[157] Bestrafter Ungehorsam.
Wilhelm, ein achtjähriger Knabe, fand ein großes Vergnügen daran ein Pferd zu besteigen und zu reiten. Sein Vater versagte ihm diesen Wunsch nicht, doch mußte es immer in seiner Gegenwart geschehen, und ein sicheres Pferd zu diesem Gebrauche für den kleinen Reiter gesattelt werden; aber Wilhelm ward zu dreist, und traute sich mehr Kräfte zu, als er wirklich besaß; denn um ein Pferd lenken und regieren zu können, darf man nicht schwach und kraftlos seyn. Er strebte nun schon allein, ohne die väterliche Aufsicht und ohne das Pferd, welches er bestieg, zu kennen, sich seinem Vergnügen zu überlassen. Sein Vater, welcher ein Pächter war, wohnte auf dem Lande, und so fehlte es auch an Gelegenheit dazu nicht. Eines Tages, als der Vater auf dem Felde beschäftigt war, lief Wilhelm zu ihm und bat um die Erlaubniß, ein Pferd, welches seit einigen Tagen im Hause war, besteigen zu dürfen. Der Vater verbot es ihm, weil er noch zu wenig mit dem Thiere bekannt war, um zu wissen, ob es nicht tückisch oder wild und scheu sei. Wilhelm kam betrübt nach Hause; [158] da er aber gleich darauf den Knecht erblickte, welcher das Pferd führte, lief er in den Hof und verlangte, dieser solle ihm erlauben ein wenig umher zu reiten. Anfänglich widersetzte sich der Knecht diesem Verlangen, endlich gab er aber doch nach, und Wilhelm fing an lustig umher zu traben. Nicht lange währte aber seine Freude; das Pferd merkte bald die Schwäche seines Reiters und warf diesen ab. Unglücklicherweise fiel dieser auf einen Stein der spitzig war. Der Knecht hob ihn auf und führte oder trug ihn vielmehr ins Haus zu der Mutter, wo er sogleich über Schmerzen an der Seite, auf welche er gefallen war, klagte. Die erschrockene Mutter schickte augenblicklich in die nahe Stadt nach einem Arzt; ehe aber dieser noch erschien, hatte Wilhelm schon sein Leben geendet. Er hatte, durch den harten Fall, die Leber so beschädiget, daß er sterben mußte. So verlor er früh schon sein Leben und versetzte seine Eltern in die allerhöchste Betrübniß.