[4] Vorred deß Authoris

1.

Trvtz Nachtigal wird diß Büchlein genandt/ weiln es trutz allen Nachtigalen süß/ vnnd lieblich singet/vnnd zwar auffrichtig Poetisch: also daß es sich auch wol bey sehr guten Lateinischen vnnd anderen Poeten dörfft hören lassen.


2.

Daß aber nicht allein in Lateinischer sprach/ sondern auch so gar in der Teutschen/ man recht gut Poetisch reden vnnd dichten könne/ wird man gleich auß diesem Büchlein abnehmen mögen/ vnd mercken/ daß es nicht an der sprach/ sondern vielmehr an den personen/ so es einmal auch in der Teutschen sprach wagen dörfften/ gemanglet habe. Derohalben hab ich solchen zu helffen vnderstanden/ vnd befliessen mich zu einer recht lieblichen Teutschen Poetica die baan zu zeigen/ vnd zur grösseren ehren Gottes einen newen geistlichen Parnassum/ oder kunstberg algemach anzutretten.


3.

Solt nun solches dem Leser/ wie verhoffentlich/ wolgefallen/ so sey Gott zu tausentmahl gelobt vnd gebenedeyet: dan je anders nichts alhie gesucht noch begehrt wird/ als daß Gott auch in Teutscher sprach seine Poeten hette/ die sein lob vnd namen eben so[5] künstlich/ als andere in ihren sprachen singen vnd verkünden könten; vnd also deren menschen hertz/ so es lesen oder hören werden/ in Gott vnd Göttlichen sachen ein gnügen vnd frolocken schöpffen.


4.

Vnd zwar die Teutsche wörter betreffend/ solle sich der Leser sicher drauff verlassen/ daß keines passirt worden/ so sich nicht bey gut Authoren finden lasse/oder bey gute Teutschen bräuchlich seye/ ob schon alle vnd jede wörter nit bey einer Statt oder Landt zu finden seyn; sonder ist das Privilegium oder Volmacht Dialecten zu gebrauchen in acht genommen.


5.

Neben dem ist fleiß angewendet worden/ daß so gar nichts vngleiches/ hartrauh- oder gezwungenes je dem Leser zun ohren komme/ wann nur der rechte schlag vnd thon/ im ablesen der Versen beobachtet vnd getroffen wird/ welches insonderheit in acht muß genommen werden. Nemblich in den sprunck-Reym-oder Versen in Teutscher sprach/ die sonstē Trochaische Verß bey den Gelehrtē genant werden/ sonsten seind es Jambische Verßen/ dan dieser arten/ sich am meisten in vnser Teutschen sprach fügen. Vnnd werden die Trochaische Reym also gelesen wie daßPange lingua gloriosi, etc. oder Mein zung erkling vnd frölich sing: wie hie


[6] mit Schlägen gezeigt stehet/ mit den anderen hats kein besondere beschwehrnuß.


6.

Soll aber der Leser gute acht geben/ daß er im lesen keinen buchstaben oder syllaben zusetze oder außlasse/ damit die Poetische zahl vnd maß der Verßen nicht verändert/ vnnd der Schlag vnnd Klang vnartig werde. Dann keine Sylbe zu viel oder zu wenig ist/wan nur im abschreiben/ oder im Truck nichts verfehlet ist. Darumb mercke wol ob exempel weiß geschrieben sey/

drauffdarauff
drumdarum
ganggange
treibtreibe
creutz odercreutze
tagstages
gehngehen
stehnstehen
vnd dergleichen andere wörtlein/ welche jeweilen eine Syllabe machen/ vnd andersmahl zwo.

7.

Was aber die quantitet/ mensur oder maß an kürtze vnnd länge der Syllaben angeht/ wird dieselbe am füglichsten geno ien auß gemeinem vnnd bewehrtem brauch der recht- vnd wol redenden Teutschen/ also daß [7] hie ein delicat oder zart gehör von nöthen ist/ vnd accents vrtheil. Dan in gemeiner sprach die Syllaben für lang gehalten werden/ auff welche der accent fällt/vnd die anderen für kurtz. Zum exempel: bruder hat zwey Syllaben/ die erste ist bey den Teutschen lang/dann ja ein Teutscher nicht sagt brudér/ etc. Doch muß man in den Trochaischen Verßen (wil es rund bekennen) zu zeiten nachsehen/ vnd die außsprach etwas glimpflicher lencken/ nach dem sprūg derselben versen; ist aber also lind angeordnet/ daß entweder der Leser es gar nicht vermercken noch achten/ vnd auch die ohren nicht verletzen wird. Vnd auß diesem merck-puncten entstehet die liebligkeit aller Reym-versen/ welche sonsten gar vngeschliffen lauten/ vnd weiß mancher nicht/ warumb sonst etliche verß so ungeformbt lauten/ weil nemblich der Author kein acht hat geben auff den accent.

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TextGrid Repository (2012). Spee, Friedrich. Gedichte. Trutznachtigall. Vorred deß Authoris. Vorred deß Authoris. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1375-C