Die gesponß Jesu seufftzet nach jhrem Bräutigam, vnd ist ein spiel der Nachtigalen mit einer Echo vnd vviderschall

1.
Ach wan doch JESV liebster mein/
Wan wirft dich mein erbarmen:
Wan wider zu mir kehren ein?
Wan fassen mich in armen?
Was birgest dich?
[18]
Was kränckest mich?
Wan werd ich dich vmbfangen?
Wan reissest ein/
All meine pein?
Wan schlichtest mein verlangen?
2.
O wilkom süße Nachtigall
Kombst mir zu rechter stunde:
Erfrisch den lufft mit bestem schall
Erschöpff die kunst von grunde.
Ruff meinem Lieb/
Er nit verschieb;
O JESV ruff mit kräfften;
Ruff tausendtmahl/
Ruff ohne zahl/
Wer weiß es je mögt häfften.
3.
Ach ruff/ vnd ruff. O Schwester zart
Mein JEsum zu mir lade:
Mir trewlich hilff zu diser fahrt;
Dan ich in zähren bade.
O schwester mein/
Sing süß vnd rein:
Ruff meinem Schatz mit nahmen.
Dan kurtz/ dan lang/
Zieh deinen klang:
All Noten greiff zusamen.
[19] 4.
Wolan; scheint mich verstanden hatt
Die Meisterin in Wälden:
Ihrs albereit geht wol von statt/
Die Färblein schon sich melden.
In starker zahl
Nun manches mahl/
Den Thon sie schon erhebet/
Weil auch der Schall
Auß grünem Thall
Ihr freundlich widerstrebet.
5.
Da recht du fromme Nachtigall/
Du jenem schall nit weiche:
Da recht/ du trewer widerschall/
Du stäts dich jhr vergleiche.
Zur schönen wett
Nun beyde trett/
Mein JESVM last erklingen;
Ob schon im streit
Der schwächsten seit
Am Leben solt mißlingen.
6.
Die Nachtigal den Schall nit kendt/
Vnd helts für jhr gespielin:
Verwundert sich wies mög behendt
So gleichen Thon erziehlen.
[20]
Bleibt wenig stumm:
Schlägt widerum:
Denckt jhr bald obzusiegen:
Doch widerpart
Machts gleicher art/
Kein Pünctlein bleibt verschwiegē.
7.
Bald steiget auff die Nachtigall
Je mehr/ vnd mehr/ vnd mehre;
Gleich folget auch der Widerschall/
Wans je noch höher wehre.
Drumb zierlich fecht:
Vnd starcker schlegt
Daß Fräwlein reich von stimmen/
Steigt auff/ vnd auff/
Gantz ohn verschnauff:
Doch thuts der Schall erklimmen.
8.
Alßdan gehts vber Zihl/ vnd Schnur;
Daß Hertz möcht sich zerspalten;
Sie sucht eß in B moll/ B dur/
Auff allerhandt gestalten:
Thut hundertfalt
Den Baß/ vnd Alt/
Tenor/ vnd Cant durchstreichen;
Doch Stimm/ vnd Kunst
[21]
Ist gar vmbsonst/
Der Schall thuts auch erreichen.
9.
Da kitzlet sie dan Ehr/ vnd Preiß
Mit garzu scharpffen Sporen/
Erdenckt noch schön- vnd schöner weiß;
Meint sey noch nicht verlohren.
All muth/ vnd blut/
Vnd Athem gut
Versamlet sie mit hauffen
Wil noch zum Sieg/
In schönem krieg
Mit letzten kräfften lauffen.
10.
Ey da kracht jhr so mütigs hertz
Gleich thon/ vnd Seel verschwindē
Da leschet sich die gülden kertz/
Entzückt von starcken winden.
O mütigs hertz!
O schöne kertz!
O wol/ bist wol gestorben.
Die Lorber Cron/
Im letzten thon
Du doch noch hast erworben.
11.
Dan zwar ein Seufftzerlein gar zart
Im todt hast lan erklingen/
[22]
Daß so subtil dein widerpart
Mit nichten mögt erschwingen:
Drumb ja nit lieg;
Dein ist der Sieg;
Daß Cräntzlein dir gebüret/
Welchs dir allein
Von blümlein fein/
Ich schon hab eingeschnüret.
12.
Ade dan falbe Nachtigal/
Von falbem todt entferbet:
Weil du nun ligst im grünen thal/
Sag/ wer dein Sti ilein erbet?
Könts ie nit seyn
Eß würde mein?
O Gott könt jchs erwerben!
Wolts brauchen stät
So früh/ so spät/
Biß auch im sang thet sterben.
13.
Nun wil ich doch in diesem Wald/
Bey deinem grab verbleiben;
Hoff mich mit jhren pfeilen bald
Begierd/ vnd lieb entleiben.
Will ruffen starck
Zum todten sarck
[23]
Biß mein Geliebter komme:
Ein halten wil
Mich in der still
Biß letzt ich gar verstumme.

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TextGrid Repository (2012). Spee, Friedrich. Gedichte. Trutznachtigall. Die gesponß Jesu seufftzet nach jhrem Bräutigam. Die gesponß Jesu seufftzet nach jhrem Bräutigam. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-11E6-D