William Shakespeare
Cymbeline
[382] Personen
Cymbeline, König von Britannien
Cloten, Sohn der Königin, von ihrem ersten Gemahl
Leonatus Posthumus, ein Edelmann, Imogens Gemahl
Bellarius, ein verbannter Lord, unter dem Namen Morgan
Guiderius
Arviragus, Cymbelines Söhne, unter den Namen Polydor und Cadwall; für Bellarius' Söhne gehalten
Philario, Posthumus' Freund
Jachimo, Philarios Freund
Ein französischer Edelmann, Philarios Freund
Cajus Lucius, römischer Feldherr
Ein römischer Hauptmann, zwei britische Hauptleute
Pisanio, Posthumus' Diener
Cornelius, ein Arzt
Zwei Edelleute
Zwei Kerkermeister
Die Königin, Cymbelines Gemahlin
Imogen, Cymbelines Tochter, von der vorigen Königin
Helene, Imogens Kammerfrau
Lords, Hofdamen, römische Senatoren, Tribunen, Geister, ein Wahrsager, ein Holländer, ein Spanier, Musiker, Anführer, Soldaten, Boten, Gefolge
Szene: abwechselnd in Britannien und Rom
[382]Erster Aufzug
Zweite Szene
Dritte Szene
Prinz, ich möchte Euch doch raten, das Hemde zu wechseln; die Heftigkeit der Bewegung macht, daß Ihr wie ein Opfer raucht: wo Luft ausströmt, zieht auch Luft ein, und keine äußere Luft ist so gesund, als die Ihr ausströmt.
Ihn verwundet? Sein Körper ist ein durchdringliches Beingerippe, wenn er nicht verwundet [389] ist – er ist eine Durchfahrt für Stahl, wenn er nicht verwundet ist.
Euch stehn! Ihr habt selbst schon Land genug, aber er vergrößerte Euern Besitz: er gab Euch noch etwas Boden zu.
Prinz, ich sagte es Euch immer, ihre Schönheit und ihr Verstand halten nicht gleichen Schritt; sie ist ein treffliches Gemälde, aber ich habe wenige Reflexe ihres Geistes gesehen.
Vierte Szene
Fünfte Szene
Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch dem Namen nach zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte.
Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen.
Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten.
Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat (wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß), ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist.
Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein Maß; geschähe es auch nur, um der Prinzessin Urteilmehr zu befestigen, welches außerdem ein schwaches Geschütz niederschmettern würde, wenn sie einen Bettler genommen hätte, den nicht die höchsten Gaben schmückten. Aber wie kommt es, daß er bei Euch wohnen wird? Woher schreibt sich diese Bekanntschaft?
Sein Vater und ich waren Kriegskameraden, und ich hatte diesem oft nichts Geringeres als mein Leben zu danken.
Hier kommt der Brite: laßt seine Aufnahme unter euch so sein, wie sie Männern von eurem Verstand gegen einen Fremden von seinen Verdiensten ziemt! – Ich bitte euch alle, macht euch näher mit diesem Herrn bekannt, den ich euch als meinen edlen Freund empfehle: seine Vortrefflichkeit möge sich in Zukunft lieber selbst kund geben, als von mir vor seinem Ohr gepriesen werden.
Seitdem war ich Euer Schuldner für Artigkeiten, an denen ich stets abzuzahlen haben und doch in Eurer Schuld bleiben werde.
Herr, Ihr überschätzt meine geringen Freundschaftsdienste: es war mir lieb, daß ich Euch und meinen Landsmann versöhnen konnte; es wäre schade gewesen, wäret Ihr mit so tödlichen Vorsätzen zusammen gekommen, wie ihr sie damals beide hattet, und wegen einer Sache von so leichter, unbedeutender Art.
Verzeiht mir, ich war damals ein junger Reisender; etwas störrisch, dem, was ich hörte, beizustimmen, und wenig geneigt, mich in jeglicher Handlung durch die Erfahrung anderer leiten zu lassen; aber auch nach meinem reiferen Urteil (wenn ich nicht prahle, es reifer zu nennen) war mein Zwist von damals doch nicht so ganz unbedeutend.
Wahrhaftig doch zu unbedeutend, um der Entscheidung der Waffen unterworfen zu werden; und von zwei [393] solchen Männern, wo, höchst wahrscheinlich, einer vom andern vernichtet oder beide gefallen wären.
Warum nicht? Es wurde öffentlich verhandelt, und mag drum ohne Anstoß wieder erzählt werden. Es betraf einen Punkt, dem ähnlich, über den wir gestern abend stritten, wo jeder von uns sich im Lob der Damen seines Landes ergoß; dieser Herr beteuerte damals (und zwar auf die Gewähr, es mit seinem Blute zu beweisen), die seinige sei schöner, tugendhafter, weiser, keuscher, standhafter und unverführbarer als irgendeine unsrer auserlesensten Damen in Frankreich.
Diese Dame lebt nicht mehr; oder der Glaube dieses Herrn ist, was den Punkt betrifft, schwächer geworden.
Wenn ich so gereizt würde, wie damals in Frankreich, so würde ich sie ebenso wenig beeinträchtigen lassen; obwohl ich mich ihren Anbeter nenne, nicht ihren Geliebten.
Ebenso schön als gut (fast eine zu verschwisterte Vergleichung), wäre etwas zu schön und zu gut für irgendeine Dame in Britannien gewesen. Wenn sie andre, die ich gekannt habe, so sehr übertrifft, wie dieser Euer Diamant manchen, den ich sah, übertrahlt, so muß ich wohl glauben, daß sie unter vielen die vorzüglichste ist; doch unter allen Kleinodien, die es gibt, sah ich wohl nicht das köstlichste, noch Ihr die edelste unter den Weibern.
Ihr seid im Irrtum; das eine mag verkauft oder [394] verschenkt werden, wenn Reichtum genug für die Zahlung, oder Verdienst genug für die Gabe da wäre; das andere ist nicht feil, und nur einzig Gabe der Götter.
Ihr mögt sie, dem Namen nach, als die Eurige haben; aber Ihr wißt, fremde Vögel lassen sich auf den Teich des Nachbars nieder. Euer Ring kann Euch ebenfalls gestohlen werden: so ist von Euren beiden unschätzbaren Gütern das eine nur schwach, und das andere zufällig; ein listiger Dieb oder ein in dem Punkt vollendeter Hofmann würden es unternehmen, Euch das eine oder das andere abzugewinnen.
Euer Italien besitzt keinen so vollendeten Höfling, daß er die Ehre meiner Geliebten in Gefahr bringen könnte; wenn Ihr sie im Bewahren oder Verlust derselben schwach nennen wollt. Ich zweifle nicht im mindesten, daß Ihr einen Überfluß von Dieben habt, demungeachtet fürchte ich nichts für meinen Ring.
Von Herzen gern. Dieser würdige Signor, ich danke ihm dafür, behandelt mich nicht als Fremden; wir sind gleich bei erster Bekanntschaft Vertraute.
Mit fünfmal so viel Gespräch würde ich mir bei Eurer schönen Gebieterin Bahn machen, sie rückwärts treiben, ja, zum Wanken bringen, hätte ich Zutritt und Gelegenheit zu Freunden.
Ich wage es, darauf die Hälfte meines Vermögens gegen Euren Ring zu verpfänden, die, nach meiner Schätzung, noch etwas mehr wert ist; aber ich unternehme meine Wette vielmehr gegen Eure Zuversicht, als ihre Ehre: und, um hierin auch jede Beleidigung Eurer auszuschließen, ich wage den Versuch gegen jede Dame in der Welt.
Ihr seid außerordentlich getäuscht in dieser zu dreisten Überzeugung, und ich zweifle nicht, Euch wird das, was Ihr durch solcherlei Versuch verdient.
Ihr Herrn, genug davon: das kam zu plötzlich; laßt es sterben, wie es geboren ward, und – ich bitte – lernt euch besser kennen!
Ich wollte, ich hätte mein und meines Nachbars Vermögen auf die Beweisführung dessen gesetzt, was ich behauptete.
Die Eure, deren Festigkeit Ihr für so unerschütterlich haltet. Ich setze zehntausend Dukaten gegen Euren Ring, mit dem Beding, Ihr empfehlt mich an den Hof, wo Eure Dame lebt, ohne mehr Begünstigung, als die Gelegenheit eines zweiten Gesprächs, und ich bringe von dort diese ihre Ehre mit, die Ihr so sicher bewahrt glaubt.
Ich will Gold wetten gegen Euer Gold: meinen Ring achte ich so teuer als meinen Finger; er ist ein Teil von ihm.
Ihr seid der Geliebte, und deshalb um so vorsichtiger. Wenn Ihr Frauenfleisch auch das Quentchen für eine Million kauft, so könnt Ihr es doch nicht vor Ansteckung bewahren; aber ich sehe, es ist etwas Religion in Euch, daß Ihrfurcht sam seid.
Würdet Ihr? – Ich werde Euch meinen Diamant bis zu Eurer Rückkehr nur leihen – mag ein Vertrag zwischen uns aufgesetzt werden. Meine Geliebte übertrifft in Tugend die Unermeßlichkeit Eurer unwürdigen Denkart. Ich fodre Euch zu dieser Wette auf: hier ist mein Ring.
Bei den Göttern, sie ist es; – wenn ich Euch nicht hinlängliche Beweise bringe, daß ich das teuerste Kleinod Eurer Geliebten genoß, so sind meine zehntausend Dukaten Euer, und Euer Diamant dazu. Wenn ich abgewiesen werde, und sie die Ehre bewahrt, auf welche Ihr so fest vertraut, [396] so ist sie, Euer Juwel, dies Euer Juwel und mein Gold Euer, – doch, wie bedungen, ich habe Eure Empfehlung, um ungehinderten Zutritt zu bekommen.
Ich nehme diese Bedingungen an; laßt die Artikel unter uns aufsetzen: – und nur insofern sollt Ihr verantwortlich sein. Wenn Ihr Eure Unternehmung gegen sie richtet, und mir deutlich zu erkennen gebt, daß Ihr gesiegt habt, so bin ich nicht ferner Euer Feind, sie war unsers Streites nicht wert; wenn sie aber unverführt bleibt, und Ihr das Gegenteil nicht beweisen könnt, so sollt Ihr wegen Eurer schlechten Gesinnung und für den Angriff auf ihre Keuschheit mir mit dem Schwerte Rede stehen.
Eure Hand, es gilt! Wir wollen diesen Vertrag gerichtlich festsetzen, dann fort nach Britannien, daß diese Unternehmung sich nicht erkälte und absterbe! Ich will mein Gold holen, und unsre gegenseitige Wette niederschreiben lassen.
Sechste Szene
Siebente Szene
»Er ist ein Mann von der edelsten Auszeichnung, dessen Freundschaft mich ihm unendlich verpflichtet hat. Beachte ihn in dem Maße, wie dir deine Pflicht teuer ist.
Leonatus.«
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Hatte je ein Mensch solch Unglück! Wenn meine Kugel schon die andre berührte, weggestoßen zu werden! Ich hatte hundert Pfund darauf gesetzt: und dann muß solch ein verwünschter Maulaffe mir noch mein Fluchen vorwerfen; als wenn ich meine Flüche von ihm borgte, und sie nicht nach Gefallen ausgeben könnte!
Wenn ein vornehmer Herr Lust hat zu fluchen, so schickt sich's nicht für irgend jemand, der dabei ist, ihm seine Flüche verschneiden zu wollen.
Nichts auf der Welt kann mich so ärgern, – der Henker hol's! Ich möchte lieber nicht so vornehm sein, als ich bin; sie getrauen sich nicht, mit mir zu fechten, wegen der Königin meiner Mutter; jeder Hansnarr schlägt sich die Haut voll, und ich muß auf und ab gehen, wie ein Hahn, an den sich keiner traut.
Leonatus? Der verbannte Schuft; und dieser ist auch einer, er mag sein, wer er will. Wer sagte Euch von diesem Ausländer?
Ihr seid ein ausgemachter Narr, und dadurch so erniedrigt, daß nichts, was Ihr tut, Euch noch mehr erniedrigen kann.
Kommt, ich will diesen Italiener ansehn; was ich im Kugelspiel verloren habe, will ich heut abend von ihm wieder gewinnen. Kommt, gehn wir!
Zweite Szene
Dritte Szene
Aber nicht jeden so geduldig, wie Eure edle Gemütsart ist, mein Prinz: Ihr seid nur hitzig und wütig, wenn Ihr gewinnt.
Gewinn macht den Menschen mutig. Könnte ich nur diese alberne Imogen erlangen, so hätte ich Gold genug. Nicht wahr, es ist fast Morgen?
So wollte ich, daß die Musik käme; sie haben mir geraten, ihr des Morgens Musik zu bringen; sie sagen, das würde durchdringen.
Na, kommt; stimmt! Wenn ihr mit eurer Fingerei bei ihr durchdringen könnt, gut; dann wollen wir es auch mit der Zunge versuchen; wenn nichts hilft, so mag sie laufen, doch aufgeben will ich es nicht. Erst ein vortreffliches, gut gespieltes Ding; nachher ein wunderbar süßer Gesang, mit erstaunlichen, übermäßigen Worten dazu. – Dann mag sie sich's überlegen.
Lied
Horch! Lerch' am Himmelstor singt hell,
Und Phöbus steigt herauf,
Sein Roßgespann trinkt süßen Quell
Von Blumenkelchen auf;
Die Ringelblum' erwacht aus Traum,
Tut güldne Äuglein auf;
Lacht jede Blüt' im grünen Raum,
Drum, holdes Kind, steh auf;
Steh auf, steh auf!
So, nun fort; wenn dies durchdringt, werde ich eure Musik um so besser beachten: wo nicht, so ist es ein Fehler an ihren Ohren, den Roßhaare, Darmsaiten und die Stimmen von Hämlingen noch dazu nicht bessern können.
Es ist mir lieb, daß ich so spät noch auf war, denn das ist Ursach', daß ich so früh schon wieder auf bin. Er muß diese Liebesbewerbung väterlich aufnehmen. Ich wünsche Eurer Majestät und meiner gnädigen Mutter einen guten Morgen.
Vierte Szene
Fünfte Szene
Dritter Aufzug
Erste Szene
Was da! Es wird kein Tribut mehr gezahlt; unser Reich ist jetzt stärker als damals, und, wie gesagt, es gibt nicht solche Cäsars mehr; manche mögen noch krumme Nasen haben, aber so stämmige Arme hat keiner.
Wir haben noch manchen unter uns, der eben so tüchtig zugreifen kann wie Cassibelan; ich will nicht sagen, daß ich einer bin, aber eine Faust hab' ich auch. – Warum Tribut? Warum sollen wir Tribut bezahlen? Wenn Cäsar uns die Sonne mit einem Laken zudecken kann, oder den Mond in die Tasche stecken, so wollen wir ihm für das Licht Tribut zahlen; sonst, Herr, kein Tribut mehr: kurz und gut!
Seine Majestät heißt Euch willkommen. Tut Euch hier gütlich mit uns einen Tag, oder zwei, oder länger; wenn Ihr uns nachher auf andre Art sucht, so werdet Ihr uns in unserm Gürtel von Salzwasser finden: wenn Ihr uns heraus schlagen könnt, so ist er Euer; wenn Ihr in der Unternehmung umkommt, so finden die Krähen an Euch um so bessere Mahlzeit; und damit gut!
Zweite Szene
Doch nicht mit unsrer Trennung, nein, die schmerz' ihn;
Denn mancher Schmerz ist heilsam: so ist dieser,
Er stärkt die Liebe; – drum Zufriedenheit,
Nur damit nicht! – Erlaube, liebes Wachs –
Gesegnet seid, ihr Bienen, die ihr knetet
Der Heimlichkeiten Schloß! Der Liebende
Und Schuldbedrängte betet sehr verschieden;
Den Ausgeklagten werft ihr ins Gefängnis,
Hold riegelt ihr das Wort Cupidos ein! –
Gebt gute Nachricht, Götter!
Sie liest. »Die Gerechtigkeit und der Zorn deines Vaters, wenn er mich auf seinem Gebiete ergriffe, könnten nicht so grausam gegen mich sein, daß dein Blick, Geliebteste, mich nicht in das Leben zurück riefe. Wisse, daß ich in Cambria, in Milford Hafen bin. Was deine Liebe dir auf diese Nachricht raten wird, dem folge! Hiermit wünscht dir alles Glück, der seinem Eide getreu und der Deinige bleibt in stets wachsender Liebe,
Leonatus Posthumus.«
Dritte Szene
Vierte Szene
»Deine Gebieterin, Pisanio, hat als Metze mein Bett entehrt: die Beweise davon liegen blutend in mir. Ich spreche nicht aus schwacher Voraussetzung, sondern aus einem Zeugnis, so stark wie mein Gram, und so gewiß, wie ich Rache erwarte. Diese Rolle, Pisanio, mußt du an meiner Statt spielen, wenn deine Treue nicht durch den Bruch der ihrigen befleckt ist. Mit eigner Hand nimm ihr das Leben: ich verschaffe dir Gelegenheit dazu bei Milford Hafen. Sie bekommt deshalb einen Brief von mir; wenn du dich fürchtest, sie zu töten, und mir nicht gewisse Nachricht davon gibst, so bist du der Kuppler ihrer Schmach, und im Verrat gegen mich verbunden.«
Fünfte Szene
Es ist Posthumus' Hand, ich kenne sie. – Kerl, wenn du kein Spitzbube sein wolltest, und mir treu dienen, die Geschäfte besorgen, zu denen ich Gelegenheit hätte, dich zu brauchen, mit einem wahren Eifer – das heißt, jede Schurkerei, die ich dir zu tun befehle, ausführen, geradezu und gewissenhaft, – so würde ich dich für einen ehrlichen[442] Mann halten: da solltest du auf meine ganze Hülfe zu deinem Besten rechnen können, und auf meine Stimme zu deiner Beförderung.
Willst du mir dienen? Denn da du so geduldig und standhaft bei dem kahlen Glück des bettelhaften Posthumus ausgehalten hast, so mußt du nach den Regeln der Dankbarkeit auch getreuer Anhänger des meinigen sein. Willst du mir dienen?
Gib mir deine Hand, hier hast du meinen Beutel! Hast du von deinem vorigen Herrn Kleider in deiner Verwahrung?
Ich habe eins in meiner Wohnung, Prinz, dasselbe Kleid, das er trug, als er von meiner Herrin und Gebieterin Abschied nahm.
Der erste Dienst, den du mir tun sollst, ist, daß du mir das Kleid holst. Das soll dein erster Dienst sein. Geh!
Dich in Milford Hafen treffen! – ein Ding vergaß ich noch zu fragen, ich will gleich daran denken – gerade da, du Schurke Posthumus, will ich dich umbringen. Ich wollte, die Kleider wären erst da. Sie sagte mal (die Bitterkeit davon stößt mir noch immer im Herzen auf), daß sie das bloße Kleid des Posthumus höher achte, als meine eigne, edle, natürliche Person, mitsamt dem Schmuck meiner Eigenschaften. In demselben Kleide will ich ihr Gewalt antun – erst ihn umbringen, und vor ihren Augen; da soll sie meine Tapferkeit sehn, und das wird eine Marter für ihren Hochmut sein. Er auf dem Boden, meine Rede voll Hohn auf seinem toten Leichnam beendigt, – und wenn ich meine Lust gebüßt habe (was ich, wie ich sagte, sie zu quälen, alles in den Kleidern tun will, die sie lobte), will ich sie nach Hofe zurück schlagen, sie mit den Füßen wieder nach Hause stoßen. Es machte ihr eine rechte Freude, mich zu verhöhnen: nun will ich auch in meiner Rache ausgelassen sein.
Trage diesen Anzug auf mein Zimmer: das ist das zweite Ding, das ich dir befohlen habe; das dritte ist, daß du von Herzen gern von meiner Absicht schweigst. Sei nur dienstbeflissen, und hohe Beförderung wird dir selbst entgegen kommen. – Meine Rache wohnt jetzt zu Milford: ich wollte, ich hätte Flügel, um sie zu verfolgen! Komm, und sei treu! Cloten geht ab.
Sechste Szene
Siebente Szene
Vierter Aufzug
Erste Szene
Der Platz, wo sie sich treffen sollten, muß hier in der Nähe sein, wenn's Pisanio richtig bezeichnet hat. Wie gut mir seine Kleider passen! Warum sollte seine Geliebte, die von dem gemacht wurde, der den Schneider machte, mir nicht auch passen? Um so mehr, weil man zu sagen pflegt, ein Weib kommt einem zu passe, wenn man ihr aufzupassen weiß, und das ist jetzt meine Sache. Ich mag es mir selbst wohl gestehen (denn es ist keine Eitelkeit für einen Mann, mit seinem Spiegel zu Rate zu gehn; in seinem eignen Zimmer, mein' ich), die Fugen meines Körpers sind so richtig, wie die seinigen; eben so jung bin ich, stärker, stehe nicht unter ihm im Glück, und über ihm in allen Vorteilen der Zeit; bin höher von Geburt, eben so bewandert im allgemeinen Dienst, und preiswürdiger im einzelnen Gefecht: und doch liebt ihn dies eigensinnige Ding mir zum Trotz. Was ist doch der sterbliche Mensch! Dein Kopf, Posthumus, der jetzt noch auf deinen Schultern steht, muß noch diese Stunde herunter; deiner Geliebten wird Gewalt angetan; deine Kleider vor deinen Augen in Stücke gerissen, und wenn das vorbei ist, treibe ich sie mit Fußstößen zu ihrem Vater zurück, der vielleicht etwas böse über mein zu hartes Verfahren sein wird; aber meine Mutter, die seine wunderlichen Launen ganz beherrscht, wird alles zu meinem Besten kehren. Mein Pferd hab' ich angebunden. Heraus, Schwert, zu deinem tödlichen Werk! Fortuna, gib sie in meine Hand! Dies muß gerade der Platz sein, wo sie sich treffen wollten; und der Kerl wagt wohl nicht, mich zu hintergehen. Geht ab.
[449]Zweite Szene
Lied
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
O Schlaf, du warst mein Ahnherr, und erzeugtest
Den Vater mir – auch meine Mutter schufst du,
Mein Brüderpaar: doch höhnend nur, verloren!
Schon abgeschieden, als sie kaum geboren,
So nun erwacht. – Armsel'ge, die sich stützen
Auf Gunst der Großen, träumen, wie ich träumte;
Erwachen, finden nichts. – Doch, leerer Dunst!
Mancher hat nicht Verdienst noch Traumesgunst,
Und wird bedeckt mit Lohn; so wird mir hie,
Ich finde goldnes Glück und weiß nicht wie.
Was hausen hier für Feen? Ein Buch? Oh, Kleinod!
Sei nicht wie unsre Stutzerwelt, ein Kleid
Edler, als der es trägt: laß deinen Inhalt
Auch golden sein, ganz ungleich jetz'gem Hofmann:
Halte, was du versprichst:
Er liest. »Wenn eines Löwen Junges, sich selbst unbekannt, ohne Suchen findet, und umarmt wird von einem Stück zarter Luft; und wenn von einer stattlichen Zeder Äste abgehauen sind, die, nachdem sie manches Jahr tot gelegen haben, sich wieder neu beleben, mit dem alten Stamm vereinen und frisch empor wachsen: dann wird Posthumus' Leiden geendigt, Britannien beglückt und in Frieden und Fülle blühend.«
Noch immer Traum, wo nicht solch Zeug wie Tolle
Verstandlos plaudern: beides, oder nichts:
Entweder sinnlos Reden, oder solch Gerede,
Das Sinn nicht kann enträtseln. Sei's, was immer,
[476]Eine schwere Rechnung für Euch, Herr; aber der Trost ist, Ihr werdet nun nicht mehr zu Zahlungen gefodert werden, keine Wirtshausrechnung mehr zu fürchten haben, die oft das Scheiden betrübt macht, wie sie erst die Lust erweckte. Ihr kommt schwach an, weil Ihr der Speise bedürft, und geht taumelnd fort, weil Ihr ein Glas zu viel getrunken habt: traurig, weil Ihr zu viel ausgegeben: traurig, weil Ihr zu viel eingenommen habt: Kopf und Beutel leer: der Kopf um so schwerer, weil er zu leicht ist, der Beutel um so leichter, weil ihm seine Schwere abgezapft ist. Oh! Aller dieser Widersprüche werdet Ihr nun los. – O über die Menschenliebe eines Pfennigstricks! Tausende macht er in einem Augenblicke richtig: es gibt kein besseres Debet und Kredit als ihn; er quittiert alles Vergangene, Jetzige und Zukünftige – Euer Hals ist Feder, Buch und Rechenpfennig; und so folgt der völlige Abschluß.
Wahrhaftig, Herr, wer schläft, fühlt kein Zahnweh; aber einer, der Euren Schlaf schlafen sollte, wobei der Henker ihm ins Bett steigen hilft, ich denke, der tauschte gern seinen Platz mit seinem Aufwärter: denn seht, Ihr wißt noch nicht, welches Weges Ihr gehen werdet.
Nun, dann hat Euer Tod Augen im Kopf; so Habe ich ihn noch nicht gemalt gesehen: Ihr müßt Euch entweder [477] von denen führen lassen, die behaupten, den Weg zu kennen, oder Ihr müßt Euer eigner Führer sein, da ich doch weiß, Ihr kennt den Weg nicht: oder Euch auf eigne Gefahr über alle diese Untersuchungen hinwegsetzen: und wie es Euch am Schluß gerät, – nun, ich denke, Ihr kehrt niemals zurück, um irgendeinem das zu erzählen.
Ich sage dir, keinem fehlen die Augen, ihn auf dem Wege zu leiten, den ich jetzt gehen werde, als solchen, die die Augen zudrücken und sie nicht gebrauchen wollen.
Welch ein Tausend Spaß wär' das, daß ein Mensch den besten Gebrauch seiner Augen hätte, um den Weg der Blindheit zu sehen! Ich bin gewiß, Hängen ist der Weg, die Augen zuzudrücken.
Wenn einer einen Galgen heiraten wollte, um junge Kniegalgen zu erzeugen, könnte er nicht versessener drauf sein wie der. Doch auf mein Gewissen, es gibt noch größere Schurken, die zu leben wünschen, mag dieser auch ein Römer sein: – und unter ihnen gibt es auch welche, die gegen ihren Willen sterben; wie ich tun würde, wenn ich einer wäre. Ich wollte, wir wären alle einer Gesinnung, und die eine Gesinnung wäre gut; oh! Dann würden alle Kerkermeister und Galgen aussterben! Ich spreche gegen meinen jetzigen Vorteil; aber mein Wunsch schließt eine Beförderung ein. Er geht ab.
[478]Fünfte Szene
»Wenn eines Löwen Junges, sich selbst unbekannt, ohne Suchen findet, und umarmt wird von einem Stück zarter Luft; und wenn von einer stattlichen Zeder Äste abgehauen sind, die, nachdem sie manches Jahr tot gelegen haben, sich wieder neu beleben, mit dem alten Stamm vereinen und frisch empor wachsen; dann wird Posthumus' Leiden geendigt, Britannien beglückt und in Frieden und Fülle blühend.«
Du, Leonatus, bist des Löwen Junges;
So wird dein Name treu und recht erklärt,
Da Leo-natus ganz dasselbe deutet;
Das Stück der zarten Luft, dein edles Kind,
Wir nennen's mollis aer; mollis aer
Bedeutet mulier: mulier nun, erklär' ich,
Ist dies standhafte Weib, die eben jetzt,
Buchstäblich nach den Worten des Orakels,
Euch unerkannt und ungesucht umschloß
Als zarte Luft.
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- TextGrid Repository (2012). Shakespeare, William. Komödien. Cymbeline. Cymbeline. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0BDE-5