[147] Die geschöpff Gottes vverden zu seinem lob ermahnet

1.
Wolauff/ jr hole seiten-spiel/
Stimmt an die silber-zungen/
Die seiten stimmet an subtil/
Sti it an waß je geklungen;
Sti it an dem werth- vnd lieben Gott/
Euch laßt in frewden mercken:
Singt immer/ immer ohn verbott/
Vnd singt von seinen wercken.
2.
Er setzet vnß die tag/ vnd jahr:
Er spaltet ab die zeiten:
Dort stellet er den sommer klar/
Den winter dort beyseiten;
Dan auch den herbst/ vnd Frühling beyd/
In gleicher läng durch-schnitten/
Er jhnen stellt zum vnderscheid/
Recht dort/ vnd dort in mitten.
3.
Zu nacht er vns den himmel blaw/
Mit flämmlein schön bespritzet/
Die glantzen wie der stoltze Pfaw
[148]
Wan er voll spieglen glitzet.
Zu tag er vnß mit schönem schein/
Gar freundtlich vberschwimmet/
Wan Phoebus mit den stralen sein/
Den höchsten grad erklimmet.
4.
Er schicket auß die vögelein/
Auff läre wolcken straffen;
Er mahlet jhn die federlein/
Schön vber alle massen;
Er schleiffet jhn die schnäbelein/
Er löset jhn die zungen/
Da singlen sie dem namen sein/
Gar hoch in lufft erschwungen.
5.
Daß grosse meer/ vnd wässer klein/
Heißt er die welt befeuchten:
Die wässer all mit lindem schein
Wie glas/ vnd silber leuchten:
Da nehret er die nasse burß/
In schüppen glatt bekleidet/
So stumm/ ohn stimmen/ ohn discurs/
Die feuchte reich zerschneidet.
6.
Grün färbet Er den erdenklotz/
Mit blümlein vntermahlet;
Die bieten auch den sternen trotz/
[149]
Nur wären sie bestralet.
Die kräuter auch vnzahlbar vil
Beruffet er mit namen/
Bestimmet jhnen maß vnd zihl
An wurtzel/ vnd an samen.
7.
Er richtet auff die felsen stoltz/
Die berg er hoch erhebet;
Er krönet sie mit cederholtz/
Daß gleich den wolcken schwebet.
Er züglet auff so manchen wald/
Mit nästen wol bekleidet;
Er da dem wild schafft vnderhalt/
So feld/ vnd menschen meidet.
8.
Er speist die junge raben-kind/
Wan d'alten sie verhassen;
Vnd/ weils noch vngeferbet sind
Die zarte frucht verlassen.
Er speiset mensch/ vnd alles vieh/
Laßt kraut/ vnd früchten wachßen;
Gibt wolfeyl alles dort vnd hie/
Gar träglich sein die taxen.
9.
Dem vieh sampt vns hat er bereit
Die felder/ berg/ vnd wiesen/
Gibt jhm das graß/ vnd vns getraid
[150]
Oel/ trauben hoch gepriesen.
Die trauben geben jenen tranck/
Der in vns trawren labet/
Der vns/ wan schon wir ligen kranck/
Mit frischem sinn begabet.
10.
Er heist die wind auß Norden kalt
Daß hohe meer bestraffen:
Da klinglē starck/ das grausam schallt/
Die klare wasser-waffen:
Da springet in stück gar manche flut/
Das Vfer laut erbrüllet:
Den Lufft er gantz in eyffermut
Mit schaum/ vnd klang erfüllet.
11.
Er spannet auch die schnelle wind
An seinen wolcken-wagen:
Da laufft das schnauffēd lufft-gesind/
Vnd jhn mit frewden tragen:
Er schiesset ab die rothe stral/
In brausen eingeflochten:
Das meer gab nie so starcken schall/
Wan schon all wällen pochten.
12.
Da bebet wild vnd zahmes holtz:
Die straff er zückt von leder:
[151]
Vor jhm fleugt her der wetter-boltz/
Mit seiner gülden feder.
Er thut mit stoltzer wolcken-stimm/
Den lufft in zorn zerreissen;
So kühlet er dan seinen grimm/
Macht berg/ vnd felsen spleissen.
13.
Drumb nur jhr hole seitenspiel/
Sti it an die silber zungen:
Die seiten sti iet an subtil
Sti it an waß je geklungen.
Sti it an dem werth- vnd lieben Gott/
Euch laßt in frewden mercken;
Singt jmmer/ jmmer ohn verbott/
Vnd singt von seinen wercken.

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TextGrid Repository (2012). Spee, Friedrich. Gedichte. Trutznachtigall. Die geschöpff Gottes vverden zu seinem lob ermahnet. Die geschöpff Gottes vverden zu seinem lob ermahnet. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-11C6-6