullenkalb, wachst heran, bis Ihr tüchtig seid: ich mag euch nicht.

SCHAAL.

Sir John, Sir John, Ihr tut Euch selber Schaden: es sind Eure ansehnlichsten Leute, und ich möchte Euch mit den besten aufwarten.

FALSTAFF.

Wollt Ihr mich meine Leute auswählen lehren, Herr Schaal? Frage ich nach den Gliedmaßen, dem Fleisch, der Statur, dem großen und starken Ansehn eines Menschen? Auf den Geist kommt es an, Herr Schaal. Da habt Ihr Warze, – Ihr seht, was es für eine ruppige Figur ist: der ladet und schießt Euch so flink, wie ein Zinngießer hämmert: läuft auf und ab, geschwinder wie einer, der des Brauers Eimer am Schwengel trägt. Und der Gesell da mit dem Halbgesicht, Schatte, – gebt mir den Menschen! Er gibt dem [336] Feinde keine Fläche zum Treffen; der Feind kann eben so gut auf die Schneide eines Federmessers zielen; und geht's zum Rückzuge: – wie geschwind wird dieser Schwächlich, der Frauenschneider, davon laufen! O gebt mir die unansehnlichen Leute, so will ich die großen gar nicht ansehn. – Gib dem Warze eine Muskete in die Hand, Bardolph!

BARDOLPH.
Da, Warze, marschiere: so, so, so!
FALSTAFF.

Komm her, handhabe mir einmal deine Muskete! So – recht gut! – Nur zu! – Sehr gut, außerordentlich gut! Oh, ich lobe mir so einen kleinen, magern, alten, gestutzten, kahlen Schützen! – Brav, Warze, meiner Treu! Du bist ein guter Schelm; nimm, da hast du einen Sechser.

SCHAAL.

Er ist noch nicht Meister im Handwerk, er versteht es nicht recht. Ich erinnre mich, als ich in Clemens-Hof war, auf der Mile-end-Wiese, – ich war damals Sir Dagonet in dem Spiel vom Arthur –, da war ein kleiner flinker Kerl, der regierte auch sein Gewehr so; und dann drehte er sich um und um, und dann kam er da, und dann kam er da; »piff! paff!« sagte er; »bautz!« sagte er; und dann ging er wieder weg, und dann kam er wieder her, – in meinem Leben sah ich so 'nen Kerl nicht wieder.

FALSTAFF.

Diese Leute sind schon zu gebrauchen, Herr Schaal. Gott erhalte Euch, Herr Stille! Ich will nicht viel Worte mit Euch machen. – Lebt beide wohl, ihr Herren! ich danke euch, ich muß heute abend noch zwölf Meilen machen. – Bardolph, gib den Soldaten Röcke!

SCHAAL.

Sir John, der Himmel segne Euch und gebe Euren Sachen guten Fortgang und sende uns Frieden! Wenn Ihr zurück kommt, besucht mein Haus, laßt uns die alte Bekanntschaft erneuern: vielleicht gehe ich mit Euch an den Hof.

FALSTAFF.
Ich wollte, Ihr tätet's, Herr Schaal.
SCHAAL.
Laßt mich machen! Ich habe es gesagt: ein Wort, ein Mann! Lebt wohl!

Schaal und Stille ab.
FALSTAFF.
Lebt wohl, ihr herrlichen Herrn! Weiter, Bardolph, führe die Leute weg!

Bardolph mit den Rekruten ab.

[337] Wenn ich zurück komme, will ich diese Friedensrichter herumholen; den Friedensrichter Schaal habe ich schon ausgekostet. Lieber Gott, was wir alten Leute dem Laster des Lügens ergeben sind! Dieser schmächtige Friedensrichter hat mir in einem fort von der Wildheit seiner Jugend vorgeschwatzt und von den Taten, die er in Turnbullstraße ausgeführt hat; und ums dritte Wort eine Lüge, dem Zuhörer richtiger ausgezahlt als der Tribut dem Großtürken. Ich erinnere mich seiner in Clemens-Hof, da war er wie ein Männchen, nach dem Essen aus einer Käserinde verfertigt; wenn er nackt war, sah er natürlich aus wie ein gespaltner Rettich, an dem man ein lächerliches Gesicht mit einem Messer geschnitzt hat; er war so schmächtig, daß ein stumpfes Gesicht gar keine Breite und Dicke an ihm wahrnehmen konnte. Der wahre Genius des Hungers, dabei so geil wie ein Affe, und die Huren nannten ihn Alräunchen; er war immer im Nachtrabe der Mode und sang schmierigen Weibsbildern die Melodien vor, die er von Fuhrleuten hatte pfeifen hören, und schwor darauf: es wären seine eigne Einfälle oder Ständchen. Und nun ist diese Narrenpritsche ein Gutsbesitzer geworden und spricht so vertraulich von Johann von Gaunt, als wenn er sein Duzbruder gewesen wäre, und ich will darauf schwören, er hat ihn nur ein einziges Mal gesehen, im Turnierplatz: und da schlug er ihm ein Loch in den Kopf, weil er sich zwischen des Marschalls Leute drängte. Ich sah es und sagte zu Johann von Gaunt: sein Stock prügelte einen andern. Denn man hätte ihn und seine ganze Bescherung in eine Aalhaut packen können; ein Hoboen-Futteral war eine Behausung für ihn, ein Hof! Und nun hat er Vieh und Ländereien. Gut, ich will mich mit ihm bekannt machen, wenn ich zurück komme, und es müßte schlimm zugehen, wenn ich nicht einen doppelten Stein der Weisen aus ihm mache. Wenn der junge Gründling ein Köder für den alten Hecht ist, so sehe ich nach dem Naturrecht keinen Grund, warum ich nicht nach ihm schnappen sollte. Kommt Zeit, kommt Rat, und damit gut.


Alle ab.
[338]

Vierter Aufzug

Erste Szene
Ein Wald in Yorkshire.

Der Erzbischof von York, Mowbray, Hastings und andere treten auf.

ERZBISCHOF.
Wie heißt hier dieser Wald?
HASTINGS.
's ist Gualtree-Wald, mit Eurer Gnaden Gunst.
ERZBISCHOF.
Hier haltet, Lords, und sendet Späher aus.
Die Anzahl unsrer Feinde zu erfahren!
HASTINGS.
Wir sandten schon sie aus.
ERZBISCHOF.
's ist wohl getan.
Ihr Freund' und Brüder bei dem großen Werk,
Ich muß euch melden, daß ich frische Briefe
Empfangen habe von Northumberland;
Ihr kalter Sinn und Inhalt lautet so:
Er wünschet sich, hier in Person zu sein
Mit einer Macht, die seinem Rang gemäß;
Die konnt' er nicht versammeln, zog hierauf,
Sein wachsend Glück zu reifen, sich zurück
Nach Schottland; und er schließt, Gott herzlich bittend,
Daß euer Anschlag die Gefahr bestehe
Und furchtbar Stoßen auf den Gegenteil.
MOWBRAY.
So fällt, was wir von ihm gehofft, zu Boden
Und schmettert sich in Stücke.

Ein Bote kommt.
HASTINGS.
Nun, was gibt's?
BOTE.
Westlich vom Wald, kaum eine Meile weit,
Rückt in geschloßnem Zug der Feind heran,
Und nach dem Boden, den er einnimmt, schätz' ich
Ihn dreißigtausend oder nah daran.
[339] MOWBRAY.
Genau die Anzahl, wie wir sie vermutet:
Ziehn wir denn fort und treffen sie ihm Feld!

Westmoreland tritt auf.
ERZBISCHOF.
Welch wohlbewehrter Führer naht sich da?
MOWBRAY.
Ich denk', es ist der Lord von Westmoreland.
WESTMORELAND.
Habt Heil und Gruß von unserm General,
Dem Prinz Johann, Herzog von Lancaster!
ERZBISCHOF.
Sprecht friedlich weiter, Lord von Westmoreland,
Worauf zielt Euer Kommen?
WESTMORELAND.
Wohl, Mylord,
So wend' ich ganz den Inhalt meiner Rede
An Euer Gnaden. Käme Rebellion
Sich selber gleich, in niedern, schnöden Haufen,
Mit Wut verbrämt, geführt von blut'ger Jugend,
Von Bettelei und Buben unterstützt:
Ich sag', erschien verdammter Aufruhr so
In angeborner, eigenster Gestalt,
So wäret Ihr nicht hier, ehrwürd'ger Vater,
Noch diese edlen Lords, die ekle Bildung
Der blutigen Empörung zu bekleiden
Mit Euren Ehren. Ihr, Herr Erzbischof,
Des Stuhl durch Bürgerfrieden wird beschützt,
Des Bart des Friedens Silberhand berührt,
Des Wissen und Gelahrtheit Fried' erzogen,
Des weiße Kleidungen auf Unschuld deuten,
Des Friedens Taub' und echten Segensgeist:
Was übersetzt Ihr selber Euch so übel
Aus dieser Friedenssprache voller Huld
In die geräusch'ge, rauhe Zung' des Kriegs?
Verkehrt in Beinharnische Eure Bücher,
Die Tint' in Blut, in Lanzen Eure Federn,
Und Eurer Zunge geistliche Belehrung
In schmetternde Trompet' und Kriegsgetön?
ERZBISCHOF.
Weswegen ich dies tu'? – So steht die Frage.
Zu diesem Ende: – wir sind alle krank,
Und unser schwelgendes und wüstes Leben
Hat in ein hitzig Fieber uns gebracht,
[340]
Wofür wir bluten müssen; an dem Übel
Starb unser König Richard, angesteckt.
Allein, mein edler Lord von Westmoreland,
Ich gebe hier für keinen Arzt mich aus,
Noch schar' ich wie ein Feind des Friedens mich
In das Gedränge kriegerischer Männer:
Vielmehr erschein' ich wie der droh'nde Krieg
Auf eine Zeitlang, üppige Gemüter
Zu heilen, die an eignem Glücke kranken,
Zu rein'gen die Verstopfung, welche schon
Die Lebensadern hemmt. Hört mich bestimmter;
Ich hab' in gleicher Waage recht gewogen,
Was unser Krieg für Übel stiften kann,
Was wir für Übel dulden: und ich finde
Die Klagen schwerer als die Übertretung.
Wir sehn, wohin der Lauf der Zeiten geht,
Und werden aus der stillen Ruh' gerissen
Von der Gelegenheit gewalt'gem Strom;
Auch setzten wir all unsre Klagen auf,
Zu rechter Zeit Artikel vorzuweisen,
Die wir schon längst dem König dargeboten,
Allein durch kein Gesuch Gehör erlangt;
Geschieht zu nah uns, und wir wollen klagen,
So weigern die den Zutritt uns zu ihm,
Die selbst am meisten uns zu nah getan.
Teils die Gefahren erst vergangner Tage,
Die ihr Gedächtnis mit noch sichtbar'm Blut
Der Erde eingeschrieben, – dann die Fälle
Die jegliche Minute jetzt noch liefert:
Sie haben diese übelsteh'nden Waffen
Uns angelegt, nicht zu des Friedens Bruch
Noch des Geringsten, was dazu gehört, –
Nein, einen Frieden wirklich hier zu stiften,
Der es der Art nach wie dem Namen sei.
WESTMORELAND.
Wann ward Euch jemals schon Gehör versagt?
Worin seid Ihr vom König wohl gekränkt?
Was für ein Pair ward wider Euch verhetzt.
[341]
Daß Ihr auf dies gesetzlos blut'ge Buch
Der Rebellion ein göttlich Siegel drückt
Und heiliget des Aufruhrs scharfe Schneide?
ERZBISCHOF.
Den allgemeinen Bruder, unsern Staat,
Macht häuslich Unrecht am gebornen Bruder
Zu meinem Zwist noch insbesondre mir.
WESTMORELAND.
Es braucht hier keiner solchen Herstellung,
Und wär' es auch, so kommt sie Euch nicht zu.
MOWBRAY.
Warum nicht ihm zum Teil, und sämtlich uns,
Die wir die Schäden vor'ger Tage fühlen
Und leiden, daß der Zustand dieser Zeiten
Mit einer schweren und ungleichen Hand
Auf unsre Ehre drückt?
WESTMORELAND.
O mein Lord Mowbray,
Nach ihrer Notdurft legt die Zeiten aus,
Und sagen werdet Ihr, es sei die Zeit
Und nicht der König, der Euch Unrecht tut.
Allein, was Euch betrifft, so scheint mir's nicht,
Daß Ihr ein Zoll breit eines Grundes hättet,
Um Klagen drauf zu baun: seid Ihr nicht hergestellt
In alle Herrlichkeiten Eures Vaters,
Herzogs von Norfolk edlen Angedenkens?
MOWBRAY.
Was büßt' an Ehre dann mein Vater ein,
Das neu in mir belebt zu werden brauchte?
Der König liebt' ihn, doch so stand der Staat,
Daß er gezwungen ward, ihn zu verbannen;
Und da, als Heinrich Bolingbroke und er –
Im Sattel beide festgezwungen nun,
Ihr wiehernd Streitroß reizend mit dem Sporn,
Die Stangen eingelegt, Visiere nieder,
Die Augen sprühend durch des Stahles Gitter,
Und die Trompete sie zusammen blasend; –
Da, da, als nichts vermochte, meinen Vater
Vom Busen Bolingbrokes zurück zu halten,
Oh, als der König seinen Stab herabwarf,
Da hing sein eignes Leben an dem Stab;
Da warf er sich herab und aller Leben,
[342]
Die durch Verklagung und Gewalt des Schwerts
Seitdem verunglückt unter Bolingbroke.
WESTMORELAND.
Ihr sprecht, Lord Mowbray, nun, Ihr wißt nicht was;
Der Graf von Hereford galt zu jener Zeit
In England für den bravsten Edelmann:
Wer weiß, wem da das Glück gelächelt hätte?
Doch wär' Eu'r Vater Sieger dort gewesen,
Nie hätt' er's fortgebracht aus Coventry.
Denn wie mit einer Stimme schrie das Land
Haß wider ihn; all ihr Gebet und Liebe
Wandt' auf den Hereford sich: der ward vergöttert,
Gesegnet und geehrt mehr als der König.
Doch dies ist Abschweifung von meinem Zweck.
Ich komme hier vom Prinzen, unserm Feldherrn,
Zu hören, was Ihr klagt, und Euch zu melden,
Daß er Gehör Euch leihn will, und worin
Sich Eure Foderungen billig zeigen,
Sollt Ihr Euch ihrer freuen; ganz beseitigt,
Was irgend nur als Feind' Euch achten läßt!
MOWBRAY.
Er zwang uns, dies Erbieten abzudringen,
Und Politik, nicht Liebe gab es ein.
WESTMORELAND.
Mowbray, Ihr blendet Euch, wenn Ihr's so nehmt,
Von Gnade, nicht von Furcht kommt dies Erbieten;
Denn seht! Im Angesicht liegt unser Heer,
Auf meine Ehre, zu voll Zuversicht,
Von Furcht nur den Gedanken zuzulassen.
Mehr Namen sind in unsrer Schlachtordnung,
Geübter unsre Männer in den Waffen,
Gleich stark die Rüstung, unsre Sache besser:
Drum heißt Vernunft auch gleich beherzt uns sein.
Nennt das Erbieten denn nicht abgedrungen!
MOWBRAY.
Gut, geht's nach mir, so gilt kein Unterhandeln.
WESTMORELAND.
Damit beweist Ihr nur des Fehltritts Schande:
Ein fauler Schade leidet kein Betasten.
[343] HASTINGS.
Hat denn der Prinz Johann vollständ'gen Auftrag
Aus seines Vaters Machtvollkommenheit,
Um anzuhören, schließlich zu entscheiden,
Was für Bedingungen man uns verspricht?
WESTMORELAND.
Das liegt ja in des Feldherrn Namen schon:
Ich wundre mich, daß Ihr so eitel fragt.
ERZBISCHOF.
Dann, Lord von Westmoreland, nehmt diesen Zettel,
Denn er enthält die sämtlichen Beschwerden.
Wenn jeder Punkt hierin verbessert ist,
All unsre Mitgenossen, hier und sonst,
Die dieser Handlung Sehnen angespannt,
Nach echter, gült'ger Weise losgesprochen
Und schnelle Ausführung von unserm Willen
Uns zugesichert ist und unserm Zweck,
So treten wir in unsrer Demut Schranken
Und fesseln unsre Macht im Arm des Friedens.
WESTMORELAND.
Ich will's dem Feldherrn zeigen. Laßt uns, Lords,
Im Angesicht der beiden Heer' uns treffen,
Daß wir's in Frieden enden, wie Gott gebe!
Wo nicht, zum Ort des Streits die Schwerter rufen,
Die es entscheiden müssen.
ERZBISCHOF.
Ja, Mylord

Westmoreland ab.
MOWBRAY.
In meiner Brust lebt etwas, was mir sagt,
Daß kein Vertrag des Friedens kann bestehn.
HASTINGS.
Das fürchtet nicht: wenn wir ihn schließen können
Auf so entschieden ausgedehnte Rechte,
Wie unsern Foderungen es gemäß,
So wird der Friede stehn wie Felsenberge.
MOWBRAY.
Ja, doch wir werden so geachtet werden,
Daß jede leichte, falsch gewandte Ursach',
Ja, jeder eitle und spitzfind'ge Grund
Dem König schmecken wird nach dieser Tat;
Daß, würd' auch unsre Treu' zur Märterin,
[344]
Man wird uns worfeln mit so rauhem Wind,
Daß unser Korn so leicht wie Spreu erscheint
Und Gut und Böses keine Scheidung findet.
ERZBISCHOF.
Nein, nein, Mylord: bedenkt, der König ist
So ekler, läppischer Beschwerden satt.
Er fand, durch Tod den einen Zweifel enden,
Das weckt zwei größre in des Lebens Erben.
Und darum wird er rein die Tafel wischen
Und keinen Klätscher dem Gedächtnis halten,
Der den Verlust zu stetiger Erinn'rung
Ihm wiederhole: denn er weiß gar wohl,
Daß er sein Land nicht so genau kann gäten,
Als ihm sein Argwohn immer Anlaß gibt.
So eng verwachsen sind ihm Freund und Feind,
Daß, wenn er reißt, den Gegner zu entwurzeln,
Er einen Freund auch los' und wankend macht;
So daß dies Land ganz wie ein trotzend Weib,
Das ihn erzürnt, mit Streichen ihr zu drohn,
Wie er nun schlägt, sein Kind entgegen hält
Und schweben macht entschloßne Züchtigung
Im Arm, der schon zur Ausführung erhoben.
HASTINGS.
Auch hat der König alle seine Ruten
An vor'gen Übertretern aufgebraucht,
Ihm fehlen nun Werkzeuge selbst zum Strafen,
Daß seine Macht, ein klauenloser Löwe,
Drohn, doch nicht fassen kann.
ERZBISCHOF.
Das ist sehr wahr,
Und darum glaubt nur, wertester Lord Marschall,
Wird jetzt die Aussöhnung zu stand gebracht,
So wird, wie ein geheiltes Bein, der Friede
Nur stärker durch den Bruch.
MOWBRAY.
Es mag dann sein.
Da kommt der Lord von Westmoreland zurück.

Westmoreland kommt zurück.
WESTMORELAND.
Der Prinz ist in der Näh'; gefällt's Eu'r Edlen,
In gleichem Abstand zwischen unsern Heeren
Den gnäd'gen Herrn zu treffen?
[345]
MOWBRAY.
Eu'r Hochwürden
Von York, so brecht in Gottes Namen auf!
ERZBISCHOF.
Bringt unsern Gruß zuvor: Mylord, wir kommen.

Alle ab.
Zweite Szene
Ein anderer Teil des Waldes.

Von einer Seite treten auf Mowbray, der Erzbischof, Hastings und andre; von der andern Prinz Johann von Lancaster, Westmoreland, Offiziere und Gefolge.

PRINZ JOHANN.
Ihr seid willkommen hier, mein Vetter Mowbray; –
Habt guten Tag, lieber Herr Erzbischof, –
Und Ihr, Lord Hastings, alle insgesamt!
Mylord von York, es stand Euch besser an,
Wie Eure Herd', auf Eurer Glocke Ruf,
Euch rings umgab, mit Ehrfurcht anzuhören
Vom heil'gen Texte Eure Auslegung,
Als daß Ihr hier erscheint, ein eh'rner Mann,
Mit Eurer Trommel Meutervolk ermunternd,
Die Lehr' in Wehr, in Tod das Leben wandelnd.
Der Mann, der dem Monarchen thront im Herzen
Und reift im Sonnenscheine seiner Gunst,
Wenn er des Königs Schutz mißbrauchen wollte,
Ach, welches Unheil stiften könnt' er nicht
Im Schatten solcher Hoheit! Mit Euch, Herr Bischof,
Ist's eben so: wer hat nicht sagen hören,
Wie tief Ihr in den Büchern Gottes seid?
Uns seid Ihr Sprecher seines Parlaments,
Uns die geglaubte Stimme Gottes selbst,
Der wahre Offenbarer und Vermittler
Zwischen der Gnad' und Heiligkeit des Himmels
Und unserm blöden Tun. Wer wird nicht glauben,
Daß Ihr die Würde des Berufs mißbraucht,
Des Himmels Schutz und Gnade so verwendet,
Wie falsche Günstlinge der Fürsten Namen,
Zu ehrenlosen Taten? Ihr verhetzt,
[346]
Durch einen vorgegebnen Eifer Gottes,
Das Volk dem König, seinem Stellvertreter,
Treibt, seinem und des Himmels Frieden trotzend,
Sie hier zusammen.
ERZBISCHOF.
Werter Prinz von Lancaster,
Nicht wider Eures Vaters Frieden komm' ich,
Wie ich dem Lord von Westmoreland gesagt.
Der Zeit Verwirrung, nach gemeinem Sinn,
Zwängt uns in diese mißgeschaffne Form,
Zu unsrer Sicherheit. Ich sandt' Eu'r Gnaden
Die Teile und Artikel unsrer Klage,
Die man mit Hohn vom Hofe weggeschoben,
Was diesen Hydra-Sohn, den Krieg, erzeugt,
Des drohend Aug' in Schlaf sich zaubern läßt
Durch die Gewährung so gerechter Wünsche:
So daß Gehorsam, dieses Wahnsinns frei,
Der Majestät sich zahm zu Füßen legt.
MOWBRAY.
Wo nicht, so wagen wir's mit unserm Glück
Bis auf den letzten Mann.
HASTINGS.
Und fallen wir schon hier,
Wir haben Hülfsmacht, uns zu unterstützen;
Schlägt's dieser fehl, so stützt die ihre sie:
So wird von Unheil eine Reih' geboren,
Und Erb' auf Erb' erhält den Zwist im Gang,
Solang' als England noch Geschlechter hat.
PRINZ JOHANN.
Ihr seid zu seicht, Lord Hastings, viel zu seicht,
Der Folgezeiten Boden zu ergründen.
WESTMORELAND.
Beliebt's Eu'r Gnaden, ihnen zu erklären,
Wie weit Ihr die Artikel billiget?
PRINZ JOHANN.
Ich bill'ge alle und genehm'ge sie
Und schwöre hier bei meines Blutes Ehre,
Der Wille meines Vaters ist mißdeutet,
Und ein'ge um ihn haben allzu frei
Mit seiner Meinung und Gewalt geschaltet; –
Mylord, die Klagen werden abgestellt,
Sie werden's, auf mein Wort. Genügt Euch das,
Entlaßt Eu'r Volk, zu seiner Grafschaft jedes,
[347]
Wie unsres wir; hier zwischen beiden Heeren
Laßt einen Trunk uns tun und uns umarmen,
Daß aller Augen heim die Zeichen tragen
Von hergestellter Lieb' und Einigkeit.
ERZBISCHOF.
Ich nehm' Eu'r prinzlich Wort der Abstellung.
PRINZ JOHANN.
Ich geb' es Euch und will mein Wort behaupten,
Und hierauf trink' ich Euer Gnaden zu.
HASTINGS
zu einem Offizier.
Geht, Hauptmann, überbringt dem Heer die Zeitung
Des Friedens, laßt sie Sold und Abschied haben;
Ich weiß, sie werden froh sein: eil' dich, Hauptmann!

Der Offizier ab.
ERZBISCHOF.
Eu'r Wohlsein, edler Lord von Westmoreland!
WESTMORELAND.
Ich tu' Bescheid Eu'r Gnaden; wüßtet Ihr,
Mit welcher Müh' ich diesen Frieden schaffte,
So tränkt Ihr frei: doch meine Lieb' zu Euch
Soll offenbarer sich hernach beweisen.
ERZBISCHOF.
Ich zweifle nicht an Euch.
WESTMORELAND.
Das freut mich sehr.
Gesundheit meinem edlen Vetter Mowbray!
MOWBRAY.
Ihr wünscht Gesundheit zu gelegner Zeit,
Denn plötzlich fühl' ich mich ein wenig schlimm.
ERZBISCHOF.
Vor einem Unfall ist man immer froh,
Doch Schwermut meldet glücklichen Erfolg.
WESTMORELAND.
Seid, Vetter, also froh, weil plötzlich Sorgen
Nur sagen will: es kömmt was Gutes morgen.
ERZBISCHOF.
Glaubt mir, ich bin erstaunlich leichten Muts.
MOWBRAY.
Wenn Eure Regel wahr ist, um so schlimmer!

Jubelgeschrei hinter der Szene.
PRINZ JOHANN.
Des Friedens Wort hallt wider: hört sie jauchzen!
MOWBRAY.
Dies wär' erfreulich nach dem Sieg gewesen.
ERZBISCHOF.
Ein Fried' ist seiner Art nach wie Erob'rung,
Wo beide Teile rühmlich sind besiegt
Und keiner etwas einbüßt.
[348] PRINZ JOHANN.
Geht, Mylord,
Und laßt auch unser Heer den Abschied haben: –

Westmoreland ab.

Und, werter Herr, laßt unsre Truppen doch
Vorbeiziehn, daß wir so die kennen lernen,
Womit uns Kampf bevorstand.
ERZBISCHOF.
Geht, Lord Hastings,
Und eh' man sie entläßt, laßt sie vorbeiziehn!

Hastings ab.
PRINZ JOHANN.
Ich hoffe, Lords, wir sind heut nacht beisammen.

Westmoreland kommt zurück.

Nun, Vetter, warum steht denn unser Heer?
WESTMORELAND.
Die Führer, weil Ihr sie zu stehn befehligt,
Gehn nicht, bevor sie Euer Wort gehört.
PRINZ JOHANN.
Sie kennen ihre Pflicht.

Hastings kommt zurück.
HASTINGS.
Herr, unser Heer ist allbereits zerstreut,
Wie junge losgejochte Stiere nehmen
Sie ihren Lauf nach Ost, West, Süd und Nord,
Oder wie eine aufgehobne Schule
Stürzt jeder sich zum Spielplatz und nach Haus.
WESTMORELAND.
Lord Hastings, gute Zeitung! – Und zum Lohn
Verhaft' ich dich um Hochverrat, Verräter; –
Und Euch, Herr Erzbischof, – und Euch, Lord Mowbray,
Um peinlichen Verrat greif' ich euch beide.
MOWBRAY.
Ist dies Verfahren ehrlich und gerecht?
WESTMORELAND.
Ist's euer Bund etwa?
ERZBISCHOF.
So brecht Ihr Euer Wort?
PRINZ JOHANN.
Ich gab euch keins,
Versprach nur der Beschwerden Abstellung,
Worüber ihr geklagt: was ich, auf Ehre,
Mit christlichem Gewissen will vollziehn.
Doch ihr, Rebellen, hofft den Sold zu kosten,
Den Rebellion und solches Tun verdient.
Einfältig wart ihr, als ihr Krieg begannt,
[349]
Dumm hergelockt und töricht fortgesandt.
Rührt unsre Trommeln, folgt der Flücht'gen Tritten!
Nicht wir, der Himmel hat für uns gestritten.
Bewahrt dem Blocke der Verräter Haupt,
Dem würd'gen Bett, das schnell den Odem raubt!

Alle ab.
Dritte Szene
Ein andrer Teil des Waldes.

Getümmel. Angriffe. Falstaff und Colevile kommen von verschiedenen Seiten.

FALSTAFF.
Wie ist Euer Name, Herr? Von welchem Stande seid Ihr und von welchem Orte, wenn's Euch beliebt?
COLEVILE.
Ich bin ein Ritter, Herr, und mein Name ist Colevile vom Tal.
FALSTAFF.

Nun gut, Colevile ist Euer Name, ein Ritter ist Euer Rang, und Euer Ort das Tal; Colevile soll auch ferner Euer Name sein, ein Verräter Euer Rang, und der Kerker Euer Wohnort, – ein Ort, der tief genug liegt: so werdet Ihr immer noch Colevile vom Tal sein.

COLEVILE.
Seid Ihr nicht Sir John Falstaff?
FALSTAFF.

Ein eben so wackrer Herr als er, Herr, wer ich auch sein mag. Ergebt Ihr Euch, Herr, oder muß ich Euretwegen schwitzen? Wenn ich schwitze, so werden es die Tropfen deiner Freunde sein, die um deinen Tod weinen: deswegen erwecke Furcht und Zittern in dir und huldige meiner Gnade!

COLEVILE.
Ich glaube, Ihr seid Sir John Falstaff, und in diesem Glauben ergebe ich mich.
FALSTAFF.

Ich habe eine ganze Schule von Zungen in diesem meinem Bauch, und keine einzige von allen spricht ein ander Wort als meinen Namen. Hätte ich nur einen einigermaßen leidlichen Bauch, so wäre ich schlechtweg der rüstigste Kerl in Europa: mein Wanst, mein Wanst, mein Wanst ruiniert mich! – Da kommt unser General.


Prinz Johann von Lancaster, Westmoreland und andre treten auf.
[350] PRINZ JOHANN.
Die Hitze ist vorbei, verfolgt nicht weiter:
Ruft, Vetter Westmoreland, das Volk zurück!

Westmoreland ab.

Nun, Falstaff, wo wart Ihr die ganze Zeit?
Wenn alles schon vorbei, dann kommt Ihr an?
Die trägen Streiche brechen noch einmal,
Bei meinem Leben, eines Galgens Rücken.
FALSTAFF.

Es sollte mir leid tun, gnädiger Herr, wenn das nicht geschähe: ich wußte es nie anders, als daß Tadel und Vorwürfe der Lohn der Tapferkeit waren. Haltet Ihr mich für eine Schwalbe, einen Pfeil oder eine Kanonenkugel? Habe ich bei meinem kümmerlichen und alten Fortkommen die Schnelligkeit des Gedankens? Mit dem alleräußersten Zollbreit der Möglichkeit bin ich hieher geeilt, ich habe hundertundachtzig und etliche Postpferde zu schanden geritten, und hier, erschöpft vom Reisen, wie ich bin, habe ich in meiner reinen und unbefleckten Tapferkeit Sir John Colevile vom Tal zum Gefangnen gemacht, einen wütenden Ritter und tapfern Feind. Doch was will das sagen? Er sah mich und ergab sich, so daß ich mit Recht wie der krummnasige Kerl von Rom sagen kann: ich kam, sah und siegte.

PRINZ JOHANN.
Es war mehr Höflichkeit von ihm als Euer Verdienst.
FALSTAFF.

Ich weiß nicht: hier ist er, und hier überliefere ich ihn; und ich ersuche Euer Gnaden, laßt es mit den übrigen Taten des heutigen Tages aufzeichnen, oder bei Gott, ich will mir sonst eine besondere Ballade darauf schaffen, mit meinem eignen Bildnis oben darüber, dem Colevile die Füße küssen soll. Wenn ich zu dieser Maßregel genötigt werde, und ihr nehmt euch nicht alle wie vergoldete Zweihellerstücke gegen mich aus, und ich überscheine euch nicht am lichten Himmel des Ruhms, so sehr wie der Vollmond die glimmernden Funken des Firmaments, die sich wie Nadelknöpfe gegen ihn ausnehmen, so glaubt keinem Edelmann mehr auf sein Wort! Darum gebt mir mein Recht, und das Verdienst steige!

PRINZ JOHANN.
Deins ist zu schwer zum Steigen.
[351] FALSTAFF.
So laßt es leuchten!
PRINZ JOHANN.
Deines ist zu dick, um zu leuchten.
FALSTAFF.

So laßt es irgend was tun, gnädigster Herr, was zu meinem Besten gereicht, und nennt es, wie Ihr wollt!

PRINZ JOHANN.
Dein Nam' ist Colevile?
COLEVILE.
Ja, gnäd'ger Herr.
PRINZ JOHANN.
Ein künd'ger Meuter bist du, Colevile.
FALSTAFF.
Und ein künd'ger treuer Untertan nahm ihn gefangen.
COLEVILE.
Ich bin nur, Herr, was meine Obern sind,
Die mich hieher geführt: wenn sie mir folgten,
So hättet Ihr viel teurer sie gewonnen.
FALSTAFF.

Ich weiß nicht, um welchen Preis sie sich verkauft haben, aber du hast dich wie ein guter Mensch umsonst weggegeben, und ich danke dir für dich.


Westmoreland kommt zurück.
PRINZ JOHANN.
Nun, habt Ihr nachzusetzen aufgehört?
WESTMORELAND.
Der Rückzug ist geschehn, und Halt gemacht.
PRINZ JOHANN.
Schickt Colevile samt seinen Mitverschwornen
Nach York, zu ihrer schleun'gen Hinrichtung!
Blunt, führt ihn weg, bewahrt mir sicher ihn!

Einige mit Colevile ab.

Nun laßt zum Hof uns eilen, werte Lords:
Mein Vater, wie ich höre, ist schwer krank:
Die Zeitung geh' voraus zu Seiner Majestät,
Ihr, Vetter, sollt sie bringen, ihn zu trösten;
Wir folgen Euch in mäß'ger Eile nach.
FALSTAFF.

Gnädiger Herr, erlaubt mir, durch Glostershire zu gehen, und wenn Ihr an den Hof kommt, so seid doch mein gewogner Herr mit einem günstigen Bericht!

PRINZ JOHANN.
Lebt wohl denn, Falstaff: ich an meiner Stelle
Will besser von Euch reden, als Ihr's wert seid.

Prinz Johann mit Gefolge ab.
FALSTAFF.

Ich wollte, Ihr hättet nur den Witz dazu, das wäre besser als Euer Herzogtum. – Meiner Treu, dieser junge [352] Knabe von nüchternem Geblüt liebt mich nicht, auch kann ihn kein Mensch zum Lachen bringen, aber das ist kein Wunder, er trinkt keinen Wein. Es wird niemals aus diesen bedächtigen Burschen etwas Rechtes, denn das dünne Getränk und die vielen Fisch-Mahlzeiten kühlen ihr Blut so übermäßig, daß sie in eine Art von männlicher Bleichsucht verfallen, und wenn sie dann heiraten, zeugen sie nichts wie Dirnen; sie sind gemeiniglich Narren und feige Memmen, – was einige von uns auch sein würden, wenn's nicht die Erhitzung täte. Ein guter spanischer Sekt hat eine zwiefache Wirkung an sich. Er steigt euch in das Gehirn, zerteilt da alle die albernen, (dummen) und rohen Dünste, die es umgeben, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von behenden, feurigen und ergötzlichen Bildern; wenn diese dann der Stimme, der Zunge überliefert werden, was ihre Geburt ist, so wird vortrefflicher Witz daraus. Die zweite Eigenschaft unsers vortrefflichen Sekts ist die Erwärmung des Bluts, welches, zuvor kalt und ohne Bewegung, die Leber weiß und bleich läßt, was das Kennzeichen der Kleinmütigkeit und Feigheit ist: aber der Sekt erwärmt es und bringt es von den innern bis zu den äußersten Teilen in Umlauf. Er erleuchtet das Antlitz, welches wie ein Wachfeuer das ganze kleine Königreich, Mensch genannt, zu den Waffen ruft, und dann stellen sich alle die Insassen des Leibes und die kleinen Lebensgeister aus den Provinzen ihrem Hauptmann, dem Herzen, welches, durch dies Gefolge groß und aufgeschwellt, jegliche Tat des Mutes verrichtet. Und diese Tapferkeit kommt vom Sekt, so daß Geschicklichkeit in den Waffen nichts ist ohne Sekt: denn der setzt sie in Tätigkeit; und Gelahrtheit ist ein bloßer Haufe Goldes, von einem Teufel verwahrt, bis Sekt sie promoviert und in Gang und Gebrauch setzt. Daher kommt es, daß Prinz Heinrich tapfer ist; denn das kalte Blut, das er natürlicher Weise von seinem Vater erben mußte, hat er wie magres, unfruchtbares und dürres Land gedüngt, gepflügt und beackert, mit ungemeiner Bemühung wackren Trinkens und gutem Vorrat von fruchtbarem Sekt, so daß er sehr hitzig und tapfer geworden ist. Wenn ich tausend Söhne hätte, der erste menschliche Grundsatz, [353] den ich ihnen lehren wollte, sollte sein, dünnes Getränk abzuschwören und sich dem Sekt zu ergeben.


Bardolph kommt.

Wie steht's, Bardolph?
BARDOLPH.
Die ganze Armee ist entlassen und aus einander gegangen.
FALSTAFF.

Laß sie gehn! Ich will durch Glostershire, und da will ich Herrn Robert Schaal, Esquire, besuchen; er wird mir schon weich zwischen dem Finger und Daumen, und bald will ich mit ihm siegeln. Komm mit!


Beide ab.
Vierte Szene
Westminster. Ein Zimmer im Palast.

König Heinrich, Clarence, Prinz Humphrey, Warwick und andre treten auf.

KÖNIG HEINRICH.
Nun, Lords, beendigt nur der Himmel glücklich
Den Zwist, der jetzt an unsern Toren blutet,
So führen wir in höh'res Feld die Jugend
Und ziehn nur Schwerter, die geheiligt sind.
Die Flotte ist bereit, die Macht versammelt,
Bestallt im Absein unsre Stellvertreter,
Und jedes Ding bequemt sich unserm Wunsch.
Nur fehlt uns etwas körperliche Kraft
Und Muße, bis die jetzigen Rebellen
Dem Joch des Regiments sich unterziehn.
WARWICK.
Gewiß wird beides Eure Majestät
Gar bald erfreun.
KÖNIG HEINRICH.
Humphrey, mein Sohn von Gloster,
Wo ist der Prinz, Eu'r Bruder?
PRINZ HUMPHREY.
Ich denk', er ging zur Jagd, mein Fürst, nach Windsor.
KÖNIG HEINRICH.
Und wer begleitet' ihn?
PRINZ HUMPHREY.
Das weiß ich nicht, mein Fürst.
KÖNIG HEINRICH.
Ist nicht sein Bruder, Thomas von Clarence, bei ihm?
[354] PRINZ HUMPHREY.
Nein, gnäd'ger Herr, der ist hier gegenwärtig.
CLARENCE.
Was will mein Herr und Vater?
KÖNIG HEINRICH.
Nichts will ich als dein Wohl, Thomas von Clarence.
Wie kommt's, daß du nicht bei dem Prinzen bist?
Er liebt dich, aber du versäumst ihn, Thomas;
Du hast den besten Platz in seinem Herzen
Vor allen deinen Brüdern: heg' ihn, Kind,
So mögen edle Dienste der Vermittlung,
Nachdem ich tot bin, zwischen Seiner Hoheit
Und deinen andern Brüdern dir gelingen.
Darum versäum' ihn nicht, stoß' ihn nicht ab,
Verliere nicht den Vorteil seiner Gunst,
Indem du kalt und achtlos um ihn scheinst:
Denn er ist hold, bemüht man sich um ihn;
Er hat des Mitleids Trän' und eine Hand,
So offen wie der Tag der weichen Milde;
Jedoch, wenn er gereizt, ist er von Stein,
So launisch wie der Winter, und so plötzlich
Wie eis'ge Winde beim Beginn des Tags.
(Deshalb ist sein Gemüt wohl zu beachten:)
Schilt ihn um Fehler, tu' es ehrerbietig,
Siehst du sein Blut zur Fröhlichkeit geneigt;
Doch, wenn er finster, laß ihn frei gewähren,
Bis seine Leidenschaften selber sich,
So wie ein Walfisch auf dem festen Boden,
Zernichten durch ihr Treiben. Lern' das, Thomas,
Und deinen Freunden wirst du dann ein Schirm,
Ein goldner Reif, der deine Brüder bindet,
Daß eures Bluts gemeinsames Gefäß,
Vermischt mit Gifte fremder Eingebung,
Was doch durchaus die Zeit hinein wird gießen,
Nie leck mag werden, wirkt es auch so stark
Als Aconitum oder rasches Pulver.
CLARENCE.
Mit Sorg' und Liebe will ich auf ihn achten.
KÖNIG HEINRICH.
Warum bist du nicht mit in Windsor, Thomas?
[355] CLARENCE.
Er ist nicht dorten heut, er speist in London.
KÖNIG HEINRICH.
Und in was für Begleitung? Weißt du das?
CLARENCE.
Mit Poins und andern, die ihm immer folgen.
KÖNIG HEINRICH.
Am meisten Unkraut trägt der fettste Boden,
Und er, das edle Bildnis meiner Jugend,
Ist überdeckt damit: darum erstreckt
Mein Gram sich jenseit meiner Todesstunde,
Mir weint das Blut vom Herzen, denk' ich mir
In Einbildungen die verwirrten Tage,
Die faulen Zeiten, die ihr werdet sehn,
Wenn ich entschlafen bin bei meinen Ahnen,
Wenn nichts mehr die unbänd'ge Wüstheit zügelt,
Wenn Gier und heißes Blut ihm Räte sind,
Wenn Mittel sich und üpp'ge Sitten treffen:
Mit welchen Schwingen wird sein Hang dann fliegen
In trotzende Gefahr und droh'nde Fäll'!
WARWICK.
Mein gnäd'ger König, Ihr verkennt ihn ganz:
Der Prinz studiert nur seine Spießgesellen
Wie eine fremde Sprache, der zu lieb
Notwendig man das unehrbarste Wort
Ansehn und lernen muß; einmal erlangt,
Weiß Eure Hoheit, braucht man es nicht weiter,
Als daß man's kennt und haßt. So wird der Prinz
Bei reifrer Zeit wie grober Redensarten
Sich der Gefährten abtun; ihr Gedächtnis
Wird nur als Musterleben oder Maß,
Womit er andrer Leben messen kann,
Vormal'ges Übel kehrend zum Gewinn.
KÖNIG HEINRICH.
Nicht leicht verläßt die Biene ihren Waben
Im toten Aas. – Wer kommt da? Westmoreland?

Westmoreland tritt auf.
WESTMORELAND.
Heil meinem Oberherrn! Und neues Glück,
Zu dem gefügt, das ich berichten soll!
Der Prinz Johann küßt Euer Hoheit Hand:
Mowbray, der Bischof Scroop, Hastings und alle
Sind unter des Gesetzes Zucht gebracht;
[356]
Und kein Rebellen-Schwert ist mehr entblößt,
Es sproßt des Friedens Ölzweig überall.
Die Art, wie dies Geschäft vollführt ist worden,
Kann Euer Hoheit hier bei Muße lesen,
Des weitern angezeigt nach dem Verlauf.
KÖNIG HEINRICH.
O Westmoreland, du bist ein Sommervogel,
Der an des Winters Fersen immerdar
Des Tages Aufgang singt. Seht, noch mehr Neues.

Harcourt tritt auf.
HARCOURT.
Der Himmel schütz' Eu'r Majestät vor Feinden,
Und wer da aufsteht wider Euch, der falle
Wie die, wovon ich Euch zu melden komme!
Der Graf Northumberland und der Lord Bardolph
Mit großer Macht von Englischen und Schotten
Sind durch den Sheriff von Yorkshire besiegt.
Die Weis' und wahre Ordnung des Gefechts
Berichtet dies Paket, wenn's Euch beliebt.
KÖNIG HEINRICH.
Und muß so gute Zeitung krank mich machen?
Kommt nie das Glück mit beiden Händen voll?
Schreibt seine schönsten Wort' in garst'gen Zügen?
Es gibt entweder Eßlust ohne Speise,
Wie oft dem Armen; oder einen Schmaus
Und nimmt die Eßlust weg: so ist der Reiche,
Der Fülle hat und ihrer nicht genießt.
Ich sollte mich der guten Zeitung freun,
Und nun vergeht mir das Gesicht und schwindelt's.
O weh! Kommt um mich, denn mir wird so schlimm.

Er fällt in Ohnmacht.
PRINZ HUMPHREY.
Der Himmel tröste Eure Majestät!
CLARENCE.
O mein königlicher Vater!
WESTMORELAND.
Mein hoher Herr, ermuntert Euch! Blickt auf!
WARWICK.
Seid ruhig, Prinzen, solch ein Anfall ist
Bei Seiner Hoheit, wißt ihr, sehr gewöhnlich.
Entfernt euch, gebt ihm Luft; gleich wird ihm besser.
CLARENCE.
Nein, nein, er hält nicht lang' die Qualen aus;
Die ew'ge Sorg' und Arbeit des Gemüts
[357]
Hat so die Mau'r, die es umschließt, vernutzt,
Das Leben blickt schon durch und will heraus.
PRINZ HUMPHREY.
Die Leute schrecken mich: denn sie bemerken
Verhaßte Ausgeburten der Natur
Und vaterlose Erben; es verändern
Die Zeiten ihre Sitt', als ob das Jahr
Monate schlafend fand und übersprang.
CLARENCE.
Dreimal ohn' Ebbe hat der Strom geflutet,
Und alte Leute, kind'sche Zeitregister,
Versichern, dies sei kurz zuvor geschehn,
Eh' unser Ältervater, Eduard, krankt' und starb.
WARWICK.
Sprecht leiser, Prinzen, er erholt sich wieder.
PRINZ HUMPHREY.
Gewiß wird dieser Schlag sein Ende sein.
KÖNIG HEINRICH.
Ich bitt' euch, nehmt mich auf und tragt mich fort
In eine andre Kammer: sanft, ich bitte!
Sie tragen den König in einen innern Teil des Zimmers und legen ihn auf ein Bett.


Laßt keinen Lärm hier machen, liebe Freunde,
Wenn eine dumpfe günst'ge Hand nicht etwa
Musik will flüstern meinem müden Geist.
WARWICK.
Ruft die Musik her in das andre Zimmer!
KÖNIG HEINRICH.
Legt mir die Krone auf mein Kissen hier!
CLARENCE.
Ein Aug' ist hohl, er hat sich sehr verwandelt.
WARWICK.
O still doch! Still!

Prinz Heinrich tritt auf.
PRINZ HEINRICH.
Wer sah den Herzog Clarence?
CLARENCE.
Hier bin ich, Bruder, voller Traurigkeit.
PRINZ HEINRICH.
Wie nun? Im Hause regnet's und nicht draußen?
Was macht der König?
PRINZ HUMPHREY.
Er ist äußerst schlecht.
PRINZ HEINRICH.
Hat er die gute Zeitung schon gehört?
Sagt sie ihm!
PRINZ HUMPHREY.
Wie er sie hörte, hat er sich verwandelt.
[358] PRINZ HEINRICH.
Ist er vor Freuden krank,
So wird er ohn' Arznei schon besser werden.
WARWICK.
Nicht so viel Lärm, Mylords! Sprecht leise, lieber Prinz!
Der König, euer Vater, wünscht zu schlafen.
CLARENCE.
Ziehn wir ins andre Zimmer uns zurück!
WARWICK.
Beliebt es Euer Gnaden mitzugehn?
PRINZ HEINRICH.
Ich will hier sitzen und beim König wachen.

Alle ab, außer Prinz Heinrich.

Weswegen liegt die Kron' auf seinem Kissen.
Die ein so unruhvoller Bettgenoß?
O glänzende Zerrüttung! goldne Sorge!
Die weit des Schlummers Pforten offen hält
In mancher wachen Nacht! – Nun damit schlafen!
Doch so gesund nicht, noch so lieblich tief
Als der, des Stirn, mit grobem Tuch umwunden,
Die nächt'ge Zeit verschnarcht. O Majestät!
Wenn du den Träger drückst, so sitzest du
Wie reiche Waffen in des Tages Hitze,
Die schützend sengen. Bei des Odems Toren
Liegt ihm ein Federchen, das sich nicht rührt;
Und atmet' er, der leichte, lose Flaum
Bewegte sich. – Mein gnäd'ger Herr! Mein Vater!
Der Schlaf ist wohl gesund: dies ist ein Schlaf,
Der manchen König Englands hat geschieden
Von diesem goldnen Zirkel. Dein Recht an mich
Sind Tränen, tiefe Trauer deines Bluts,
Was dir Natur und Lieb' und Kindessinn,
O teurer Vater, reichlich zahlen soll.
Mein Recht an dich ist diese Herrscherkrone,
Die, als dem Nächsten deines Rangs und Bluts
Mir sich vererben muß. Hier sitzt sie, seht!

Er setzt sie auf sein Haupt.

Der Himmel schütze sie: – nun legt die Stärke
Der ganzen Welt in einen Riesenarm,
[359]
Er soll mir diese angestammte Ehre
Nicht mit Gewalt entreißen: dies von dir
Lass' ich den Meinen, wie du's ließest mir.

Ab.
KÖNIG HEINRICH.
Warwick! Gloster! Clarence!
Warwick kommt mit den übrigen zurück.
CLARENCE.
Ruft der König?
WARWICK.
Was wollt' Eu'r Majestät? Wie ist Eu'r Gnaden?
KÖNIG HEINRICH.
Weswegen ließt ihr so allein mich, Lords?
CLARENCE.
Wir ließen hier den Prinzen, meinen Bruder,
Der's übernommen, bei Euch aufzusitzen.
KÖNIG HEINRICH.
Der Prinz von Wales? Wo ist er? Laßt mich sehn:
Er ist nicht hier.
WARWICK.
Die Tür ist offen, dort ist er hinaus.
CLARENCE.
Er kam nicht durch das Zimmer, wo wir waren.
KÖNIG HEINRICH.
Wo ist die Krone? Wer nahm sie mir vom Kissen?
WARWICK.
Mein Fürst, beim Weggehn ließen wir sie hier.
KÖNIG HEINRICH.
Der Prinz nahm sie mit weg: – geht, sucht ihn auf!
Ist er so eilig, daß er glaubt, es sei
Mein Schlaf mein Tod? –
Lord Warwick, findet ihn, schmält ihn hieher!

Warwick ab.

Dies Tun von ihm vereint sich mit dem Übel
Und hilft mich enden. – Seht, Söhne, was ihr seid!
Wie schleunig die Natur in Aufruhr fällt,
Wird Gold ihr Gegenstand!
Und dafür brechen töricht bange Väter
Mit Denken ihren Schlaf, den Kopf mit Sorge,
Mit Arbeit ihr Gebein;
Dafür vermehrten sie und türmten auf
Die falschen Haufen fremd erworbnen Goldes,
Dafür bedachten sie, die Söhn' in Künsten
Und kriegerischer Übung einzuweihn:
Denn, wie die Biene, jede Blume schatzend
[360]
Um ihre süße Kraft,
Die Schenkel voller Wachs, den Mund voll Honig,
So bringen wir's zum Korb; und wie die Bienen
Erwürgt man uns zum Lohn. Der bittre Schmack
Beut seine Last dem Vater, welcher scheidet.

Warwick kommt zurück.

Nun, wo ist der, der nicht so lang' will warten,
Bis sein Freund Krankheit mir ein Ende macht?
WARWICK.
Ich fand den Prinzen, Herr, im nächsten Zimmer,
Mit Tränen mild die holden Wangen waschend,
In solchem tiefen Anschein großer Trauer,
Daß Tyrannei, die immer Blut nur zecht,
Bei diesem Anblick waschen würd' ihr Messer
Mit milden Augentropfen. Er kommt her.
KÖNIG HEINRICH.
Allein warum nahm er die Krone weg?

Prinz Heinrich kommt zurück.

Da kommt er, seht! – Hieher komm zu mir, Heinrich! –
Räumt ihr das Zimmer, laßt uns hier allein!

Clarence, Prinz Humphrey, Lords und übrige ab.
PRINZ HEINRICH.
Ich dachte nicht, Euch noch ein Mal zu hören.
KÖNIG HEINRICH.
Dein Wunsch war des Gedankens Vater, Heinrich.
Ich zögre dir zu lang', ermüde dich.
So hungerst du nach meinem led'gen Stuhl,
Daß du dich mußt in meine Ehren kleiden,
Eh' noch die Stunde reif? O blöder Jüngling!
Die Größe, die du suchst, wird dich erdrücken.
Wart' nur ein wenig: denn die Wolke meiner Würde
Hält ein so schwacher Wind vom Fallen ab,
Daß sie bald sinken muß; mein Tag ist trübe.
Du stahlst mir das, was nur nach wenig Stunden
Dein ohne Schuld war, und bei meinem Tod
Hast du mir die Erwartung noch besiegelt:
Dein Leben zeigte, daß du mich nicht liebtest,
Und du willst, daß ich des versichert sterbe.
In deinem Sinne birgst du tausend Dolche,
[361]
Die du am Felsenherzen dir gewetzt,
Ein Stündchen meines Lebens zu ermorden.
Wie? Kannst du nicht ein Stündchen auf mich warten?
So mach' dich fort und grabe selbst mein Grab,
Heiß' deinem Ohr die frohen Glocken tönen,
Daß du gekrönt wirst, nicht daß ich gestorben!
Die Tränen, die den Sarg betaun mir sollten,
Laß Balsamtropfen sein, dein Haupt zu weihen;
Mich mische nur mit dem vergeßnen Staub,
Gib das den Würmern, was dir Leben gab!
Setz' meine Diener ab, brich meine Schlüsse,
Nun ist die Zeit da, aller Form zu spotten:
Heinrich der Fünfte ist gekrönt! – Wohlauf,
Ihr Eitelkeiten! Nieder, Königswürde!
Ihr weisen Räte, macht euch alle fort!
Und nun versammelt euch an Englands Hof
Von jeder Gegend, Affen eitlen Tands!
Nun, Grenznachbarn, schafft euren Abschaum weg!
Habt ihr 'nen Wüstling, welcher flucht, zecht, tanzt,
Die Nächte schwärmt, raubt, mordet und verübt
Die ältsten Sünden auf die neuste Art:
Seid glücklich, er belästigt euch nicht mehr,
England wird zwiefach seine Schuld vergolden,
England wird Amt ihm geben, Ehre, Macht:
Der fünfte Heinrich nimmt gezähmter Frechheit
Des Zwanges Maulkorb, und das wilde Tier
Wird seinen Zahn an jeder Unschuld weiden.
O armes Reich du, krank von Bürgerstreichen!
Wenn deinen Unfug nicht mein Sorgen hemmte,
Was wirst du tun, wenn Unfug für dich sorgt!
Oh, du wirst wieder eine Wildnis werden,
Besetzt von Wölfen, deinen alten Bürgern!
PRINZ HEINRICH
knieend.
Mein Fürst, verzeiht mir! Wären nicht die Tränen
Die feuchten Hindernisse meiner Rede,
So hätt' ich vorgebaut der harten Rüge,
Eh' Ihr mit Gram gered't und ich so weit
Den Lauf davon gehört. Hier ist die Krone,
[362]
Und er, der seine Kron' unsterblich trägt,
Erhalte lang' sie Euch! Wünsch' ich sie mehr
Als Eure Ehre und als Euren Ruhm,
So mög' ich nie von dem Gehorsam aufstehn,
Den treuster, innerlich ergebner Sinn
Mich lehrt, der unterwürf'gen äußern Biegung!
Der Himmel sei mein Zeuge, wie ich kam
Und keinen Odem fand in Eurer Majestät,
Wie es mein Herz betroffen! Wenn ich heuchle,
O mög' ich in der jetz'gen Wildheit sterben
Und der ungläub'gen Welt den edlen Tausch,
Den ich mir vorgesetzt, nie dartun können!
Zu Euch hier kommend, denkend, Ihr seid tot,
Und tot beinah', zu denken, daß Ihr's wart,
Sprach ich zur Kron', als hätte sie Gefühl,
Und schalt sie so: »Die Sorge, so dir anhängt,
Hat meines Vaters Körper aufgezehrt;
Drum bist du, bestes Gold, von Gold das schlechtste.
Andres, das wen'ger fein, ist köstlicher,
Bewahrt in trinkbarer Arznei das Leben;
Doch du, das feinste, ruhm- und ehrenreichste,
Verzehrtest deinen Herrn.« So, mein Gebieter,
Verklagt' ich sie und setzte sie aufs Haupt,
Mit ihr als einem Feind, der meinen Vater
Vor meinem Angesicht ermordet hätte,
Den Streit des echten Erben auszumachen.
Doch wenn sie mir das Blut mit Lust erhitzt,
Geschwellt zu stolzer Hoffart die Gedanken,
Wenn irgend ein rebell'scher eitler Geist
In mir, mit des Willkommens kleinster Regung,
Der Macht derselben gern entgegenkam:
So halte Gott sie stets vom Haupt mir fern
Und mache mich zum niedrigsten Vasallen,
Der voller Schreck und Ehrfurcht vor ihr kniet!
KÖNIG HEINRICH.
O mein Sohn!
Der Himmel gab dir ein, sie wegzunehmen,
Daß du des Vaters Liebe mehr gewönnest,
Da du so weise deine Sache führst.
[363]
Komm her denn, Heinrich, setz' dich an mein Bett
Und hör' den letzten Ratschlag, wie ich glaube,
Den ich je atmen mag: Gott weiß, mein Sohn,
Durch welche Nebenschlich' und krumme Wege
Ich diese Kron' erlangt; ich selbst weiß wohl,
Wie lästig sie auf meinem Haupte saß.
Dir fällt sie heim nunmehr mit beßrer Ruh',
Mit beßrer Meinung, besserer Bestät'gung,
Denn jeder Flecken der Erlangung geht
Mit mir ins Grab. An mir erschien sie nur
Wie eine Ehr', erhascht mit heft'ger Hand;
Und viele lebten noch, mir vorzurücken,
Daß ich durch ihren Beistand sie gewonnen,
Was täglich Zwist und Blutvergießen schuf,
Dem vorgegebnen Frieden Wunden schlagend.
All diese dreisten Schrecken, wie du siehst,
Hab' ich bestanden mit Gefahr des Lebens:
Denn all mein Regiment war nur ein Auftritt
Der diesen Inhalt spielte; nun verändert
Mein Tod die Weise: denn was ich erjagt,
Das fällt dir nun mit schönerm Anspruch heim,
Da du durch Erblichkeit die Krone trägst.
Und, stehst du sichrer schon, als ich es konnte,
Du bist nicht fest genug, solang' die Klagen
So frisch noch sind; und allen meinen Freunden,
Die du zu deinen Freunden machen mußt,
Sind Zähn' und Stachel kürzlich nur entnommen,
Die durch gewaltsam Tun mich erst befördert,
Und deren Macht wohl Furcht erregen konnte,
Vor neuer Absetzung: was zu vermeiden
Ich sie verdarb und nun des Sinnes war,
Zum Heil'gen Lande viele fortzuführen,
Daß Ruh' und Stilleliegen nicht zu nah
Mein Reich sie prüfen ließ. Darum, mein Heinrich,
Beschäft'ge stets die schwindlichten Gemüter
Mit fremdem Zwist, daß Wirken in der Fern'
Das Angedenken vor'ger Tage banne.
Mehr wollt' ich, doch die Lung' ist so erschöpft,
[364]
Daß kräft'ge Rede gänzlich mir versagt ist.
Wie ich zur Krone kam, o Gott! vergebe,
Daß sie bei dir in wahrem Frieden lebe!
PRINZ HEINRICH.
Mein gnäd'ger Fürst,
Ihr trugt, erwarbt, bewahrtet, gabt sie mir:
Klar ist daher auch mein Besitz an ihr,
Den wider alle Welt nach vollen Rechten
Mit nicht gemeiner Müh' ich will verfechten.

Prinz Johann von Lancaster, Warwick, Lords und andre treten auf.
KÖNIG HEINRICH.
Seht, hier kommt mein Johann von Lancaster.
PRINZ JOHANN.
Gesundheit, Friede, Glück mit meinem Vater!
KÖNIG HEINRICH.
Du bringst mir Glück und Frieden, Sohn Johann;
Gesundheit, ach! die floh mit jungen Schwingen
Den kahlen, welken Stamm: bei deinem Anblick
Stehn meine weltlichen Geschäfte still. –
Wo ist Mylord von Warwick?
PRINZ HEINRICH.
Mylord von Warwick?
KÖNIG HEINRICH.
Kommt irgend ein besondrer Name zu
Dem Zimmer, wo ich erst in Ohnmacht fiel?
WARWICK.
Es heißt Jerusalem, mein edler Herr.
KÖNIG HEINRICH.
Gelobt sei Gott! – Hier muß mein Leben enden.
Vor vielen Jahren ward mir's prophezeit,
Ich würde sterben in Jerusalem,
Was fälschlich ich vom Heil'gen Lande nahm.
Doch bringt mich zu der Kammer, dort zu ruhn:
In dem Jerusalem stirbt Heinrich nun.

Alle ab.
[365]

Fünfter Aufzug

Erste Szene
Glostershire. Ein Zimmer in Schaals Hause.

Schaal, Falstaff, Bardolph und Page treten auf.

SCHAAL.
Der Tausend noch einmal! Herr, Ihr sollt heute nacht nicht weg! – He, David, sag' ich!
FALSTAFF.
Ihr müßt mich entschuldigen, Herr Robert Schaal.
SCHAAL.

Ich will Euch nicht entschuldigen; Ihr sollt nicht entschuldigt sein; Entschuldigungen sollen nicht zugelassen werden; keine Entschuldigung soll was gelten; Ihr sollt nicht entschuldigt sein. – Nun, David!


David kommt.
DAVID.
Hier, Herr.
SCHAAL.

David, David, David, – laß mich sehn, David, laß mich sehn, – ja, wahrhaftig: Wilhelm der Koch, den heiß' mir herkommen! – Sir John, Ihr sollt nicht entschuldigt sein.

DAVID.

Ja, Herr, das war's: Die Verhaftsbefehle hier sind nicht anzubringen; und dann, Herr: – sollen wir das Querland mit Weizen besäen?

SCHAAL.
Mit rotem Weizen, David. Aber wegen Wilhelm dem Koch, – sind keine jungen Tauben da?
DAVID.
Ja, Herr. – Hier ist nun des Schmieds Rechnung fürs Beschlagen und die Pflugeisen.
SCHAAL.
Zieh' die Summe und bezahl' es! – Sir John, Ihr sollt nicht entschuldigt sein.
DAVID.

Ferner, Herr, wir müssen durchaus eine neue Kette an dem Eimer haben; – und, Herr, denkt Ihr dem Wilhelm [366] was von seinem Lohne zurückzuhalten wegen des Sacks, den er letzthin auf dem Markte zu Hinkley verloren hat?

SCHAAL.

Er muß ihn ersetzen. – Einige Tauben, David, ein paar kurzbeinige Hennen, eine Schöpskeule und sonst ein allerliebstes kleines Allerlei: sag das Wilhelm dem Koch!

DAVID.
Bleibt der Kriegsmann den ganzen Abend hier, Herr?
SCHAAL.

Ja, David, ich will ihm gut begegnen: ein Freund am Hofe ist besser als ein Pfennig im Beutel. Begegne seinen Leuten gut, David, denn es sind ausgemachte Schelme und schwärzen einen hinter dem Rücken an.

DAVID.

Nicht ärger, als sie selbst hinter dem Rücken angeschwärzt sind, Herr, denn sie haben erschrecklich schmutzige Wäsche an.

SCHAAL.
Ein schöner Einfall, David! An deine Arbeit, David!
DAVID.
Ich bitte Euch, Herr, Wilhelm Visor von Woncot gegen Clemens Perkes vom Berge zu unterstützen.
SCHAAL.

Gegen den Visor kommen viele Klagen ein, David; der Visor ist ein ausgemachter Schelm, soviel ich weiß.

DAVID.

Ich gestehe Euer Edlen zu, daß er ein Schelm ist, Herr; aber da sei Gott vor, Herr, daß ein Schelm nicht auf die Fürsprache eines Freundes einige Unterstützung finden sollte. Ein ehrlicher Mann, Herr, kann für sich selbst sprechen, wenn ein Schelm es nicht kann. Ich habe Euer Edlen treulich seit acht Jahren gedient, Herr; und wenn ich nicht ein oder ein paar Mal in einem Vierteljahr einem Schelm gegen einen ehrlichen Mann durchhelfen kann, so habe ich auch gar zu wenig Kredit bei Euer Edlen. Der Schelm ist mein ehrlicher Freund, Herr, darum bitte ich Euer Edlen, laßt ihm Unterstützung angedeihen!

SCHAAL.
Gib dich zufrieden, ich sage, ihm soll nichts geschehen. Sieh nach allem!

David ab.

Wo seid Ihr, Sir John? Kommt, die Stiefeln abgelegt! Gebt mir die Hand, Meister Bardolph!
BARDOLPH.
Ich freue mich, Euer Edlen zu sehn.
[367] SCHAAL.

Ich danke dir von ganzem Herzen, mein lieber Meister Bardolph; – Zu dem Pagen. und willkommen, mein starker Mann! Kommt, Sir John! Schaal ab.

FALSTAFF.
Ich komme nach, lieber Herr Robert Schaal. Bardolph, sieh nach unsern Pferden!

Bardolph und Page ab.

Wenn ich in Portionen gesägt würde, so könnte man vier Dutzend solcher bärtigen Klausnerstöcke aus mir machen, wie Meister Schaal. Es ist ein wunderliches Ding, den gegenseitigen Zusammenhang zwischen dem Geist seiner Leute und dem seinigen zu sehn: sie, indem sie ihn beobachten, betragen sich wie alberne Friedensrichter; er wird durch den Umgang mit ihnen in einen friedensrichterlichen Bedienten verwandelt; ihr Wesen ist durch den geselligen Verkehr so miteinander vermählt, daß sie sich immer einträchtig zusammenhalten wie ein Haufen wilder Gänse. Hätte ich ein Gesuch bei Meister Schaal, so wollte ich seine Leute damit guter Laune machen, daß ich ihnen Ähnlichkeit mit ihrem Herrn zuschriebe; bei seinen Leuten, so wollte ich Meister Schaal damit kitzeln, daß niemand seinen Bedienten besser zu befehlen wisse. Es ist gewiß, sowohl weises Betragen als einfältige Aufführung nimmt einer vom andern an, wie Krankheiten anstecken: deswegen mag sich jeder mit seiner Gesellschaft vorsehen. Ich will aus diesem Schaal Stoff genug ziehn, um Prinz Heinrich in beständigem Gelächter zu erhalten, sechs neue Moden hindurch, was so lange dauert als vier Gerichtstermine, oder zwei Schuldklagen, und er soll ohne Intervallum lachen. Oh, es ist viel, daß eine Lüge mit einem leichten Schwur und ein Spaß mit einer gerunzelten Stirn bei einem Burschen, der niemals Schulternweh gefühlt hat, ihrer Sachen gewiß sind! Oh, ihr sollt ihn lachen sehn, bis sein Gesicht aussieht wie ein nasser, schlecht zusammengefalteter Mantel.

SCHAAL
draußen.
Sir John!
FALSTAFF.
Ich komme, Herr Schaal! Ich komme, Herr Schaal!

Ab.
[368]
Zweite Szene
Westminster. Ein Zimmer im Palast.

Warwick und der Oberrichter treten auf.

WARWICK.
Wie nun, Herr Oberrichter? Wo hinaus?
OBERRICHTER.
Wie geht's dem König?
WARWICK.
Ausnehmend gut, sein Sorgen hat ein Ende.
OBERRICHTER.
Nicht tot, hoff' ich.
WARWICK.
Er ging des Fleisches Weg,
Und unsrer Weise nach lebt er nicht mehr.
OBERRICHTER.
Daß Seine Majestät mich mitgenommen hätte!
Der Dienst, den ich ihm treulich tat im Leben,
Läßt jeder Kränkung nun mich bloßgestellt.
WARWICK.
Der junge König, denk' ich, liebt Euch nicht.
OBERRICHTER.
Ich weiß, daß er's nicht tut, und waffne mich,
Der neuen Zeit Bewandtnis zu begrüßen,
Die scheußlicher auf mich nicht blicken kann,
Als meine Phantasei sie vorgestellt.

Prinz Johann, Prinz Humphrey, Clarence, Westmoreland und andre.
WARWICK.
Da kommt des toten Heinrichs trauriges Geschlecht.
O hätte doch der Heinrich, welcher lebt,
Die Sinnesart des schlechtsten der drei Herren!
Wie manchem Edlen bliebe dann sein Platz,
Der niedern Geistern muß die Segel streichen!
OBERRICHTER.
Ach! Alles, fürcht' ich, wird zu Grunde gehn.
PRINZ JOHANN.
Guten Morgen, Vetter Warwick!
PRINZ HUMPHREY UND CLARENCE.
Guten Morgen, Vetter!
PRINZ JOHANN.
Wir haben, scheint's, die Sprache ganz vergessen.
WARWICK.
Sie ist uns noch im Sinn, doch unser Vorwurf
Ist zu betrübt, viel Reden zu gestatten.
PRINZ JOHANN.
Wohl, Frieden ihm, der uns betrübt gemacht!
OBERRICHTER.
Uns Frieden, daß wir nicht betrübter werden!
PRINZ HUMPHREY.
O bester Lord, Euch starb ein Freund, fürwahr;
[369]
Ich schwöre drauf, Ihr borgt nicht diese Miene
Scheinbaren Leids: sie ist gewiß Eu'r eigen.
PRINZ JOHANN.
Weiß keiner gleich, wie er in Gunst wird stehn,
Euch bleibt die kälteste Erwartung doch.
Es tut mir leid, ich wollt', es wäre anders.
CLARENCE.
Ja wohl, nun müßt Ihr Sir John Falstaff schmeicheln,
Und das schwimmt gegen Eurer Würde Strom.
OBERRICHTER.
In Ehren tat ich alles, werte Prinzen,
Gelenkt von unparteiischem Gemüt;
Und niemals sollt ihr sehen, daß ich bettle
Um eitle, schimpfliche Begnadigung. –
Hilft Redlichkeit mir nicht und offne Unschuld,
So will ich meinem Herrn, dem König, nach
Und will ihm melden, wer mich nachgesandt.
WARWICK.
Da kommt der Prinz.

König Heinrich V. tritt auf.
OBERRICHTER.
Guten Morgen! Gott erhalt' Euer Majestät!
KÖNIG.
Dies neue prächt'ge Staatskleid, Majestät,
Sitzt mir nicht so gemächlich, wie Ihr denkt.
Brüder, ihr mischt mit ein'ger Furcht die Trauer:
Dies ist der englische, nicht türk'sche Hof,
Hier folgt nicht Amurath auf Amurath,
Auf Heinrich Heinrich. Doch trauert, lieben Brüder;
Die Wahrheit zu gestehn, es ziemt euch wohl:
Das Leid erscheint in euch so königlich,
Daß ich der Sitte ganz mich will ergeben
Und sie im Herzen tragen. Wohl denn, trauert,
Doch zieht's nicht mehr euch an, geliebte Brüder,
Als eine Last, uns allen auferlegt.
Was mich betrifft, beim Himmel, seid versichert,
Ich will euch Vater und auch Bruder sein.
Gebt eure Lieb', ich nehme eure Sorgen;
Doch weint, daß Heinrich tot ist; ich will's auch.
Doch Heinrich lebt, der alle diese Tränen
In so viel Stunden Glücks verwandeln wird.
[370] PRINZ JOHANN UND DIE ÜBRIGEN.
So hoffen wir's von Eurer Majestät.
KÖNIG.
Ihr blickt auf mich befremdet;

Zum Oberrichter.

Ihr am meisten.
Ich denk', Ihr seid gewiß, ich lieb' Euch nicht.
OBERRICHTER.
Ich bin gewiß, wenn man gerecht mich mißt,
Hat Eure Majestät zum Haß nicht Ursach'.
KÖNIG.
Nicht? Wie konnt' ein Prinz von meiner Anwartschaft
So großen zugefügten Schimpf vergessen?
Was? Schelten, schmäh'n und hart gefangen setzen
Den nächsten Erben Englands! War das nichts?
Läßt sich's im Lethe waschen und vergessen?
OBERRICHTER.
Da übt' ich die Person von Eurem Vater,
Ich trug an mir das Abbild seiner Macht,
Und da ich bei Verwaltung des Gesetzes
Geschäftig war für das gemeine Wesen,
Gefiel's Eu'r Hoheit, gänzlich zu vergessen
Mein Amt und des Gesetzes Majestät,
Das Bild des Königs, welchen ich vertrat,
Und schlugt mich, recht auf meinem Richtersitz:
Worauf, als den Beleid'ger Eures Vaters,
Ich, kühnlich meines Ansehns mich bedienend,
Euch in Verhaft nahm. War die Handlung schlecht,
So wünscht Euch, da Ihr nun die Krone tragt,
Auch einen Sohn, der Eurer Schlüsse spottet,
Gerechtigkeit vom ernsten Sitze reißt,
Den Lauf des Rechtes stürzt und stumpft das Schwert,
Das Eure Sicherheit und Frieden schirmt;
Noch mehr, Eu'r hohes Bild mit Füßen tritt
Und höhnt Eu'r Werk in einem Stellvertreter.
Fragt Euren hohen Sinn, setzt Euch den Fall:
Seid nun ein Vater, denkt Euch einen Sohn,
Hört Eure eigne Würde so entweiht,
Die furchtbarsten Gesetze keck verachtet,
Seht so Euch selbst von einem Sohn entwürdigt;
Dann stellt Euch vor, ich führe Eure Sache
[371]
Und bring' aus Eurer Vollmacht Euren Sohn
Gelind zum Schweigen: meinen Spruch erteilt
Mir nun nach dieser kühlen Überlegung!
So wahr Ihr König, sprecht nach Eurer Würde:
Was tat ich wohl, das meinem Amt, Person
Und Dienstpflicht gegen meinen Herrn mißziemte?
KÖNIG.
Ihr habt recht, Richter, und erwägt dies wohl.
Führt denn hinfort die Waagschal' und das Schwert;
Und mögen Eure Ehren immer wachsen,
Bis Ihr's erlebt, daß Euch ein Sohn von mir
Beleidigt und gehorchet, wie ich tat.
Dann werd' ich meines Vaters Worte sprechen:
»Beglückt bin ich, solch kühnen Mann zu haben,
Der Recht an meinem Sohn zu üben wagt.
Beglückt nicht minder, daß ein Sohn mir ward,
Der seiner Größe zu des Rechtes Handen
Sich so entäußert.« – Ihr habt mich gepfändet,
Darum verpfänd' ich nun in Eure Hand
Dies reine Schwert, das Ihr zu führen pflegtet,
Mit dieser Mahnung: daß Ihr selbes braucht,
So kühn, gerecht und unpartei'schen Sinns,
Wie damals wider mich. Hier meine Hand:
Ihr sollt ein Vater meiner Jugend sein,
Was Ihr mir einhaucht, soll mein Mund verkünden,
Und meinen Willen unterwerf' ich gern
So wohlerfahr'nen, weisen Anleitungen.
Und, all ihr Prinzen, glaubt es mir, ich bitt' euch:
Wild ist mein Vater in sein Grab gegangen,
In seiner Gruft ruhn meine Leidenschaften,
Und in mir überlebt sein ernster Geist,
Um die Erwartung aller Welt zu täuschen,
Propheten zu beschämen, auszulöschen
Die faule Meinung, die mich niederschrieb
Nach meinem Anschein. Der Strom des Bluts in mir
Hat stolz bis jetzt in Eitelkeit geflutet:
Nun kehrt er um und ebbt zurück zur See,
Wo er sich mit der Fluten Haupt soll mischen,
In ernster Majestät forthin zu fließen.
[372]
Berufen wir nun unsern hohen Hof
Des Parlaments und wählen solche Glieder
Des edlen Rates, daß der große Körper
Von unserm Staat in gleichem Range steh'
Selbst mit der bestregierten Nation;
Daß Krieg und Frieden, oder beides auch
Zugleich, bekannt uns und geläufig sei;

Zum Oberrichter.

Wobei Ihr, Vater, sollt den Vorsitz führen.
Nach unsrer Krönung rufen wir zusammen,
Wie wir zuvor erwähnt, den ganzen Staat;
Und stimmt der Himmel meinem Willen bei,
So soll noch Prinz, noch Pair mit Grunde sagen:
»Gott kürze was an Heinrichs frohen Tagen!«

Alle ab.
Dritte Szene
Glostershire. Der Garten bei Schaals Hause.

Falstaff, Schaal, Stille, Bardolph, der Page und David kommen.

SCHAAL.

Nein, Ihr müßt meinen Baumgarten sehn, da wollen wir uns in eine Laube setzen und einen Pippin vom vorigen Jahre essen, den ich selbst gepfropft habe, nebst einem Teller Konfekt und so weiter; – nun kommt, Vetter Stille, und dann zu Bett!

FALSTAFF.
Weiß Gott, Ihr habt hier einen trefflichen, reichen Wohnsitz.
SCHAAL.

Mager, mager, mager! Allesamt Bettler, allesamt Bettler, Sir John! – Ei nun, die Luft ist gut. – Decke, David; decke, David; das machst du gut, David.

FALSTAFF.
Der David leistet Euch gute Dienste: er ist Euer Aufwärter und Euer Wirtschafter.
SCHAAL.

Ein guter Bursch, ein guter Bursch, ein sehr guter Bursch, Sir John. – Beim Sakrament, ich habe beim Essen zu viel getrunken; – ein guter Bursch! Nun setzt Euch nieder, setzt Euch nieder! Kommt, Vetter!

STILLE.
Ei der Tausend, das mein' ich; wir wollen

er singt

»Nichts tun als essen, und keiner was spar',
[373]
Und preisen den Himmel fürs lustige Jahr,
Wo wohlfeil das Fleisch und die Mädel rar
Und munteres Völklein hier schwärmet und dar,
So freudiglich,
Und immerzu so freudiglich.«
FALSTAFF.

Das ist mir ein fröhliches Herz! – Lieber Herr Stille, dafür will ich sogleich Eure Gesundheit trinken.

SCHAAL.
Gib dem Herrn Bardolph Wein, David!
DAVID.

Schönster Herr, setzt Euch; er setzt Bardolph und dem Pagen Stühle an einen anderen Tisch ich bin gleich wieder bei Euch, – schönster Herr, setzt Euch! – Herr Page, lieber Herr Page, setzt Euch; prosit! Was Euch an Essen abgeht, wollen wir mit Trinken ersetzen. Aber Ihr müßt vorlieb nehmen: der gute Wille ist die Hauptsache.Ab.

SCHAAL.
Seid lustig, Meister Bardolph, – und Ihr da, mein kleiner Soldat, seid lustig!
STILLE
singt.
»Seid lustig, seid lustig, die Frau mag auch schrein:
Denn Weiber sind Hexen, so große wie klein'.
Wo Männer allein, geht's drauf und drein,
Und lustige Fastnacht willkommen!
Seid lustig, seid lustig, usw.«
FALSTAFF.
Ich hätte nicht gedacht, daß Herr Stille ein Mann von dem Feuer wäre.
STILLE.
Wer? Ich? Ich bin wohl schon ein oder ein paar Mal in meinem Leben lustig gewesen.
DAVID
kommt zurück.
Da ist ein Teller voll Pelzäpfel für Euch.

Setzt sie vor Bardolph hin.
SCHAAL.
David!
DAVID.
Euer Edlen? Zu Bardolph. Ich will gleich bei Euch sein. – Ein Gläschen Wein, Herr?
STILLE
singt.
»Ein Gläschen Wein, der stark und rein,
Und trink' es zu der Liebsten mein,
Und ein fröhliches Herz lebt am längsten.«
FALSTAFF.
Wohlgesprochen, Herr Stille!
STILLE.
Und wir wollen fröhlich sein, das Beste von der Nacht geht nun erst an.
[374] FALSTAFF.
Eure Gesundheit und langes Leben, Herr Stille!
STILLE
singt.
»Füllt das Glas, ich trink' es leer,
Und wär's eine Meil' auf den Boden.«
SCHAAL.

Ehrlicher Bardolph, willkommen! Wenn dir irgend was fehlt und du foderst nicht, so mach' es mit dir selber aus! – Zu dem Pagen. Willkommen, mein allerliebster kleiner Schelm! Ja wahrhaftig, recht sehr willkommen! – Ich will zu Ehren Meister Bardolphs trinken und aller Kavaliere in London.

DAVID.
Ich hoffe, London noch einmal vor meinem Tode zu sehen.
BARDOLPH.
Wenn ich Euch da sehen könnte, David, –
SCHAAL.
Beim Sakrament, ihr stächet gewiß ein Quart miteinander aus! Ha! nicht wahr, Meister Bardolph?
BARDOLPH.
Ja, Herr, in einer Vier-Nößel-Kanne.
SCHAAL.

Ich danke dir. Der Schelm wird sich an dich halten, das kann ich dir versichern; der wankt und weicht nicht, es ist ein treues Blut.

BARDOLPH.
Ich will mich auch an ihn halten, Herr.
SCHAAL.
Das heißt wie ein König gesprochen. Laßt Euch nichts abgehn, seid lustig!

Es wird draußen geklopft.

Seht, wer da an der Tür ist! He, wer klopft?

David ab.
FALSTAFF
zu Stille, der ein gestrichnes Glas austrinkt.
So, nun habt Ihr mir Bescheid getan.
STILLE
singt.
»Bescheid mir tu',
Schlag' mich Ritter dazu;
Samingo.«
Ist es nicht so?
FALSTAFF.
Ja, so ist's.
STILLE.
Ist es so? Nun, so sagt, daß ein alter Mann auch was kann.

David kommt zurück.
DAVID.
Wenn's Euer Edlen beliebt, da ist ein Pistol mit Neuigkeiten vom Hofe.
[375] FALSTAFF.
Vom Hofe? Laßt ihn hereinkommen!

Pistol tritt auf.

Wie steht's, Pistol?
PISTOL.
Gott erhalte Euch, Sir John!
FALSTAFF.
Welch ein Wind hat dich hergeblasen, Pistol?
PISTOL.

Der schlimme nicht, der keinem bläst zum Heil. – Herzens-Ritter, du bist nun einer der größten Leute im Königreich.

STILLE.
Sapperment, das denke ich auch, außer Gevatter Puff von Barson.
PISTOL.
Puff?
Puff in die Zähne dir, höchst schnöde Memme!
Sir John, ich bin dein Freund und dein Pistol,
Und holterpolter ritt ich her zu dir,
Und Zeitung bring' ich und beglückte Lust,
Und goldne Zeit, und Neuigkeit von Wert.
FALSTAFF.
Ich bitte dich, melde sie nun wie ein Mensch von dieser Welt!
PISTOL.
Ein Pfifferling für Welt und Weltling schnöde!
Von Afrika red' ich und goldner Lust.
FALSTAFF.
O du assyr'scher Wicht, was bringst du Neues?
König Cophetua will die Wahrheit wissen.
STILLE
singt.
»Und Robin Hood, Scharlach und Hans«
PISTOL.
Soll Hundebrut den Helikonen trotzen?
Und höhnt man gute Zeitung?
So leg' dein Haupt, Pistol, in Furien-Schoß!
SCHAAL.
Mein ehrlicher Herr, ich kenne Eure Lebensart nicht.
PISTOL.
Nun, so wehklage drum!
SCHAAL.

Verzeiht mir, Herr, wenn Ihr mit Neuigkeiten vom Hofe kommt, so gibt es meines Bedünkens nur zwei Wege: entweder Ihr bringt sie vor, oder Ihr behaltet sie bei Euch. Ich stehe unter dem Könige, Herr, in einiger Autorität.

PISTOL.
Doch unter welchem König, du Halunk'?
Sprich oder stirb!
SCHAAL.
Unter König Heinrich.
PISTOL.
Heinrich dem Vierten oder Fünften?
SCHAAL.
Heinrich dem Vierten.
PISTOL.
Ein Pfifferling dann für dein ganzes Amt!
[376]
Sir John, dein zartes Lamm ist König nun;
Heinrich der Fünfte heißt's! Ich rede wahr:
Tut dies mir, lügt Pistol: gebt mir die Feigen,
So wie der stolze Spanier!
FALSTAFF.
Was? Ist der alte König tot?
PISTOL.
Wie Maus im Loch; das, was ich sag', ist richtig.
FALSTAFF.

Fort, Bardolph, sattle mein Pferd! – Herr Robert Schaal, wähle dir, welches Amt im Lande du willst, es ist dein. – Pistol, ich will dich doppelt mit Würden laden.

BARDOLPH.
O freudiger Tag! Ich tausche mein Glück mit keinem Ritter.
PISTOL.
Was? Bring' ich gute Zeitung?
FALSTAFF.

Bringt Herrn Stille zu Bett! – Herr Schaal, Mylord Schaal, sei, was du willst, ich bin des Glückes Haushofmeister. Zieh' deine Stiefeln an, wir wollen die Nacht durch reiten. – O allerliebster Pistol! – Fort, Bardolph!


Bardolph ab.

Komm, Pistol, erzähl' mir noch mehr und denke zugleich auf etwas, das du gern hättest! – Stiefeln, Stiefeln, Herr Schaal! Ich weiß, der junge König ist krank vor Sehnsucht nach mir. Laßt uns Pferde nehmen, wessen sie auch sind: die Gesetze Englands stehen mir zu Gebote. Glücklich sind die, welche meine Freunde waren, und wehe dem Herrn Oberrichter!

PISTOL.
Laßt schnöde Gei'r die Lung' ihm fressen ab!
»Wo ist mein vorig' Leben?« sagen sie.
Hier ist's; willkommen diese frohen Tage!

Alle ab.
Vierte Szene
London. Eine Straße.

Büttel, welche die Wirtin Hurtig und Dortchen Lakenreißer herbeischleppen.

WIRTIN.

Nein, du Erzschelm! Ich wollte, ich stürbe, damit du gehängt würdest. Du hast mir die Schulter ganz aus dem Gelenke gerissen.

[377] ERSTER BÜTTEL.

Die Gerichtsdiener haben sie mir überliefert, und sie soll genug mit Peitschen bewillkommnet werden, dafür stehe ich ihr: es sind ihretwegen seit kurzem ein oder ein paar Menschen totgeschlagen.

DORTCHEN.

Äpfelstange, Äpfelstange, du lügst! Komm nur, ich will dir was sagen, du verdammter Schuft mit dem Kaldaunengesicht. Wenn das Kind, womit ich schwanger gehe, zu Schaden kommt, so wäre dir besser, du hättest deine Mutter geschlagen, du Spitzbube von Papiergesicht!

WIRTIN.

O Jemine, daß Sir John doch zurück wäre! Ich weiß wohl, wem er einen blutigen Tag machen würde. Aber ich bitte Gott, daß die Frucht ihres Leibes zu Schaden kommen mag.

ERSTER BÜTTEL.

Wenn das geschieht, so sollt Ihr ein Dutzend Kissen wieder haben; Ihr habt jetzt nur noch elfe. Kommt, ihr müßt beide mit mir gehn: der Mann ist tot, den ihr und Pistol beide unter euch geprügelt habt.

DORTCHEN.

Ich will dir was sagen, du ausgedörrter Knecht Ruprecht, dafür sollt Ihr mir tüchtig ausgewalkt werden, Ihr Schuft von Blaurock! Ihr garstiger, hungriger Zuchtmeister! Wenn Ihr nicht geprügelt werdet, so will ich keine kurzen Schürzen wieder tragen.

ERSTER BÜTTEL.
Kommt, kommt, Ihr irrende Ritterin! Kommt!
WIRTIN.
O daß Recht die Gewalt so unterdrücken muß!
Nun, aus Leiden kommen Freuden.
DORTCHEN.
Kommt, Ihr Schelm! Kommt, bringt mich vor einen Friedensrichter!
WIRTIN.
Ja, kommt, Ihr ausgehungerter Bluthund!
DORTCHEN.
Gevatter Tod! Gevatter Beingerippe!
WIRTIN.
Du Skelett du!
DORTCHEN.
Kommt, Ihr magres Ding! Kommt, Ihr spitziger Bube!
ERSTER BÜTTEL.
Es ist schon gut.

Alle ab.
[378]
Fünfte Szene
Ein öffentlicher Platz bei der Westminsterabtei.

Zwei Kammerdiener, die Binsen streuen.

ERSTER KAMMERDIENER.
Mehr Binsen! Mehr Binsen!
ZWEITER KAMMERDIENER.
Die Trompeten haben schon zweimal geblasen.
ERSTER KAMMERDIENER.
Es wird zwei Uhr, ehe sie von der Krönung kommen. Mach' zu! Mach' zu!

Beide ab.

Falstaff, Schaal, Pistol, Bardolph und der Page kommen.
FALSTAFF.

Steht hier neben mir, Herr Robert Schaal, ich will machen, daß Euch der König Gnade erzeigt. Ich will ihn anblinzeln, wie er vorbeigeht, und merkt nur auf die Mienen, die er mir machen wird!

PISTOL.
Gott segne deine Lunge, guter Ritter!
FALSTAFF.

Komm her, Pistol, stell' dich hinter mich! Zu, Schaal. O hätte ich nur die Zeit gehabt, neue Livreien machen zu lassen, ich hätte die von Euch geliehnen tausend Pfund daran gewandt. Aber es tut nichts: dieser armselige Aufzug ist besser: es beweist den Eifer, den ich hatte, ihn zu sehn.

SCHAAL.
Das tut's.
FALSTAFF.
Es zeigt die Herzlichkeit meiner Zuneigung.
SCHAAL.
Das tut's.
FALSTAFF.
Meine Ergebenheit.
SCHAAL.
Das tut's, das tut's, das tut's.
FALSTAFF.

So Tag und Nacht zu reiten, nicht zu überlegen, nicht zu denken, nicht die Geduld zu haben, mich anders anzuziehn.

SCHAAL.
Das ist sehr gewiß.
FALSTAFF.

Schmutzig von der Reise dazustehn, schwitzend vor Begierde, ihn zu sehen, an nichts anders gedacht, alles andre der Vergessenheit übergeben, als ob gar nichts anders zu tun wäre als ihn sehen.

PISTOL.
's ist semper idem, denn absque hoc nihil est:
's ist alles überall.
[379] SCHAAL.
Es ist so, in der Tat.
PISTOL.
Ich will dein' edle Brust entflammen, Ritter,
Dich wüten machen.
Dein Dortchen, deines edlen Sinnes Helena,
Ist in Verhaftung schnöd' und gift'gem Kerker,
Hiehergeschleppt
Von allerniedrigster und schmutz'ger Hand.
Weck' auf die Rach' aus schwarzer Kluft mit Schlang' Alektos Grimm,
Denn Dortchen sitzt: Pistol spricht Wahrheit nur.
FALSTAFF.
Ich will sie befreien.

Trompeten.
PISTOL.
Da brüllt' die See und scholl Trompetenklang.

Der König kommt mit seinem Zuge, darunter der Oberrichter.
FALSTAFF.
Heil, König Heinz! Mein königlicher Heinz!
PISTOL.
Der Himmel hüte dich, erhabner Ruhmessproß!
FALSTAFF.
Gott schütz' dich, Herzensjunge!
KÖNIG.
Sprecht mit dem eitlen Mann, Herr Oberrichter!
OBERRICHTER.
Seid Ihr bei Sinnen? Wißt Ihr, was Ihr sagt?
FALSTAFF.
Mein Fürst! Mein Zeus! Dich red'ich an, mein Herz!
KÖNIG.
Ich kenn' dich, Alter, nicht; an dein Gebet!
Wie schlecht steht einem Schalksnarrn weißes Haar!
Ich träumte lang' von einem solchen Mann,
So aufgeschwellt vom Schlemmen, alt und ruchlos:
Doch, nun erwacht, veracht' ich meinen Traum.
Den Leib vermindre, mehre deine Gnade,
Laß ab vom Schwelgen: wisse, daß das Grab
Dir dreimal weiter gähnt als andern Menschen!
Erwidre nicht mit einem Narrenspaß,
Denk' nicht, ich sei das Ding noch, das ich war:
Der Himmel weiß, und merken soll's die Welt,
Daß ich mein vor'ges Selbst hinweggetan,
Wie nun auch die, so mir Gesellschaft hielten.
Vernimmst du, daß ich sei, wie ich gewesen,
Dann komm, und du sollst sein, was du mir warst,
Der Lehrer und der Pfleger meiner Lüste.
Bis dahin bann' ich dich bei Todesstrafe,
[380]
Und all die andern auch, die mich mißleitet,
Zehn Meilen weit von unserer Person.
Was Unterhalt betrifft, den sollt ihr haben,
Daß Dürftigkeit euch nicht zum Bösen zwinge,
Und wie wir hören, daß ihr euch bekehrt,
So wollen wir, nach eurer Kraft und Fähigkeit,
Beförd'rung euch erteilen. Sorgt, Mylord,
Daß unsers Wortes Inhalt werd' erfüllt!
(Zieht weiter!)

Der König und sein Zug ab.
FALSTAFF.
Herr Schaal, ich bin Euch tausend Pfund schuldig.
SCHAAL.
Ja wahrhaftig, Sir John, und ich bitte Euch, sie mir mit nach Hause zu geben.
FALSTAFF.

Das kann schwerlich geschehen, Herr Schaal. Bekümmert Euch hierüber nicht, man wird mich insgeheim zu ihm rufen: seht, er muß sich vor der Welt dies Ansehn geben. Fürchtet nichts wegen Eurer Beförderung, ich bin immer noch der Mann, der Euch groß machen kann.

SCHAAL.

Ich kann nicht begreifen, wie; Ihr müßtet mir denn Euer Wams geben und mich mit Stroh ausstopfen. Ich bitte Euch, guter Sir John, gebt mir nur fünfhundert von meinen tausend!

FALSTAFF.
Herr, ich will Euch mein Wort noch halten: was Ihr eben gehört habt, war nur eine angenommene Maske.
SCHAAL.
Aber eine Maske, fürchte ich, worin Ihr bis an Euren Tod stecken werdet, Sir John.
FALSTAFF.

Macht Euch nichts aus so einer Maske, kommt mit mir zum Essen! Komm, Lieutenant Pistol! Komm, Bardolph! Ich werde heute abend bald gerufen werden.


Prinz Johann, der Oberrichter, Offiziere usw.
kommen zurück.
OBERRICHTER.
Geht, bringt den Sir John Falstaff ins Gefängnis,
Nehmt seine ganze Brüderschaft mit fort!
FALSTAFF.
Mylord, Mylord, –
OBERRICHTER.
Ich kann nicht jetzo, bald will ich Euch hören.
Nehmt sie mit weg!
PISTOL.
Si fortuna me tormenta, spero me contenta.

Falstaff, Schaal, Pistol, Bardolph, Page und Offiziere ab.
[381] PRINZ JOHANN.
Mir steht dies edle Tun des Königs an:
Er will, daß seine vorigen Begleiter
Versorgt zum besten alle sollen sein;
Doch alle sind verbannt, bis sich ihr Umgang
Bescheidner zeigt und weiser vor der Welt.
OBERRICHTER.
Das sind sie auch.
PRINZ JOHANN.
Der König hat sein Parlament berufen.
OBERRICHTER.
Das hat er.
PRINZ JOHANN.
Was wettet Ihr? Wir tragen nun noch heuer
Das Bürgerschwert und angeborne Feuer
Bis Frankreich hin: es sang ein Vogel so,
Des Ton, so schien's, den König machte froh.
Kommt, wollt Ihr mit?

Beide ab.
[382]

Epilog

[Epilog

Zuerst meine Furcht, dann meine Verbeugung, zuletzt meine Rede. Meine Furcht ist euer Mißfallen, meine Verbeugung meine Schuldigkeit, und meine Rede, euch um Verzeihung zu bitten. Wenn ihr eine gute Rede erwartet, so bin ich verloren. Denn was ich zu sagen habe, ist von mir erdacht, und was ich in der Tat sagen sollte, wird gewiß von mir verdorben werden. Aber zur Sache, und sei es gewagt! – Wißt denn – wie ihr es schon wißt –, ich stand neulich am Schluß eines durchgefallenen Stückes hier, euch um Nachsicht dafür zu ersuchen und ein besseres zu versprechen. Nun hatte ich im Sinne, euch mit diesem hier zu bezahlen; wenn es aber nun in eine verunglückte Spekulation fehlschlägt, so bin ich bankerott, und ihr, meine edlen Gläubiger, habt den Verlust. Hier, so versprach ich euch, würde ich wieder sein, und hier übergebe ich mich selbst eurer Gnade; laßt mir etwas nach, etwas bezahle ich euch und verspreche euch, wie die meisten Schuldner tun, unendlich viel.

Wenn meine Zunge euch nicht bewegen kann, mich loszusprechen, befehlt ihr mir dann vielleicht, meine Beine zu brauchen? Und doch wäre es nur eine leichte Zahlung, mich aus meiner Schuld herauszutanzen. Ein gutes Gewissen aber wird jede mögliche Genugtuung geben, und das will ich auch. Alle Damen hier haben mir verziehen; tun es die Herren nicht, so harmonieren die Herren nicht mit den Damen, was bis jetzt in einer solchen Versammlung noch nie gesehen wurde.

Noch ein Wort, mit Erlaubnis! Seid ihr nicht zu sehr mit fetter Speise übersättigt, so wird unser demütiger Verfasser die Geschichte fortsetzen, mit Sir John drinnen, und euch durch die schöne Katharine von Frankreich belustigen, wo [383] dann, soviel ich weiß, Falstaff an einer Schwitzkur sterben wird, wenn er nicht schon durch euren Unwillen getötet ist; denn Oldcastle starb als ein Märtyrer, und dieser hier ist nicht jener Mann. Meine Zunge ist müde; wenn meine Beine es auch sind, werde ich euch gute Nacht sagen und vor euch knieen, in der Tat aber, um für die Königin zu beten.]

[384]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Shakespeare, William. Historien. König Heinrich IV. Zweiter Teil. König Heinrich IV. Zweiter Teil. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0BDA-D